Kantinenessen

Je größer die Stadt, desto mehr Kantinen gibt es. In meinem Dorf natürlich nicht, da gibt es keine. Aber in Sofia sind Kantinen sehr verbreitet. Obige in der Ljuben Karavelov Straße ist immer gut besucht. Viele Alte holen sich hier ihr Mittagessen, aber auch Polizisten. Die Verpackung zum Mitnehmen kostet 30 Stotinki (15 Cent). Die teuersten Gerichte (Schweinefleisch mit Kartoffeln und Hühnchen mit Reis) schlagen mit fünf Lewa und 50 Stotinki (2,80 €) zu Buche. Suppen gibt es ab zwei Lewa und 50 Cent (1,30 €). Bulgarisches Mousaka, es unterscheidet sich vom griechischen, dass er mit Kartoffeln anstatt mit Auberginen ist, kostet fünf Lewa und 20 Stotinki (2,60 €) und ein Schweinesteak vom Rost vier Lewa und 50 Stotinki (2,30 €). Gestern in der Ljuben Karavelov Straße in Sofia gab es eine Schlange vor der Kantine, die nur Mittags geöffnet hat. Die Speisen sind gut, manchmal fehlt etwas Salz, was auch gut ist – für den Blutdruck. Bin ich in Sofia, esse auch ich gerne in einer Kantine. Dabei gehört die in der Ljuben Karavelov Straße zu meinen Favoriten. Gestern habe ich nur obiges Foto gemacht. Es war einfach zu heiß für ein Schweinesteak vom Rost. Was gepasst hätte, wäre Tarator, eine kalte Joghurt-Gurken-Suppe für zwei Lewa und 50 Cent (1,30 €). Aber die Schlange war wirklich lang gestern vor der Kantine in der Ljuben Karavelov Straße.

Im Keller

Gestern saß ich bei meinem Nachbarn im Keller, der immer mehr einem Luftschutzkeller gleicht. Mein Nachbar hatte sich neulich nochmal Holz kommen lassen, obwohl sein Holzlager noch prall gefüllt ist. Im Ofen seines Luftschutzkellers bietet sich aktuell obiges Bild. Manchmal sind Bulgaren deutscher als Deutsche. Mein Nachbar ist ein Beispiel dafür. Dass wir im Keller bei einem Glas kaltem Wasser mit Eis saßen, lag nicht daran, dass draußen der Ernstfall ausgebrochen ist, sondern an der gerade herrschenden Hitze in den Schluchten des Balkans. Mein Nachbar berichtete mir davon, dass er eine mobile Klimaanlage für seinen Luftschutzkeller im Internet bestellt hat. Ich erzähle ihm davon, dass ich gestern auf dem Flohmarkt in Montana Gasmasken gesehen habe. Sein Interesse daran hielt sich zugegeben in Grenzen, was aber daran liegt, dass mein Nachbar kein Flohmarkttyp ist. Bei ihm muss es immer alles neu sein. So wie beim Deutschen. Ich bin mir sicher, er hat nach meinem Besuch im Internet nachgesehen, was neue Gasmasken kosten.

Nachdem ich mir neulich einen Stahlhelm auf dem Flohmarkt besorgt habe, konnte ich nun bei den Gasmasken nicht widerstehen. Passend dazu dieses Handbuch-Fundstück aus der Heimat:

Nochmal Fussball Europameisterschaft

Gestern ging sie nun endlich zu Ende, die Fussball Europameisterschaft in der Heimat, und zwar mit dem Endspiel in Berlin. Während die Ränge des Olympiastadions gut gefüllt waren, herrschte hier in Bulgarien, genauer Downtown von meinem Dorf, gähnende Leere. Ich habe alle Dorfbewohner gefragt, aber niemanden finden können, der sich das Endspiel ansieht. Einer immerhin gab an, vor 30 Jahren einmal Fussball geschaut zu haben. Damals hatte Bulgarien Deutschland aus der Meisterschaft gekickt. Er meinte, das wäre das erste und einzige Mal gewesen, dass man in Bulgarien Fussball geschaut habe. Gestern saß ich nun wieder vorm “Barchen” meines Bürgermeisters, das mal wieder geschlossen hatte. Aus unerfindlichen Gründen hatte mein Bürgermeister in seinem “Barchen” den Fernseher laufen lassen, und zwar den Sender, der das Endspiel übertrug. Gut, ich hätte meinen Bürgermeister anrufen und ihn bitten können, mir den Schlüssel von seinem “Barchen” vorbeizubringen. Das hätte der sicherlich gemacht. Aber ich wollte ihn nicht stören, denn er hatte die halbe Nacht den Ultra Marathon vorbereitet: 50 km, einmal den Berg hoch und wieder zurück, insgesamt über 2000 m Höhenunterschied. Der Sieger, der mit einer Spitzenzeit von 4 h und 10 min durchs Ziel kam, nannte den Lauf “brutal”. Mein Bürgermeister, dessen Internet ich vorm “Barchen” sitzend nutzte, war zwar selbst nicht mitgelaufen, trotzdem wollte ich ihn nicht stören, schon gar nicht wegen so etwas wie Fussball. Nun war es aber so, dass der Fernseher, den man vorm “Barchen” sitzend zwar nicht sehen, aber ganz gut hören konnte, der Übertragung auf meinem Computer um eine Minute voraus war. Also praktisch dasselbe in Grün, wenn ich immer sage, dass Bulgarien Deutschland in der Zeit voraus ist. Hier ist es sogar eine Stunde. Zum Glück bin ich kein Fussball Fan. Für den wäre dieser Situation sicherlich unerträglich gewesen, immer schon vorher zu wissen, wann das nächste Tor fällt. Für mich war es einfach nur eine neue Erfahrung. Wobei, so neu war sie nun auch wieder nicht.

Neulich im Grand Hotel Sofia

Neulich war ich für eine Nacht im Grand Hotel Sofia. Ich will jetzt nicht so viel darüber schreiben, wie es dazu kam. So viel möchte ich verraten: Ich war unter anderem als Fahrer und Ortskundiger engagiert, was bedeutet, dass nicht ich die Zeche bezahlt habe. Am Anfang war ich skeptisch, wie das wohl werden wird. Ich musste an meinen letzten Besuch in der bulgarischen Hauptstadt denken, wo ich mich wie Crocodile Dundee gefühlt habe. Zufälligerweise habe ich damals im zum Grand Hotel Sofia gehörigen Café ein Kännchen Filterkaffee getrunken, was grauenhaft war. Ich hatte mich für das Kännchen entschieden, weil es mit sechs Lewa (drei Euro) ein Lewa preiswerter war als eine Tasse Tee. Das Café habe ich logischerweise gemieden, aber das vom Grand Hotel Sofia empfohlene bulgarische Spezialitäten-Restaurant war genauso grottig wie das Kännchen Filterkaffee. Alles andere war aber ziemlich in Ordnung. Ich muss dazu sagen, dass ich es nicht gewöhnt bin, dass man meine Wünsche erfüllt, schon gar nicht, dass man sie mir von den Lippen abliest. Ich kann aber auch sagen, dass ich gar keine Wünsche hatte, außer den, dass ich meine Ruhe haben wollte, und dass ich ansonsten freundlich und zuvorkommend behandelt werde. Und das wurde ich. Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Ausblick von unserem Zimmer auf einen wunderschönen Park mit toller Springbrunnenanlage im Herzen Sofias, im Hintergrund die Volksversammlung, der Sitz des Präsidenten und der Regierung, auch wenn Bulgarien im Moment gar keine hat, und das Nationaltheater “Ivan Vasov”. Ich schreibe das alles jetzt nicht, um mich wichtig zu machen. Ich schreibe das, weil ich eine Vorstellung davon bekam, warum Menschen wie Baerbock, Habeck und Scholz an ihren Ämtern kleben, obwohl sie mit ihnen offensichtlich schwer überfordert sind. Es ist, davon bin ich nach nur einer Nacht im Grand Hotel Sofia noch fester überzeugt, als ich es zuvor schon war, der damit verbundene Luxus. Ich sage das, auch wenn mir nicht rund um die Uhr ein Friseur und auch keine Maskenbildnerin zur Verfügung stand, vom Staatsflieger ganz abgesehen. Ich war ja sowieso mit dem Auto da. Alleine für das Auto, so viel möchte ich dann dann noch verraten, kostete die Übernachtung in der Tiefgarage vom Grand Hotel Sofia gleich mal 30 Euro. Normalerweise bezahle ich so viel für eine Übernachtung – zu zweit.

Nur zu Besuch

Wenn man im Wald lebt, so wie ich, realisiert man rasch, dass man nur zu Besuch ist. Zu Besuch auf der Erde, aber vor allem zu Besuch in der Natur, die man sich teilt, mit allem was da so kreucht und fleucht. Automatisch wird man zum Ornithologen, Pflanzenkundler und Fährtenleser – zumindest geht es mir so. Auf obige Fährte bin ich neulich auf meiner Wanderung zum nahe gelegenen Kloster gestoßen, das “Schlucht” heißt, und das darüber hinaus ein Frauenkloster ist, in dem der Chef ein Mann mit der Stimme eines Engels ist. Letzten Sonntag war ich zum Gottesdienst im Kloster und habe ihn gehört. Wahnsinn! Aber zurück zu obiger Fährte, auf die ich kurz vor dem Schluchten-Kloster (Клисурски манастир) stieß. Was könnte es sein? Wölfe gibt es in meiner Schlucht nicht, höchstens Schakale, aber die sind kleiner, ebenso Füchse. Es kann nur der Karakatschan gewesen sein, der zum Kloster gehört. Mein Bürgermeister schwört auf den deutschen Schäferhund, den er auch züchtet. Aber es gibt auch einen bulgarischen Schäferhund, den Karakatschan. Das Kloster hat mehrere. Morgen wandere ich wieder hin, um sie zu sehen und der Engelstimme zu lauschen.

Auf dem roten Teppich

Neulich war ich im bulgarischen Parlament, um Kostadin Kostadinow zu interviewen. Kostadinow ist Chef der Partei Wiedergeburt, auf bulgarisch Wasraschdane (Възраждане), die man am ehesten mit der Alternative für Deutschland vergleichen kann. Der Vergleich hinkt aus mehreren Gründen. Allen voran deswegen, weil die Partei Wiedergeburt in Bulgarien wie jede andere Partei behandelt wird, im Gegensatz zur AfD in der Heimat. Wird die Partei Wiedergeburt in Deutschland erwähnt, dann darf der Zusatz “nationalistisch” wenn nicht gar “ultranationalistisch” nicht fehlen. Zuschreibungen, die in Bulgarien gänzlich fehlen. Auch wird der Begriff Wiedergeburt nicht erklärt, der in Bulgarien eine ähnliche Bedeutung hat wie in Westeuropa der Begriff Renaissance. Das Wort Renaissance kommt aus dem Französischen und bedeutet auch Wiedergeburt. Gemeint ist hier eine Epoche, in der Ideen und Werte der Antike in Europa wieder aufgegriffen wurden. Die Menschen lasen wieder Bücher der antiken Griechen und verinnerlichten ihre Ideen. In Bulgarien ist mit dem Wort Wasraschdane (Възраждане) die nationale Wiedergeburt gemeint, also die Zeit rund um die Befreiung vom Osmanischen Reich Ende des 19. Jahrhunderts. Genauso wie in Bulgarien, so gibt es aktuell auch in Frankreich eine Partei Wiedergeburt. Aber nicht nur das. Emmanuel Macron ist sogar ihr Ehren­vorsitzender. So wie als Taxifahrer spreche ich auch als Journalist mit allen und jedem. Ganz egal, ob sein Name Macron oder Kostadinow ist, und selbst wenn seine Partei Renaissance, Wiedergeburt oder Wasraschdane (Възраждане) heißt. Bei Macron habe ich noch nicht angefragt, aber der Termin für das Interview mit Kostadinow war ganz einfach zu machen. Am Freitag sprach ich ihn in dem kleinen Park neben dem Parlament an, am Mittwoch drauf war ich bei ihm im Parlament zum Interview. Erst wollte man mich nicht rein lassen, weil ich Sandaletten trug. Sandaletten machen sich nicht gut auf dem roten Teppich, der überall im Parlament ausgelegt ist. Nach dem Interview fand ich meine Besucher-Karte nicht mehr, um wieder aus dem Parlament herauszukommen. Als ich bei meiner Suche den kompletten Inhalt meines Rucksack auf den roten Teppich ausschüttete, kam auch eine Rolle Toilettenpapier zum Vorschein. Das weiße Papier machte sich gut auf dem roten Teppich. Die Besucher-Karte habe ich trotzdem nicht gefunden – bis heute nicht. Toilettenpapier immer mit sich zu führen, kann ich jedem Bulgarien-Besucher nur empfehlen, auch wenn er nicht auf den roten Teppich will.

Das Geheimnis des Sauerteigbrotes

Viele Videos habe ich gesehen und Bücher gelesen, die sich mit dem Sauerteig und insbesondere mit der Herstellung des so genannten Anstellguts, vielleicht besser Starter, beschäftigen. Es ist keine Übertreibung, in diesem Zusammenhang von einem Studium zu sprechen. Obiges Sauerteigbrot ist das siebente, das ich gemacht habe. Es ist das beste, das ich bisher hier in den Schluchten des Balkans in meinem alten Ofen aus der Türkenzeit gebacken habe. Dass es mein bestes geworden ist, liegt meiner bescheidenen Meinung nach daran, dass ich etwas Joghurt an den Teig gemacht habe. Ein Geheimnis eines gelungenen Sauerteigbrotes, das ich gerne verraten möchte. Wichtig dabei ist, dass es bulgarischer Joghurt mit dem Lactobacillus Bulgaricus ist, so denke ich. Man muss aber auch warnen vor dem Lactobacillus Bulgaricus. Einmal mit ihm infiziert, kommt man nur sehr schwer wieder von ihm los. Ich sage das auch aus eigener Erfahrung.

PS: Es sollte meiner Meinung nach unbedingt der Lactobacillus Bulgaricus sein, weil dieser den Joghurt (auf bulgarisch “Saure Milch”) sauer macht. Nicht umsonst heißt es Sauerteigbrot.

Erfahre mehr über die RKI-Protokolle

Alles, was so genannte Querdenker in Sachen Pandemie gedacht und gesagt haben und was sogleich als Verschwörungstheorie abgetan wurde, wurde genauso im Krisenstab des Robert-Koch-Instituts gedacht und auch gesagt. Das ergeben die RKI-Protokolle, die jetzt in Berlin verhandelt werden. Genau war es das Online-Magazin Multipolar, das auf die Freigabe der Sitzungsprotokolle geklagt hat. Namentlich Paul Schreyer, einer der Herausgeber des Magazins. Der Prozess läuft deswegen ganz offiziell unter dem Titel “Paul Schreyer gegen die Bundesrepublik Deutschland”. Ein Titel, den man sich merken sollte, denn eines Tages werden Bücher, Filme, Hörspiele und wissenschaftliche Arbeiten so heißen. Auch Beiträge von mir sind auf Multipolar erschienen, und zwar “Bulgarien – die große Freiheit”, “Rote Linie in Sofia”, „Wir haben den Leuten eine Lüge verkauft“, “Das Suchtsystem” und “Es ist ein Kulturkampf”, ein Interview mit Hans-Joachim Maaz. Von Anfang an hat es mich mit Freude und Stolz erfüllt, für Multipolar schreiben zu dürfen. Das erfolgreiche Freiklagen der RKI-Sitzungsprotokolle hat mich darin noch einmal bestärkt. Paul Schreyer und Stefan Korinth, die beiden Herausgeber von Multipolar, leisten hervorragende Arbeit und auch Aufklärung. Ich kann jedem, der auch nur einen Euro übrig hat, nur wärmstes empfehlen, diesen für das Magazin zu spenden. Ich sage das nicht ganz uneigennützig, denn ich schreibe immer noch für Multipolar. Die zuletzt auf Multipolar erschienene Rezension “Die Angst vor dem Neuen” von dem US-amerikanischen Autor und Autodidakten Carl Hoffer ist von mir. Das obige T-Shirt gehört mir nicht, sondern ist ein Fundstück. Gefunden in einem bulgarischen Second Hand Geschäft, wo es ein Ladenhüter ist. Auch ohne RKI-Files weiß man in Bulgarien, wo die offizielle Corona-Impfquote bei gerade einmal 30 Prozent liegt (die wahre Impfquote dürfte irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent liegen), dass die “Corona-Krise” ein Fehlalarm war, bei der es vor allem um Desinformation der Bevölkerung ging. Ganz genauso wie es Stephan Kohn, Referent in der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz des Bundesinnenministeriums, bereits am 8. Mai 2020 gesagt hat. Nachzulesen in den von Multipolar freigeklagten RKI-Protokollen.

Desinteresse an Deutschland

Als das Spiel Frankreich gegen Spanien um Neun Uhr bulgarischer Zeit begann, war das “Barchen” schon geschlossen. Auch im Außenbereich saß niemand mehr. Lediglich am Kriegerdenkmal spielten wie gewohnt Kinder und Teenager. Es ist also keine Übertreibung, wenn ich sage, dass das Interesse an der Europameisterschaft in Deutschland “below zero” ist. Genauso wie das Interesse an der Heimat im Allgemeinen gegen Null geht. Das war früher anders. Da wurden einem die Mädels reihenweise angeboten beziehungsweise boten sich selber an. Sowohl für ein kurzes Vergnügen, als auch zum Heiraten. Das Interesse an Deutschland war groß und echt. Man war im wörtlichen Sinne hungrig, mehr über dieses tolle Land zu erfahren, wo die Dinge funktionieren und das Leben optimal ist. Das Interesse hielt lange an, sehr lange sogar. Selbst als Deutschlands Zenit schon lange überschritten war, schaute man in Bulgarien ehrfürchtig, wenn es um Deutschland ging. Von Angela Merkel beispielsweise sprach man lange mit großen Augen und offenem Mund. Das Bild von Deutschland hing der realen Situation um 15 bis 20 Jahren hinterher, was normal ist. Überraschend ist dagegen, wie schnell sich die öffentliche Meinung über Deutschland in Bulgarien geändert hat. Es begann vor jetzt neun Jahren mit der so genannten Flüchtlingskrise, die man auch als Teil einer globalen Kriegsführung der Amerikaner sehen kann, um andere Länder und Kontinente zu destabilisieren. Da wurde aus der Bewunderung für die Kanzlerin rasch Unverständnis. Aus diesem Unverständnis ist heute Mitleid geworden. Ob die Kinder und Teenager, die gestern Abend bis tief in die Nacht am Kriegerdenkmal spielten, noch nach Deutschland gehen, um dort ihr Glück zu suchen, daran darf gezweifelt werden. Dass sich außer mir, der sich aus Fussball eigentlich nichts macht, niemand für die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland interessiert, einfach nur als Desinteresse am Fussball zu interpretieren, greift zu kurz. Es ist, so denke ich, auch ein Desinteresse am Westen im Allgemeinen und an Deutschland im Besonderen.

Schwert statt Messer

Es ist jetzt einige Zeit her, dass mir ein Freund in der Heimat obiges Messer zukommen ließ. Kurz nachdem er es mir nach Bulgarien geschickt hatte, fragte er sich, ob es nicht ein schlechtes Omen sei, jemandem ein Messer zu schenken. Und das, obwohl der Grund für das Geschenk ganz einfach war. Mein Freund hatte sich irgendwann einmal zwei von den Messern gekauft. Es war wohl eine von diesen “Kaufe eins, nimm zwei” Aktionen, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Hier in Bulgarien lag das Messer meines Freundes auf meinem Nachttisch. Warum genau, kann ich gar nicht sagen. Ich habe es jedenfalls nicht gebraucht hier. Da ich nun plane, demnächst die alte Heimat zu besuchen, kam es mir in den Sinn. Also die Frage, ob ich es nach Deutschland mitnehmen soll oder nicht. Messer haben in der Heimat an Bedeutung gewonnen, um es mal so zu formulieren. Meine Frage hat sich ergeben, weil ich nicht nur mit Handgepäck reisen werde, sondern einen Koffer mitnehmen darf. Wenn man früh genug bucht, ist auch das für jemandem mit eher schmalem Budget erschwinglich. Hätte ich nur Handgepäck, würde ich nicht darüber nachdenken müssen, denn im Handgepäck sind Messer bekanntlich verboten. Gestern las ich nun “Jesus in schlechter Gesellschaft” von Adolf Holl aus dem Jahr 1998, das ich letztens für einen Lewa (50 Cent) am letzten Buchstand in Sofia gekauft habe. Das Buch hat eine persönliche Widmung des Autors an eine Frau in der bulgarischen Hauptstadt vom März 2004, aber das nur nebenbei. Folgende Informationen finden sich auf der Rückseite des Buches: “Zweckdienliche Angaben werden erbeten zwecks Festnahme des Jesus Christus, angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt. … Ohne festen Wohnsitz. … Der Gesuchte predigt Gleichheit und Freiheit aller Menschen, vertritt utopische Ideen und muss als gefährlicher Aufrührer bezeichnet werden. Hinweise an jede Polizeistation.” Über den Autor erfährt man, dass ihm nach seinem Buch die kirchliche Lehrbefugnis entzogen worden war und ihm darüber hinaus verboten wurde, priesterliche Funktionen auszuüben. Doch zurück zur Messer-Frage. Im Kapitel “Der Mann des Streites” erfährt man, dass auch Jesus eine Waffe trug. Es war allerdings kein Messer, sondern ein Schwert: “Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern ein Schwert!” – Ohne zu weit vorgreifen zu wollen, frage ich mich nun doch, ob die ganzen Messer-Geschichten nicht eigentlich jetzt schon Schnee von gestern sind. Ich möchte keine Unruhe verbreiten, aber ich bin der festen Überzeugung, dass das Schwert das Kommende ist.