Gestern war ich in der Stadt, um einen Freund aus der Heimat abzuholen. Dei der Gelegenheit war ich auch bei Lidl, wo gerade Brötchen für 0,08 Lewa (vier Cent) im Angebot sind. Obwohl ich angefangen habe, mein eigenes Brot zu backen, konnte ich mich nicht zurückhalten, auch weil ich noch nicht bis zum Brötchen backen vorgedrungen bin. Obwohl die Brötchen beim bulgarischen Lidl genauso wie in der Heimat nur aufgebacken sind, sind sie ganz OK. Unschlagbar ist natürlich der Preis mit vier Cent. Billiger als die Brötchen im Osten, die fünf Pfennig gekostet haben. In Bulgarien herrscht, was Brötchen angeht, Sozialismus. Trotzdem werden Brötchen hier irgendwie nicht angenommen. Ich war der einzige, der überhaupt welche gekauft hat. Der Bulgare beschäftigt sich nicht mit “weißen Semmeln”, wie die Brötchen beim bulgarischen Lidl genannt werden. Der Bulgare rechnet traditionell in Weißbroten – ganz bewusst in der Mehrzahl. Es sind also genug Brötchen für alle da. Jeder, der sich in der Heimat keine Brötchen mehr leisten kann, sollte sich auf den Weg machen. Er ist herzlich willkommen im Billig-Brötchen-Land Bulgarien. Ein Freund aus der Heimat hat es wie gesagt getan. Und obwohl er schon mehrfach hier war, war er aufs Neue erstaunt, wie tot die Gegend hier ist. Dass es kaum Menschen gibt und dementsprechend keine Busse fahren. Klar, ich schreibe ständig, dass es die ärmste Region des Landes ist. Aber was das praktisch bedeutet, weiß man erst, wenn man versucht herzukommen. Zum Schluss noch ein Wort zu den Brötchen. Manchmal frage ich mich, woraus die Brötchen gemacht sind, wenn sie nur vier Cent das Stück kosten. Immer wieder komme ich zu der Antwort, dass sie eigentlich nur aus dem gemacht sein können, aus dem auch die Kekse in dem Film “Soylent Green” gemacht waren. Im Untertitel heißt der Film “Jahr 2022 – die überleben wollen”. Vielleicht schaust Du ihn dir mal an. Ich kann ihn nur wärmstens empfehlen.
Endlich habe ich es zu meinem kleinen Mineralwasserbad im Wald geschafft. Mein Bürgermeister hatte es letzten Samstag im Rahmen eines Subbotniks für mich herrichten lassen. Ein Subbotnik, wer ihn nicht kennt, ist ein freiwilliger Arbeitseinsatz am Samstag. Der Subbotnik kommt aus dem Russischen, wo Samstag Subbota heißt – deswegen Subbotnik. Im Bulgarischen heißt der Samstag Sibota, also ganz ähnlich. Freiwillige Arbeitseinsätze sind die Zukunft, das Kommende sozusagen. Ich beteilige mich auch immer wieder an Subbotniks. Einmal, es ist jetzt auch schon wieder eineinhalb Jahre her, haben wir den Alten bei uns im Dorf Sonnenblumenöl, Mehl, Zucker und weiße Bohnen in der Konserve nach Hause gebracht. Spenden der EU, damit sie nicht einsam und Mutterseelenallein verhungern. Ein wenig peinlich war das schon. Erst lockt man die Jungen, gut Ausgebildeten ins Ausland, der Fachbegriff dafür ist “Brain Drain”, und dann schickt man den Alten Almosen nach Hause. Zum Glück ist diese Zeit vorbei, immer mehr Bulgaren kehren aus dem Ausland zurück. Dort sucht man gerade junge Menschen als Kanonenfutter für die Front. Die müssen nicht gut ausgebildet, sondern können ruhig doof sein. Sie müssen nicht einmal die Tagesschau in einfacher Sprache verstehen. Jemand meinte neulich, dass jetzt im großen Stil eingebürgert wird, damit man genügend Rekruten hat. Das ist natürlich Quatsch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein junger Syrer, der vor dem Krieg in seinem Land nach Deutschland geflohen ist, jetzt zum Morden in die Ukraine geht. Was ich allerdings glaube, ist, dass ein neuer großer Krieg in Europa direkt vor der Tür steht. Bertolt Brecht warnte vor jetzt 73 Jahren in einem Brief mit folgenden Worten vor einem solchen Krieg: Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten. Die Angst scheint auch in Amerika angekommen zu sein, wenn Mark Zuckerberg sich für 260 Millionen einen Bunker auf Hawaii baut. Sicherlich hat dieser Bunker auch einen Pool. Davon würde ich ausgehen. Ob er wie meiner mit Mineralwasser gefüllt ist, bezweifle ich allerdings. Gut, dafür hat mein Pool keinen Bunker. Das stimmt auch wieder. Andererseits glaube ich, dass – wie in der Vergangenheit – die Entscheidungsschlacht eher um Berlin als um ein Mineralbad in den Schluchten des Balkans stattfinden wird. Ob Amerika, wozu Hawaii gehört, erneut verschont bleibt, da bin ich mir nicht so sicher.
“Schnauze voll von Berliner Schnauze”, so der Titel meines gerade bei Manova erschienen Artikels, in dem ich meine Eindrücke in der Bundeshauptstadt beschreibe. Obiges Fotos vom U-Bahnhof Spittelmarkt Ende März bringt die Situation auf den Punkt. Wie der Fahrkartenautomat, so die Stadt: Außer Betrieb. Nichts funktioniert in “The City That Never Works”. Immer mehr Menschen betteln, sammeln Flaschen sammeln, leben auf der Straße. Die Hand, die da aus dem Schlafsack ragt, ist die “Hungerkralle” unserer Tage, für die Berlin bekannt ist.
Am Montag war ich wieder auf dem Flohmarkt in Montana, wo obige Aufnahme entstand. War der Besuch des Flohmarktes bisher immer schon eine Art Heimreise (auf dem Flohmarkt werden Dinge angeboten, die in der Heimat auf der Straße liegen), so wird er nun mehr und mehr zu einer Zeitreise. Eine Zeitreise, die mit Helmen beginnt. Der ein oder andere erinnert sich, am Anfang hat Deutschland Helme in die Ukraine geschickt. Es sind nicht die Helme, die jetzt auf dem Flohmarkt in Montana angeboten werden. Davon würde ich ausgehen. Immerhin, nun hatte auch ich die Gelegenheit, mich mit einem Helm auszustatten. Denn geht es nach dem Präsidenten Serbiens, dessen Grenze nur wenige Kilometer von Montana entfernt ist, stehen alle Zeichen auf einen großen Krieg. Wie meine Zeitreise auf dem Flohmarkt am Montag in Montana weiter ging, was für Highlights es gab und ob ich mir am Ende einen Helm gekauft habe, all das erfährst Du in meinem Beitrag “Deutschland in Montana – Der Besuch eines bulgarischen Trödelmarktes als Heim- und Zeitreise – und als Menetekel zwischen Krieg und Frieden” auf Medien+ der “Freien Akademie für Medien & Journalismus”.
Jetzt bin ich auch so einer geworden, der Etiketten auf sein Eingemachtes klebt. So weit ist es gekommen. Gut, es sind keine gekauften Etiketten, sondern dieses Klebeband, das Maler verwenden. Auf Bulgarisch heißt das Klebeband Tickso. Keine Ahnung, wie es auf Deutsch heißt. Langsam vergesse ich die Muttersprache. Für die Beschriftung meiner Gläser habe ich bereits eine Geheimsprache gewählt. Jetzt habe ich Sorge, dass irgendwer den Code knackt. Oder dass ich ganz und gar meine eigene Geheimsprache vergesse. Das wär’s noch. Gut, ich könnte einfach das Glas aufmachen und den Inhalt probieren. Aber dann bräuchte ich keine Etiketten. Was ich eigentlich sagen will: Ich bin jetzt auch unter die Prepper gegangen. Ein Bekannter hat mich neulich darauf gebracht. Der Bekannte machte sich darüber lustig, dass sein Bruder, er lebt in Amerika, ein Prepper sei. Ich erlaubte mir, ihn darauf hinzuweisen, dass ich damit kein Problem hätte. Immerhin ist Mark Zuckerberg auch ein Prepper, wenn er sich für 260 Millionen Dollar einen Bunker auf Hawai bauen lässt. Das ließ der Bekannte nicht gelten. Reiche können keine Prepper sein. Prepper sind immer nur arme Irre. Dabei sind reiche Prepper die wahren Irren. So denke ich zumindest. Worüber ich mir keine Sorgen mache, ist, dass Zuckerberg meinen Code knackt. Das schafft der nicht. Überhaupt hat Zuckerberg ganz andere Probleme. Nämlich dass andere seinen Code knacken könnten. Das größte Problem, was Reiche in solchen Situationen haben, ist aber die Frage, ob sie denen, die sich beschützen sollen, auch wirklich vertrauen können. Dagegen sind meine Sorgen wahrlich banal.
Das ist mein drittes Sauerteig-Brot. Für den dritten Versuch ist es ganz ordentlich geworden. Für ein Sauerteig-Brot braucht man ein so genanntes Anstellgut. Das Anstellgut muss man füttern. Es wird dann immer mehr. Manchmal hatte ich Angst, das Anstellgut wird zum süßen Brei, der immer mehr wird und am Ende mich frisst.
Das ist zum Glück nicht passiert. Und wenn man regelmäßig ein Brot backt, dann ist die Angst auch unbegründet. Wenn ich kein Brot backen will, stelle ich das Anstellgut in den Kühlschrank. Dann fühle ich mich nochmal sicherer. Von einem Anstellgut, das im Kühlschrank steht, aufgefressen zu werden, ist sehr unwahrscheinlich.
Im Moment habe ich erstmal genug Brot. Ob ich mich auch an Brötchen versuche, weiß ich noch nicht. Diese hier unten sind auf jeden Fall gekauft. Bei Kaufland, wo sie für fünf Cent das Stück im Angebot waren. Die Konfitüre auf ihnen ist von mir. Von den wilden Sauerkirschen bei mir im Garten, die eigentlich nur als Sichtschutz dienen sollten, damit ich das in sich zusammenfallende Haus des Nachbarn nicht ständig sehen muss, was mich regelmäßig runter gezogen hat. Jetzt produziert der Sichtschutz den Rohstoff für einen leckeren Brotaufstrich.
Eigentlich wollte ich nur runter ins Dorf, um im kleinen Dorfladen Pektin für meine Konfitüre zu besorgen, die ich aus meinen wilden Sauerkirschen mache. Da das von mir gewünschte in unserem kleinen Dorfladen ausverkauft war, machte ich mich auf den Weg ins fünf Kilometer entfernte Nachbarstädtchen. Das ganze zu Fuß. Ich bin davon ausgegangen, dass es Pektin immer gibt. Außerdem wollte ich einen Autofreien Sonntag machen. Als obiger Jeep russischer Bauart neben mir hielt, ich hatte unser Dorf noch nicht verlassen, konnte ich nicht widerstehen. Der Fahrer kennt mich, und ich ihn. Er brauchte noch Baumaterial, hatte also denselben Weg. Er hat unter Tage gearbeitet, wurde mit 45 berentet und hat nun genug Zeit und auch etwas Geld. Unter der Haube seiner Russenkuh sei ein Mercedes-Motor, erzählte er mir voller Stolz. Gurte zum Anschnallen gab es nicht, aber das war kein Problem. Nicht nur, weil er langsam fuhr. Sondern vor allem, weil er alle Polizisten kennt. Da waren gestern nur die pensionierten auf der Straße, die sich etwas dazu verdienen wollten und wohl auch müssen.
Nachdem das mit dem Pektin erledigt war, ich hatte plötzlich ein Fahrzeug samt Fahrer, die vor dem Supermarkt auf mich warteten, ging’s weiter zum Baumarkt. Der ist in einer alten Halle aus Blech und es herrscht Ordnung, zumindest für bulgarische Verhältnisse. Ganz wichtig ist der Kaffee-Automat links im Bild, der natürlich funktioniert, und an dessen Seite ebenfalls Produkte aus dem umfangreichen Angebot angebracht sind. Mein Fahrer wollte nur sechs Sack Zement, die er selbständig in sein Auto lud. Der Verkäufer zählte nur die Säcke.
Dann ging es auch schon zurück zur Baustelle bei mir uns Dorf. Dort das übliche Bild, das man auch auf Berliner Baustellen immer öfter antrifft, vorausgesetzt es gibt dort überhaupt irgendeinen Arbeiter. Hier gab es gestern insgesamt sieben Arbeiter, von denen immerhin einer arbeitete, was ein sehr guter Durchschnitt ist. Nachdem mir mein Fahrer den bereits erwähnten Mercedes-Motor unter der Motorhaube seiner Russenkuh gezeigt hatte, musste ich mir auch noch die Baustelle ansehen, die ich bei der Gelegenheit gleich abgenommen habe.
Zum Schluss bin ich noch zu meinem kleinen Mineral-Freibad gegangen, wo ich seit meiner Rückkehr noch nicht gewesen bin, und was ich gestern wohl wieder nicht geschafft hätte, hätte ich nicht meinen Fahrer gehabt. Mein Mineral-Freibad ist OK, mein Bürgermeister hat es am Samstag im Rahmen eines Subbotniks für mich herrichten lassen. Unweit gibt es ein Hotel, wo der Eintritt zum Mineral-Freibad für Nicht-Gäste jetzt 20 Lewa (10 Euro) kostet. Die habe ich gespart. Neben dem Autofreien Tag hatte ich mir auch vorgenommen, kein Geld auszugeben. Das ist mir fast gelungen, sieht man von dem Zucker und dem Geliermittel von Doktor Oetker ab.
Pektin zum Gelieren ist teuer geworden in der Heimat. Neulich in Berlin wollte man mehrere Euro für ein kleines Paket. Hier kostet die Tüte 1,39 Lewa (70 Cent), was OK ist. Der Zucker schlägt mit 2,09 Lewa (1,05 Euro) zu Buche. Zusammen habe ich 2,45 Euro (4,90 Lewa) ausgegeben. Dafür, dass ich nichts ausgeben wollte, ist das natürlich zu viel. Berücksichtigt man, dass ich einen Fahrer und jede Menge Spaß hatte, geht das absolut in Ordnung. Nicht zu vergessen der Besuch in meinem kleinen Mineralwasser-Freibad, den ich sonst nicht geschafft hätte und bei dem ich 20 Lewa (10 Euro) gespart habe. Zugegeben, es war alles ganz anders geplant. Aber das ist gerade das schöne in Bulgarien. Es ist nicht nur alles umgedreht, sondern es kommt auch immer anders als man denkt.
Als ich die Bäume einfach wachsen ließ, wusste ich nicht, dass es wilde Sauerkirschen sind. Normalerweise hätte ich sie abgeschnitten oder einfach herausgerissen, als sie klein waren. Das muss ich machen, damit mein Grund nicht zum Dschungel wird und die auf ihm stehende Hütte nicht zuwächst wie ein Dornröschenschloss. Die wilden Sauerkirschen habe ich stehen lassen, damit ich nicht permanent die Hütte auf dem Nachbargrundstück sehen muss, die dabei ist in sich zusammenzufallen. Sie sind aber nicht nur ein Sichtschutz, sondern tragen dieses Jahr ganz viele leckere Sauerkirschen. Gestern habe ich zwei Eimer geerntet. Bei der Ernte ist die Leiter zur Seite weggeknickt, und ich bin auf den Rücken gefallen. Ich hatte Glück, mir ist nichts passiert. Die Leiter ist aber im Arsch. Zusammengebrochen ist sie, weil der Untergrund uneben ist. Vor allem aber, weil ich nicht achtsam war. Es stimmt wirklich, wenn man in Bulgarien eines lernen kann, dann ist es Achtsamkeit. Manchmal vergesse ich das. Dann braucht man einen Schutzengel, so wie ich gestern. Danke, lieber Schutzengel! Dass ich die Sauerkirschen heute noch einmal einkochen muss, weil die Konfitüre aus Mangel an Pektin nicht fest geworden ist, ist Teil des Lernprozesses. In einem ähnlichen Lernprozess befinde ich gerade beim Brot backen. Dass ich die Leiter wegschmeißen kann, ist traurig, aber nicht zu ändern. Auch dies ein Teil des Lernprozesses.
Andere gehen ins Stadion oder in die Kneipe – ich gehe in meine Bibliothek. Mittlerweile haben sich so viele Bücher hier in Bulgarien angehäuft, dass ich Bücherregale brauche. Ich habe auch bereits einen bulgarischen Maistor damit beauftragt, und er war auch schon da und hat Maß genommen. Danach war er, wie es oft vorkommt in Bulgarien, nicht mehr gesehen. Ich war auch zweimal bei ihm, er war aber nicht zuhause oder hat einfach nicht aufgemacht. Ich will mich aber nicht beklagen über die kleinen Unwägbarkeiten des Lebens, die es nicht nur in Bulgarien gibt. Auch in Deutschland sind sie im Zunehmen begriffen. Kaum etwas funktioniert in der Heimat noch so, wie es einmal funktioniert hat. Bei vielen ist das noch nicht angekommen. Sie leben, wenn man so will, in der Vergangenheit. Auch ich lebe in der Vergangenheit. Denn ich halte an einer Sprache fest, die es so nicht mehr geben soll. Zumindest, wenn es nach den Genderisten geht. Um es ganz klar zu sagen: Ich glaube nicht, dass sich das Gendern durchsetzen wird. Wenn ich von der Sprache spreche, dann ist die gute alte Muttersprache gemeint. Meine Muttersprache bedeutet mir sehr viel. In Bulgarien wird mir das mit jedem Tag aufs Neue klar. Klarer als es mir in der Heimat schon war. Übrigens: Gendern gibt es auch in Bulgarien, wenngleich umgedreht, wie so vieles umgedreht ist in Bulgarien. Ein Beispiel: die Doktorin, auf bulgarisch “Doktorka”, will nicht länger “Doktorka” genannt werden, sondern Doktor. Dasselbe gilt für die Professorin, die “Pofessorka”. Komisch, oder? Doch zurück zur Muttersprache, die, so wie wir sie kennen, in Deutschland abgeschafft werden soll. Nur, mit der Abschaffung der Muttersprache, egal ob durchs Gendern oder durchs Englische, wird ebenso die Mutter abgeschafft. Auch deswegen halte ich an der Muttersprache fest. Deutsch ist dabei nicht nur Mutter, sondern auch Heimat für mich. Das hört sich pathetisch an, und ist es in gewisser Weise auch. Andererseits gilt aber auch: Wehe dem, der keine Heimat hat. Wer keine Heimat hat, ist nicht einfach nur ein heimatloser Geselle, wie man früher sagte. Er ist ein bedauernswerter Tropf, was so mit das bedauernswerteste ist, was Mann und auch Frau sein kann. Bei meinem letzten Besuch in Berlin hatte ich den Eindruck, dass die Stadt bevölkert ist von bedauernswerten Tröpfen. Dabei meine ich erst einmal nur ihre chronisch herunter hängenden Mundwinkel. Wenn sie dann noch den Mund aufmachten, habe ich immer gedacht: Hätten sie besser geschwiegen. Einen Hoffnungsschimmer gibt es wohl. Junge Menschen haben aktuell in der Heimat nicht so gewählt, wie man das von ihnen erwartet hat und weswegen man das Wahlalter auf 16 gesenkt hatte. Statt der Grünen haben sie die AfD gewählt. Angeblich sind das alles Nazis, aber was heißt das schon? Aus eigener Erfahrung, ich wurde von selbst ernannten Nazi-Jägern auch schon mal als Nazi bezeichnet, weiß ich es: Nichts! Und das scheinen die jungen Leute auch zu wissen. Ich erwähne das nicht, weil ich der Alternative für Deutschland nahe stehe – Gott bewahre. Ich erwähne die AfD, weil in ihrem Namen ein Stück Heimat steckt. Rein sprachlich, meine ich. War es denn nicht Deutschland, weswegen es die Einheit gibt? Es heißt doch noch “Deutsche Einheit”, oder? Von anderer Seite ist dagegen folgendes zu vernehmen: “Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.” Und das hier: “Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen.” Wenn das so ist, dann kann der Russe doch kommen. Dann haben wir doch nichts zu verlieren, oder? Wie Robert Habeck, unser grüner Wirtschaftsminister, zur Muttersprache steht, immerhin hat er Kinderbücher in ihr verfasst, ist nicht bekannt. Vermutlich findet er sie auch zum Kotzen. Deswegen kann ich mit Robert Habeck nichts anfangen. Was er mit der Wirtschaft veranstaltet, interessiert mich dabei nicht. Aber immer mehr Unternehmer sollen gegen ihn aufstehen in der Heimat, so wie junge Menschen gegen die Grünen stimmen. Beides macht mir Mut. Noch scheint die Heimat und mit ihr die Muttersprache nicht verloren.
Neulich hatte ich kein Wasser. Das kommt häufiger vor, denn die Rohre, die das Wasser runter ins Dorf befördern, sind alt und gehen oft kaputt. Aussehen tun die Rohre, als wären sie aus der Türkenzeit. In Wahrheit sind sie aber aus sozialistischen Zeiten. Geht ein Rohr kaputt, so ist das kein Notfall in Bulgarien. Die Leute von “Wasser und Kanalisation” kommen frühestens am nächsten Tag, manchmal auch erst Tage später. Sie sagen auch nicht vorher bescheid, dass sie kommen, wie es in Deutschland üblich ist. Vielleicht sollte ich besser sagen: war. Wenn sie kommen, machen sie “ganze Arbeit”. Dann wird auch schon mal die Straße verlegt, wobei Weg es besser trifft. Manchmal wird die Baustelle nach getaner Arbeit auch abgesperrt, wenngleich sehr bulgarisch, aber immerhin mit rot/weißem Absperrband. Anfangs sah es so aus, als hätte jemand Bäume auf dem Weg gepflanzt. Aber nach ein paar Tagen, als die Blätter vertrocknet waren, wurde auch dem Ortsfremden klar, dass die vermeintlichen Bäume nur zum befestigen des Absperrbandes dienten. In Berlin ist man, im Gegensatz zu Bulgarien, Weltmeister im Absperren. Dort wird Jahre vorher abgesperrt, bevor sich der erste Arbeiter auf der Baustelle zeigt. Auch dies ist in Bulgarien anders. Dort kommen zuerst die Arbeiter. Abgesperrt wird nach Lust und Laune – meistens nicht. Man ist gut beraten, stets mit offenen Augen unterwegs zu sein. Oder wie ich immer sage: Bulgarien ist perfekt, um Aufmerksamkeit zu lernen. Haben die Arbeiter ihre Arbeit beendet, heißt das noch lange nicht, dass man auch wieder Wasser hat. In meinem Fall war es so, dass es nur für kurze Zeit da war. Danach war es wieder weg wie zuvor, was daran lag, dass die Arbeiter vergessen hatten, den Hahn für unseren Abschnitt des Weges zu öffnen. Zum Glück wissen wir mittlerweile, wo sich der Hahn für unseren Abschnitt befindet, so dass wir ihn selber öffnen konnten, denn die Arbeiter von “Wasser und Kanalisation” saßen bereits im Dorf beim wohl verdienten Feierabendbier. Und das kann ich auch nur jedem in der Heimat empfehlen. Merkt Euch, wo die Hähne für Euren Abschnitt sind und lernt die wichtigsten Handgriffe. Dann wird alles gut. Garantiert.