Seit ich nicht mehr Taxi fahre, fehlt mir der Austausch mit gesunden erwachsenen Menschen. Die trifft man neuerdings nur noch beim Arzt im Wartezimmer. Das Arzt-Wartezimmer ist die Nische für alle noch Gesunden geworden, das kann man ohne Übertreibung sagen. Und das, obwohl dort bei vielen immer noch der Spiegel, das ehemalige Nachrichten-Magazin aus Hamburg, rumliegt. Außer mir scheint sich niemand für ihn zu interessieren. Man will halt gesund bleiben. Mir macht es nichts aus, in den Spiegel zu schauen. Heute musste ich nun dort lesen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Warum sollte es sie auch geben, wenn es in meiner Altersgruppe, also die 40- bis 59-Jährigen, gerade mal 19 Corona-Tote auf eine Million Einwohner unseres Landes gibt. In der Altersgruppe von 0 bis 39 Jahre sind es sogar nur 2 Corona-Tote auf eine Million Einwohner. Die Daten sind übrigens vom Robert-Koch-Institut und vermutlich sind mit Corona-Tote sowohl mit als auch an Corona Verstorbene gemeint. Ich fühlte mich sogleich besser und gar nicht mehr krank, aber krank war ich sowieso nicht, genauso wenig wie alle anderen im Wartezimmer. Es stimmt wirklich: Die Gesunden trifft man heute beim Arzt. Dort bin ich dann raus, ohne überhaupt mit meiner Ärztin gesprochen zu haben. Das war auch gut so, weil direkt vor ihrer Praxis auf der Straße obiges Buch für mich bereit lag. Es heißt “Die Angst der Woche – Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten”, und geschrieben hat es Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Dortmund. Ich habe es auch schon für dich quer gelesen und kann es nur empfehlen. Es beantwortet nicht nur die Frage, ob man sich mit Rinderwahnsinn, auch bekannt als BSE, die vorletzte Sau vor Corona, anstecken kann, wenn man zu lange auf seinem Rindsledersofa rumlümmelt (eine wichtige Frage, weil wir aktuell alle zu hause bleiben sollen), sondern beschäftigt sich auch mit der Rolle der Medien und stellt diesbezüglich fest: “Hier scheint eine – leider typisch deutsche – Bereitschaft, ja Begierde eines Publikums, sich aufzuregen und Angst zu haben, mit einer ebenfalls überdurchschnittlichen Bereitschaft der Medien zusammenzutreffen, diesem Bedürfnis nachzukommen. So wird eine kulturübergreifende Anfälligkeit für irrationale Panikattacken durch mediale deutsche Sonderwege noch verstärkt.” Dem ist nichts hinzuzufügen, ausser vielleicht der Hinweis an alle aktuell mit Angst und Sorge Beladenen, dass deutsche Sonderwege noch nie ein gutes Ende nahmen.
Foto&Text TaxiBerlin
Es gibt Menschen, die brauchen feste Regeln, an die sie sich halten können, auch damit ihr Leben Struktur hat. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Ich muss allerdings dazu sagen, dass mir bis März das Taxifahren Struktur gab. Jetzt gibt meinem Leben neben meiner Büchersucht, die mich immer wieder auf die Straße raustreibt, nur noch meine Beziehung Struktur. In meiner Partnerschaft ist es aber so, dass es da auch viel um die Befolgung von Regeln geht. Ich schreibe nicht gerne darüber, aber auch hier ist es hilfreich, bei der Wahrheit zu bleiben, so hoffe ich zumindest. Die Wahrheit sieht so aus, jetzt kann ich es sagen, dass meine Frau und ich eine Sado-Maso-Beziehung führen, wobei sie die Masochistin ist und ich der Sadist. Das ganze funktioniert so, ich mache einfach mal ein Beispiel, damit es klarer wird. Sie, also meine Frau, sagt zu mir: “Quäl mich!”, und ich antworte ihr: “Nein!” – Daran halten wir uns dann auch, was eine gewisse Disziplin voraussetzt. Denn “Nein!” zu sagen ist oft schwerer, als gemeinhin gedacht. Ich meine, wie viele Beziehungen gibt es, wo der eine Partner den anderen quält oder sich gar beide gegenseitig. Dass es das bei uns nicht gibt, daran haben wir viele Jahre und mit Hilfe einer Therapeutin gearbeitet, und dafür gilt seither diese Regel in unserer Beziehung, an die wir uns halten. Was ich damit sagen will: Nicht nur Geiz und Gehorsam, sondern auch “Nein!” zu sagen kann richtig geil sein, insbesondere dann, wenn man sich dann auch dran hält, es sozusagen durchzieht, was allerdings geübt sein will, das machst du nicht einfach so. Das meint zumindest,
Dein TaxiBerlin
Komme gerade vom Bäcker, wo ich gestern drei Brötchen auf den Namen LUKA vorbestellt habe. Ich arbeite neuerdings mit Decknamen, genau genommen seit gestern. Da sagte ich der Bäckersfrau, sie solle sich einen Namen ausdenken, auf den ich meine drei Brötchen heute abholen kann. Als ihr kein Name für mich einfallen wollte, fügte ich die Frage hinzu, wie ich aussehen würde, und so kam sie aus LUKA. Auf meinem Rückweg vom Bäcker, es war ein anderer als der Hinweg, fand ich plötzlich obiges Buch von Naomi Klein auf der Straße. Es liegt immer noch vieles rum auf unseren Straßen, aber es ist wie gesagt weniger geworden als noch am Anfang der so genannten Corona-Krise. “Die Schock Strategie – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus” von Naomi Klein wird mich über den November bringen, denn es wird gerade für fünfzig Euro gehandelt, weswegen ich es sogleich in meinen Bauchladen eingestellt habe. Ich habe es vor einiger Zeit gelesen, und es handelt auch von früher, aber das Prinzip ist möglicherweise dasselbe, was heute angewandt wird. Versetze die Bevölkerung in eine Schock-Starre, und du kannst praktisch “durchregieren”. Hier nur mal die Titel von drei Kapitel im Buch: “Die große Lüge”, “Die Wissenschaft der Angst” und “Die Demontage der Demokratie”. Warum genau jetzt dieses Taschenbuch von Naomi Klein für diesen Preis gehandelt wird, ob es wirklich mit dem zu tun hat, was gerade geschieht, das kann ich natürlich nur vermuten. Dazu müsste man das Buch (nochmal) gelesen haben. Wenn du es ja herausfinden willst, dann musst du dich beeilen und hier nachsehen, ob es noch da ist. Mit etwas Glück bist du derjenige, der es kauft und mir damit die Brötchen für den Rest des Monats sichert. Wie gesagt: Mein Deckname da, also beim Bäcker, ist LUKA.
Foto&Text TaxiBerlin