Deutschland gibt den Ton an

Deutschland gibt den Ton an – nicht nur bei mir

Beim Bulgaren, ich habe oft darüber geschrieben, ist alles immer umgedreht. Das beste Beispiel sind die Kopfbewegungen. Nicken bedeutet Nein und Kopfschütteln, es ist eher ein Kopfwiegen, bedeutet Ja. Bei mir wirkt sich das Bulgarische, also das Umgedrehte, so aus, dass ich in Bulgarien immer die deutsche Ordnung suche und in Berlin das bulgarische Chaos. Verrückt – ich weiß! Andererseits war es nie schwer in Berlin balkanische Ecken zu finden. Die Balkanisierung Berlins hat in den letzten Jahren allerdings sehr an Fahrt aufgenommen. Für meinen Geschmack zu sehr. Dann kann ich auch gleich auf dem Balkan bleiben, was an sich kein Problem ist, wenn nicht diese Suche nach der deutschen Ordnung wäre. Aktuell ist es so, dass ich die Aufforderung unseres beliebtesten Politikers, es ist der Verteidigungsminister Boris Pistorius von den Sozialdemokraten, dass Deutschland wieder kriegstüchtig werden muss, sehr Ernst nehme. Gut, bis 2029 ist noch etwas Zeit. Aber was ich habe, habe ich. Sagt man doch so, oder? Heute bin ich in Sachen Kriegstüchtigkeit fündig geworden, und zwar auf dem Flohmarkt in Montana, wo sonst.

Kaufst du eine – kriegst du die andere umsonst

Bei zwei Knarren zum Preis von einer konnte ich nicht Nein sagen. Vier Lewa haben beide zusammen gekostet, was zwei Euro sind. Überhaupt war es heute ein Zwei-Lewa-Tag:

Wenn der Russe kommt – vom Russen

Auch die Gasmaske Made in Russia war mit nur vier Lewa im Angebot. Ich habe zwar offiziell eine Maskenbefreiung, aber wenns gegen den Russen geht, kenne ich kein Pardon – mit mir selbst.

Ein Schnäppchen-Messer

Das Messer war mit nur vier Lewa ein Schnäppchen. Ich bin eigentlich nicht so der Messer-Typ, aber man muss mit der Zeit gehen. Zur Not kann ich es gegen ein Jahr Netflix eintauschen.

Humana – People to People Bulgaria

Ich bin mir nicht sicher, ob Humana in Deutschland auch ein Motto hat. Was ich weiß, ist, dass Montags bei Humana Bulgaria jedes Teil nur vier Lewa kostet. Nur deswegen gehe ich hin.

Heute nur vier Lewa – nicht 12!

Heute kostete die NATO-Tarnjacke nur vier Lewa. Da konnte ich nicht Nein sagen, was in Bulgarien Kopfschütteln ist. Größe L ist wie für mich gemacht. Seit ich in Bulgarien bin, hat sich mein Gewicht normalisiert. Auch deswegen kann ich Bulgarien nur empfehlen. Aber vor allem natürlich, um in aller Ruhe kriegstüchtig zu werden. Fällt mir gerade auf, dass in kriegstüchtig das Wort tüchtig drin steckt. Tüchtig ist auch so ein schönes deutsches Wort und Tüchtigkeit eine deutsche Tugend.

Sei auch Du tüchtig und werde kriegstüchtig!

“Reserviert für den Thomas Bernhard des Balkans”

Das ist das Café “Vegas” im Nordwesten Bulgariens, der ärmsten Region des Landes. Es gibt also nicht nur Montana, sondern auch Las Vegas. Obwohl die Menschen hier wenig Geld haben, ist das Café “Vegas” immer gut gefüllt, was daran liegt, dass die Tasse Kaffee dort gerade mal 50 Cent kostet. Gefüllt ist es, wie man sieht, mit alten Menschen, die sich permanent anschreien. Dazu muss man wissen, dass in Bulgarien immer nur geschrien oder mindestens gerufen wird. In der Umgangssprache gibt es das Wort sprechen (govorja) gar nicht, sondern es wird ausnahmslos das Verb schreien (vika) verwendet. Auch junge Menschen schreien in Bulgarien nur, so weit sie nicht das Land verlassen haben, um beispielsweise in Deutschland ihr Glück zu suchen. Dort müssen sie erst mühsam lernen, in normaler Lautstärke zu sprechen, was für sie leise ist. Ich bin gestern nur am Café “Vegas” vorbeigelaufen, habe mich nicht hingesetzt, obwohl vorne links immer ein ganzer Tisch für mich reserviert ist. Dort sitzt “Der Thomas Bernhard des Balkans” sagt die Betreiberin des Café “Vegas” zu den Gästen, die mich noch nicht kennen. Thomas Bernhard kennt hier keiner, nicht mal die Betreiberin. Aber gut, in Österreich kennt auch keiner Thomas Bernhard. Der Betreiberin hatte ich mal von Thomas Bernhard erzählt. Sie hat sich daraufhin sogleich den Namen notiert und ein Schild auf den Tisch vorne links gestellt. Vom erfolgreichen Wirtschaften versteht die Frau etwas. Im Gegensatz zu unserem Wirtschaftsminister. Aber ich will nicht vom Thema ablenken. Dass ich nur vorbeigelaufen und mich nicht an den für mich reservierten Tisch gesetzt habe, um einen Kaffe für 50 Cent zu trinken, wahlweise auch zwei für einen ganzen Euro, liegt daran, dass ich mich noch in der Akklimatisierungsphase befinde. Mit anderen Worten: ich bin sehr ruhebedürftig und kann Lärm nur schwer ertragen. Dadurch wirkt der bulgarische Jungbrunnen noch nicht, wie er eigentlich wirken könnte. Denn Bulgarien ist, das ist keine Übertreibung, trotz allem Geschreie und Gerufe ein wahrer Jungbrunnen. Auch darüber habe ich, “Der Thomas Bernhard des Balkans”, schon mal was geschrieben, und zwar, wie sollte es anders sein, für die Laienbühne in Wien.