Bericht aus Bulgarien (55)

“Weltkrieg begonnen – war im Konzert.”

“Weltkrieg begonnen – war im Schwimmbad” soll Kafka bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in sein Tagebuch geschrieben haben. Mein Freund und Dudelsackspieler, bei dem ich gerade in Sofia wohne, meinte heute zu mir, dass ich meinen Wagen volltanken soll, damit wir danach zu mir aufs Dorf in meine Hütte fahren können, um dort den Krieg zu überleben. Er hatte seinen Wagen schon vollgetankt, und da ich kein Spielverderber sein wollte, habe ich meinen auch vollgetankt. Danach bin ich aber nicht mit ihm zu mir auf mein Dorf gefahren, sondern bin ins Konzert ins “Nationale Haus der Studenten” gegenüber vom Parlament gegangen. Mein Zahnarzt war zufällig auch da. Überhaupt waren nur coole Leute auf dem Konzert. Am besten war die Musik, eine Mischung aus Nusrat Fateh Ali Khan und Leonhard Cohen. Masken wurden keine getragen, einen Grünen Pass wollte niemand sehen und über den Krieg hat auch keiner gesprochen. Es wurde sich aber auf jeden Fall noch mehr umarmt und gedrückt, als dies sowieso schon üblich ist in Bulgarien, falls das jemanden interessiert. So viel zu heute. – Mein Zahnarzttermin morgen fällt aus, weil mein Zahnarzt da auf eine Beerdigung geht. Sein Großvater ist gestorben. Nicht an Corona und auch nicht im Krieg. Ist immerhin 89 geworden. Ich könnte also morgen mit meinem Freund und Dudelsackspieler auf mein Dorf fahren. Wahrscheinlich werde ich aber hier in Sofia bleiben. Jedenfalls habe ich mich für morgen Abend mit meinem Freund und Zahnarzt in einem anderen Club verabredet, wo es auch coole Leute und gute Musik geben soll. Ich bin gespannt.

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Bericht aus Bulgarien (54)

Gestern in Sofia

In Bulgarien ist die Polizei nicht nur dein Freund und Helfer, sondern Polizisten sind auch gerne Foto-Model, insbesondere Polizistinnen. So ein Arbeitstag eines Foto-Models kann sehr lang sein, weswegen sie oft eine Flasche Wasser dabei haben, damit sie nicht austrocknen. Helm und Schild und auch eine Kampfmontur stören beim “Shooten” nur, sie sind auch in Bulgaren eher die Ausnahme. In Bulgarien, dem ärmsten Land der EU, werde auch aus Geldgründen andere Prioritäten gesetzt. Auch wird man hier nicht ständig angebrüllt von den Polizisten und Polizistinnen wie in Deutschland, obwohl man sich in Bulgarien um einiges lauter unterhält als in der Heimat. Masken sollen, wenn ich es richtig verstanden habe, ab heute nicht mehr obligatorisch sein. Gestern, wie auch zuvor schon, wurden sie nicht mal mehr von den Ordnungshütern getragen, weswegen es auch nie eine solche Maskerade wie in Deutschland gab. Vermutlich haben die meisten von den Polizisten und Polizistinnen hier, so wie auch die allermeisten Bulgaren, zuvor schon nie wirklich an den Corona-Zirkus geglaubt. Jedenfalls hatten auch sie gestern schon wieder gut lachen.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (53)

Geht doch!

Heute auf dem landesweiten Protest in der bulgarischen Hauptstadt Sofia hat Ministerpräsident Petkow seinen Landsleuten zugesichert, dass der Grüne Pass zusammen mit der Maske und allen anderen Maßnahmen am 20. März fallen wird. Der Mann hatte wirklich die Eier vor 3.500 Protestierenden zu sprechen. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Aber nicht deswegen habe ich mich einmal mehr völlig frei und unbedroht gefühlt, wie schon lange nicht mehr auf einer Demo, sondern weil Bulgarien prinzipiell die große Freiheit ist. Darüber hinaus habe ich heute wieder tolle Fotos gemacht. Diesmal waren Polizisten in meinem Fokus, vor allem aber Polizistinnen, auch die gibt es in Bulgarien. Die Polizisten sind hier, obwohl oft älter als in Deutschland, meist ohne Maske. Die Polizistinnen, die auch unmaskiert sind, sind dafür jünger. Aber gut, in Bulgarien ist vieles anders, und das meiste umgedreht. Beispielsweise dieses ständige angebrüllt werden ABSTÄNDE EINHALTEN!!! von diesen blauäugigen Bestien in der Heimat. Das gibt es hier nicht, genauso wenig wie das ewige HALTUNG ZEIGEN! Alleine deswegen sind mir die braunäugigen Barbaren des Balkans lieber. Und heute sind wir, wie man sieht, sogar Freunde geworden. Die Harmonie auf dem Foto ist also nicht nur farblich bedingt. – Morgen geht des mit den Frauen-Bildern weiter.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (52)

 

Der Bulgare hat gut lachen

In Bulgarien dürfen die Menschen nicht nur demonstrieren, sondern sogar protestieren. In den letzten Tagen protestierten hier unter anderem die Museen und Galerien, aber auch die Feuerwehrmänner und alleinerziehende Mütter. Heute nun hat die Partei “Wiedergeburt” zum zweiten landesweiten Protest um 11 Uhr vor dem Ministerrat in Sofia aufgerufen. In Bulgarien heißen Proteste, auf denen demonstriert wird, noch Demonstrationen und nicht Spaziergänge. Demonstranten werden dort nicht von Ordnungshütern angebrüllt, Abstände einzuhalten. Masken werden kaum getragen, auch nicht von der Polizei. Die Taktik der Berliner Polizei, Menschen einzukesseln, die Räume eng zu machen, dann die Veranstaltung aufzulösen, weil Abstände nicht eingehalten wurden – sie ist in Bulgarien gänzlich unbekannt. Es ist ein typisch deutsches Phänomen. Der Bulgare braucht nur einen Protest ankündigen, dann reagiert die Regierung. So geschehen beim ersten Protest, als man sich am Montag zuvor traf, um danach in die Selbstisolation zu gehen, damit man nicht mit den Protestierenden reden muss. Immerhin wurden Runde Tische vereinbart, aus denen aber nichts geworden ist, auch deswegen der erneute landesweite Protest heute. Wieder haben die Regierenden reagiert, und wieder war es der Montag, als Ministerpräsident Petkow verkündete, dass am 20. März sämtliche Maßnahmen und auch der Grüne Pass fallen werden. Auch wenn das vermutlich wieder ein Trick ist – der Montags-Trick – so reagiert man in Bulgarien bereits bei Ankündigung eines Protestes. Die Regierenden sind also noch nicht so abgehoben wie andernorts, wo die Kommunikation mit den Menschen praktisch eingestellt wurde und man nur noch mit Schlagstock und Tränengas bewaffnete berittene Polizisten auf sie trampeln lässt. Vermutlich liegt es auch einfach daran, dass es hier nichts bringen würde Bankkonten einzufrieren, weil das wenige, was der Bulgare hat, so weit es nicht vor allem Schulden sind, hat er meist bei sich.

PS: In Bulgarien gibt es auch keine Polizisten auf Pferden. – Die einst zahlreichen Pferde wurden in Bulgarien alle schon aufgegessen.

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Bericht aus Bulgarien (51)

“Ich möchte ein normales Leben”

In dem Film “Trainspotting” gab es den “Sick Boy”, der ein oder andere erinnert sich, der gegen “Sick Bill”, der gerade die nächste Pandemie “einpreist”, und zwar in seine Gewinne, ein Waisenknabe war. “Sick Boy” hat nur einem harmlosen Kampfhund in den Arsch geschossen, worauf dieser sein Herrchen anfiel, und da hat er nicht mal selber geschossen. “Sick Bill” hat Milliarden damit gemacht, dass er Milliarden an die Nadel gebracht hat, wobei er nicht selbst zur Spritze greift. Die Opfer dürfen auch nicht aufschreien, geht es nach “Sick Bill”, sondern sollen stillhalten und zwar auf Dauer, denn nach der Impfung ist vor der Impfung. Das hat zumindest den Vorteil, dass jeder immer wieder auf’s Neue entscheiden kann, ob er beim Impfen aussteigt oder nicht. In Bulgarien haben die allermeisten gar nicht erst angefangen mit dem Impfen, oder sie haben sich die Impfung “gekauft” – das geht auch. Das Leben der großen Mehrheit hier ist so geblieben, wie es schon immer war: ohne Impf-Abonnement. Und trotzdem fordern viele ihr altes Leben zurück, und zwar morgen um 11 Uhr vor dem Ministerrat in Sofia.  –  Die Bulgaren trauen sich was.
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Bericht aus Bulgarien (50)

Mein Arbeitsplatz

„Über lange Zeiträume scheinen die Oberen ungefährdet an der Macht zu sein, doch früher oder später kommt der Augenblick, in dem sie entweder ihr Selbstvertrauen verlieren oder die Fähigkeit, wirksam zu regieren, oder beides.“, so Orwell in „1984“. – Der Augenblick ist jetzt. Zeit also, aufzustehen und auf die Straße zu gehen, um den von  Menschen wie „Es geht um Leben und Tod“ Lauterbach verbreiteten „kontrollierten Wahnsinn“ zu beenden. Denn, so Orwell weiter, der vorherrschende Geisteszustand des „kontrollierten Wahnsinns“ soll die Gleichheit der Menschen für immer verhindern. Wäre ich in Berlin, würde ich am heutigen Montag dort spazieren gehen, wo ich einst mit meinem Taxi zu hause war, auf den Straßen und Plätzen der deutschen Hauptstadt, nicht nur um damit die Tradition der Montagsdemonstration fortzusetzen, sondern um die Runden Tische vorzubereiten, die ihnen folgen, und von denen es die ersten bereits in Bulgarien gab, ich hatte an dieser Stelle darüber berichtet. Hier in den Schluchten des Balkans werde ich morgen meinen Arbeitsplatz verlassen, um am Mittwoch in Sofia auf der Straße zu sein. Genauso wie in Berlin, so sind dort auch in der bulgarischen Hauptstadt nahezu ausschließlich ganz normale Menschen und keine „Nazis“, die hier vom Westen als „nationalistisch“, wenn nicht gar „ultranationalistisch“ bezeichnet werden, unterwegs. „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ von Hannah Arendt beginnt damit, der Propaganda der Herrschenden und auch der Journalisten, die vielleicht größte Enttäuschung unserer Zeit, nicht mehr zu gehorchen, sondern sich selbst ein Bild zu machen, wofür die Menschen schon ’89 auf die Straße gegangen sind.

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Bericht aus Bulgarien (49)

Sehen so Nazibräute aus?

In meinem Beitrag „Rote Linie in Sofia“ für Multipolar erwähne ich eine Frau, die die regelmäßigen Demonstrationen der Partei „Wiedergeburt“ in der Stadt Montana mitorganisiert, und die man bei mir im Dorf als „stabilna shena“ bezeichnen würde, eine stabile Frau also, die die Dinge anpackt. Am Freitag traf ich sie, ihr Name ist Eva, wieder, wieder rein zufällig und wieder in Montana. Eva begrüßte mich erneut mit der Mitteilung, die bulgarische Regierung stürzen zu wollen, diesmal am kommenden Mittwoch, den 23. Februar um 11 Uhr. Die Chancen, die aktuelle Regierung aus dem Amt zu jagen, die keine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich weiß, stehen diesmal um einiges besser als noch am 12. Januar, und nicht nur des Wetters wegen. Wir haben gerade frühlingshafte Temperaturen in Bulgarien, damals waren sie noch um den Gefrierpunkt. Diesmal geht es auch nicht nur gegen den Grünen Pass, sondern auch gegen die steigenden Preise, insbesondere bei Gas und Strom, aber auch bei Lebensmitteln. Viele Bulgaren können sie nicht mehr bezahlen, einigen Gemeinden im Land wurde deswegen schon der Strom abgestellt. Und bevor man dort im Dunkeln sitzt, kommt man lieber zur Demo nach Sofia. So nicht nur die Theorie von Eva, sondern auch von Ivanka. Beide sind in der Partei „Wiedergeburt“ oder stehen ihr zumindest nahe. Im Selbstverständnis westlicher Medien sind sie damit automatisch „nationalistisch“, wenn nicht gar „ultranationalistisch“, wobei mir der Unterschied nicht so ganz klar ist. Vermutlich ist das eine einfach nur „schlimm“, das andere aber „ganz schlimm“. Wie in meinem Taxi, so kann bei mir auch in Bulgarien ein jeder alles sagen, was aber nichts besonderes hier ist, sondern Alltag. Nach meinem Gespräch mit den beiden kann ich weder das eine noch das andere bestätigen. Weder ist Eva mit ihrer großen Einkaufstasche von der deutschen Supermarktkette „Kaufland“ mit der Aufschrift „Aus Liebe zu Bulgarien“ vor den Sieben-Rila-Seen „nationalistisch“, noch ist Ivanka, sie studiert Mode in Sofia und hat nicht die Absicht, ihre Heimat wie jede/r zweite in ihrem Alter nach dem Studium zu verlassen, „ultranationalistisch“. Ich jedenfalls finde die beiden nicht nur nett, sondern darüber hinaus ihre Argumente gegen den Grünen Pass und eine mögliche Impfpflicht absolut nachvollziehbar. Sie decken sich mit denen, die ein Geimpfter hier neulich mal für die Berliner Zeitung aufgeschrieben hat. Aber am besten macht man sich selbst und vor Ort ein Bild, deswegen sind wir damals ’89 auf die Straße gegangen, um uns die Welt ansehen zu können, und deswegen auch obiges Foto. Ich werde auf jeden Fall am Mittwoch als Augen- und Zeitzeuge und auch als Fotograf in der bulgarischen Hauptstadt sein. Gestern auf der Demo in Montana waren wir schon mal sieben, wobei ich mich da schon mitgezählt habe. Umso gespannter bin ich zu erfahren, wie viele zum nächsten landesweiten Protest am 23. Februar um 11 Uhr diesmal vor dem Ministerrat und nicht vor dem Parlament nach Sofia kommen.

Foto&Text TaxiBerlin