Gut beraten ist heute nicht nur der Kurzzeitduscher, sondern auch wer gute Füße hat. Auf den Flughäfen fehlt bereits das Personal, um Menschen mit guten Füßen abzufertigen. Freunde von mir beraten sich gerade, wo sie noch hingehen können, wenn im Herbst zu den Masken das Gas dazu kommt, das sie nicht mehr bezahlen können. Viele sind schon zu Fuß auf die Straße gegangen, aber nicht um dort zu demonstrieren, sondern weil sie dort leben, leben müssen, und mit jedem Tag werden es mehr. Das geht schneller als man denkt, wenn man zur Miete wohnt, was in Deutschland der Normalfall ist. Im Gegensatz zu Bulgarien, wo die Menschen schon zu sozialistischen Zeiten in ihren eigenen vier Wänden gewohnt haben und wo aus diesem Grund heute kaum jemand auf der Straße leben muss. Wer auf der Straße lebt, braucht gute Füße. Immerhin, lebt man erst einmal dort, muss man sich keine Gedanken mehr machen, wie lange man duscht. Nicht mal kalt, denn eine Dusche hat man dann nicht mehr, zumindest hierzulande. In Bulgarien ist duschen für jeden immer und überall möglich ist. Deswegen scheint mir auch im richtigen Leben und nicht nur im Märchen der Brüder Grimm eines sicher zu sein: “Etwas Besseres als den Tod findest du überall.” – “Das Zitat dient gelegentlich als scherzhafte Ermunterung, sich einer misslichen Lage zu entziehen und an einem neuen Lebens- und Wirkungsort etwas Neues zu beginnen.” (aus “Universal-Lexikon” der de-academic.com)
Foto&Text TaxiBerlin
Es ist jetzt 15 Jahre her, da wollte ich schon einmal nach Bulgarien auswandern. Dazu habe ich meine Berliner Wohnung aufgelöst und die wichtigsten Sachen ins Auto getan. Da noch genug Sachen übrig blieben, hat mir mein Vermieter damals ein Zimmer im unsanierten Seitenflügel als Lager angeboten. Das ganze für’n Appel und ‘n Ei, wie man so schön sagt. Etwas, was man heute wohl nicht mehr finden würde in Berlin. Mein Vermieter hatte allerdings eine Bedingung. Spätestens nach einem halben Jahr müsse ich kommen und das Lager auflösen. Ich musste also sowieso zurück, aber ich kam auch, weil damals die Finanzkrise ausgebrochen war. Immerhin gab es noch Arbeit als Taxifahrer für mich, so dass ich gleich anfangen konnte zu arbeiten. Einquartiert habe ich mich in mein Lager. Es war damals schon schwer, etwas im Friedrichshain zu finden, insbesondere wenn man zuvor ein halbes Jahr im Ausland und ohne Einkommen war. Mein Vermieter sah sich das nicht nur an, auch das würde heute wohl kaum ein Vermieter machen, sondern bot mir darüber hinaus nach kurzer Zeit auch an, das Lager zum Wohnen zu mieten. Irgendwie dachte er, dass ich mich bald wieder auf den Weg nach Bulgarien machen oder zumindest pendeln würde. Das tat ich nicht, weil ich das Geld vom Taxifahren brauchte. Mehr als zwei oder drei Monate im Jahr verbrachte ich nicht in Bulgarien, die meiste Zeit war ich in Berlin. Heizen tat ich mit zwei alten Kohleöfen, die aber nicht angemeldet und dementsprechend auch nicht versichert waren. Mein Vermieter sagte mir, dass ich das so machen solle. Er sagte mir auch immer bescheid, wenn der Schornsteinfeger kam. Dann durfte ich ein oder zwei Tage nicht heizen. Nach zwei Jahren meinte mein Vermieter, dass wir da was machen müssten. Er schlug mir neue Fenster und eine Gasetagenheizung vor, dem ich sogleich zustimmte. Es gab allerdings einen Haken. Die beiden Kachelöfen, ingesamt waren es drei, denn in der Küche gab es noch eine alte “Kochmaschine”, sollten raus – sonst keine neuen Fenster und auch keine Gasetagenheizung. Beim rausreissen geholfen hat mir mein bester Freund Dietrich, der damals noch lebte. Auch zu zweit war es eine Schweine-Arbeit, vor allem aber eine sehr schmutzige Arbeit. Auch weil ich darauf keinen Bock hatte, aber nicht nur, hatte ich zuvor meinen Vermieter gefragt, ob ich die Kachelöfen nicht drin lassen könne, falls es irgendwann mal kein Gas mehr vom Russen geben sollte. “Russengas” hat damals noch niemand gesagt, und ich sage es auch heute nicht. Aber auch das hat nicht geholfen, mein Vermieter bestand auf den Abriss. Und so ist es dann gekommen. Bis heute kann ich sehen, wo die Öfen mal gestanden haben. Ein wenig riechen die nicht abgeschliffenen Dielen, auf denen sie gestanden haben, auch heute noch nach alter Kohlenasche. Sie erinnern mich Tag für Tag aufs Neue an den Fehler, den ich damals begangen habe, als ich sie zusammen mit meinem besten Freund rausgerissen habe. Wären die Kachelöfen heute noch in meiner Wohnung, würde ich dem nächsten Winter in Deutschland relaxter gegenüberstehen, wenn der Gas-Preis von heute auf morgen ins exorbitante steigen kann und wird. Aber so, also ohne wärmende Kachelöfen, werde ich demnächst nach Bulgarien zurück gehen, zurück gehen müssen. Ich kann mir Deutschland jetzt schon nicht mehr leisten.
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Seit einigen Tage lausche ich, so wie ich es früher getan habe, dem öffentlich/rechtlichen Info-Radio. In Berlin ist das die 93.1, man kann es aber auch hier im Internet hören. Nach zwei Wochen Ankommen und Akklimatisierung in der deutschen Hauptstadt fühlte ich mich reif dafür. Aber was musste ich da gleich wieder hören, und wie anders, und zwar einseitig, werden die Dinge in Deutschland dargestellt. Beispielsweise China, ausnahmsweise sind mal nicht die Russen, sondern die Chinesen die Bösewichte, und das nur, weil sie ihre eigene Interesse verfolgen. Kein Scheiß, das war der Grund, warum der Chinese böse sein soll. Die Frage, wie es andersherum bei uns aussieht, wurde gar nicht erst gestellt. Das ist praktisch, denn dann muss man sie auch nicht beantworten. Der Desillusionist und auch der Bulgare in mir sagen, dass der Westen jetzt doch endlich mal von seinem hohen moralischen Ross heruntersteigen möge und nicht weiter von Werten reden soll, die er angeblich vertritt. Welche Werte sollen das sein? Information mit Propaganda zu verwechseln? Jedem sollte klar sein, dass auch der Westen Interessen hat, beispielsweise beim Krieg in der Ukraine. Und da sollten wir Deutsche in Europa andere haben als Amerika am anderen Ende der Welt. Wenn wir der Ukraine, wie ich aktuell aus dem Info-Radio erfahren musste, Waffen liefern, dann sind wir mit im Krieg, dann sind wir Kriegsteilnehmer. Und jeder sollte sich gut überlegen, ob er das wirklich will. Für mich kann ich ganz klar sagen: Nein! Das ist nicht mein Krieg, und das ist auch nicht unser Krieg, weder der Deutschlands, noch der Europas. Es ist ein Stellvertreterkrieg: USA gegen Russland, aber eigentlich USA gegen China. Ob die Demonstranten, die gegen den G7 Gipfel in Elmau demonstrieren, das auch so sehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich weiß, ist, dass jetzt 50 ausgewählte Demonstrationsteilnehmer zu den Staats- und Regierungschefs vorgelassen werden. Das öffentlich/rechtliche Info-Radio feiert das als Erfolg. Ich halte es für betreutes Demonstrieren, was wiederum zum betreuten Denken der letzten Jahre passt. Im bulgarischen National-Radio “Christo Botew” hätte das jemand auch genauso benannt. Beim öffentlich/rechtlichen Info-Radio fehlt dieser Part. Auch deswegen habe ich es jetzt wieder ausgeschaltet. Dafür kann ich nun, nachdem ich beides kenne, über die Unterschiede zwischen staatlichem Radio in Bulgarien und Deutschland schreiben.
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Nun ist es offiziell, das Amt wünscht mir “viel Erfolg und alles Gute” als Desillusionist. Zuvor habe ich es davon überzeugen können, dass Desillusionist nicht nur ein Beruf mit Zukunft, sondern vor allem einer ist, den unser Land jetzt braucht. Mit anderen Worten: Menschen, die aus dem Angstmodus von Öffentlich/Rechtlich und Mainstream herausgetreten sind und nach vorne blicken, wie man so schön sagt, und das möglichst realistisch. Auch du kannst Desillusionist werden, und nicht nur, weil es ein Beruf mit Zukunft ist, was das Amt bestätigt hat, jetzt sozusagen auch amtlich ist. Desillusionist zu werden ist nicht leicht, deswegen wird es von Amts wegen gefördert. Es ist das, was der Dichter mit “das Einfache, das so schwer zu machen ist” meinte. Das schwierigste ist der Wechsel weg von den üblichen Einflüsterern und ewig die richtige Haltung einfordernden Moralaposteln und hin zum Vertrauen auf den eigenen Instinkt und der eigenen Lebenserfahrung. Denn es stimmt einfach nicht, dass alle Menschen, die eine andere Meinung haben, Aluhüte, Antisemiten, Coronaleugner, Nazis, Verschwörungstheoretiker etc. sind. Dies zu begreifen, dass man Jahrelang falsch gelegen hat, ist vielleicht das schwerste. Aber ohne dem geht es nicht. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Ohne dass man sich selbst möglichst illusionslos sieht, kann man kein Desillusionist werden. Mir hat dabei geholfen, dass bereits in meinem Taxi ein jeder alles sagen durfte, und dass ich es mir angehört habe, ohne es sogleich zu bewerten. Vor allem hat mir aber geholfen, dass ich mit dem Alkohol aufgehört habe. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht rauche und auch sonst keine Drogen nehme. Man braucht fünf Jahre, bis man wieder man selber wird, nachdem man mit dem Trinken aufgehört hat. Das habe ich in “Nüchtern” von Daniel Schreiber gelesen. Das beste Buch, das ich übers Aufhören kenne. Bei mir sind es jetzt vier Jahre, ich bin also noch auf meinem Weg. Und doch kann ich jetzt schon sagen, dass es die vielleicht wichtigste Entscheidung in meinem Leben war, mit dem Alkohol aufzuhören, und zwar komplett. Noch nie hatte ich eine größere Klarheit als jetzt. Dass ich nun auch noch ganz offiziell Desillusionist werde, ist also nur folgerichtig.
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Im zweiten Teil seines Vortrags über die Angstfalle, in der wir uns nun schon seit über zwei Jahren befinden, insbesondere die unter uns, die nur Öffentlich/Rechtlich konsumieren, gibt Hans-Joachim Maaz aus Halle an der Saale aktuelle Beispiele aus seiner therapeutischen Tätigkeit. Also wie er geholfen hat, dass Menschen wieder miteinander sprechen, die dies zuvor wegen Corona aufgegeben hatten – leider keine Einzelfälle, wie ich erfahren musste, zumindest in Deutschland. In Bulgarien ist dieses Phänomen bisher wenig bzw. kaum bekannt, mir persönlich ist keiner einziger solcher Fall zu Ohren gekommen. Ich selbst halte es auch in Sachen Corona, genauso wie ich es in in meinem Taxi gehandhabt habe, wo man zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen durfte – sogar die Wahrheit.