Vom süßen Leben in Istanbul, meine Reportage folgt demnächst, direkt in die deutsche Hölle. Kommentiert wird diese von meinem Lieblingstürken Serdar. Das sage ich als Halbbulgare, damit mir später keine Klagen kommen. Interessant ist nicht, was die Frau sagt. Niemand, der noch halbwegs bei Trost ist, glaubt ihr auch nur ein Wort. Deswegen stelle ich sie auch gar nicht erst vor. Diese Frau ist völlig uninteressant. Interessant ist, dass selbst Serdar ihr nur noch mit biblischer Sprache beizukommen vermag. Hier ein paar Kostproben: “das ist ‘ne Henkerin”, “die kommt direkt aus der Hölle” und “das Böse weiche von mir!”. Ich erwähne das mit der biblischen Sprache, weil jetzt wieder so eine Zeit ist, in der immer mehr Menschen zum Glauben finden. Serdars und auch mein Rat an die Frau: Leisten Sie Abbitte, bevor es zu spät ist – um ihrer Seele willen.

So wie auf einem Basar üblich, wurde mir auf dem Bus-Bahnhof in Sofia der Express-Bus nach Istanbul in den höchsten Tönen angepriesen. Man habe dort mehr Platz, weil er auf einer Seite nur eine Sitzreihe hätte, was ich mir nicht vorstellen konnte. Aber, wie auch obiges Foto beweist, so etwas gibt es wirklich. Express-Bus heißt, dass er weder in Plowdiw, noch in Haskowo hält. Er hält praktisch überhaupt nicht mehr, außer natürlich an der Grenze, und da gleich zweimal. Einmal beim Bulgaren, und dann nochmal beim Türken. Beide Male muss man aussteigen und sich einreihen in die Passkontrolle. Das Ganze um drei Uhr Morgens. Da es nur einen Beamten gibt, dauert es. Einen zweiten Beamten gibt es beim Zoll. Alle müssen ihr Gepäck aus dem Bus mitbringen. Auch mein Rucksack für einen Tag in Istanbul wird durchleuchtet. Insgesamt haben wir über eine Stunde an der Grenze verloren. Die versucht der Fahrer wieder aufzuholen. Er überholt nicht nur alle LKWs, sondern auch zahlreiche PKWs. Praktisch sind wir permanent auf der Überholspur. So fühlt es sich also an, das Leben auf der Überholspur. Ich bin froh, als wir am Otogar in Istanbul ankommen. Davor der übliche Stau. Und ein spektakulärer Sonnenaufgang.

Ankunft bei den Deutschen
Im Februar berichtete die Berliner Zeitung, dass immer mehr Unternehmer Deutschland verlassen, weil sie das Vertrauen in die Regierung verlieren. Laut der Schwäbischen Zeitung vom 5. April können sich fast drei Viertel ihrer Leserinnen und Leser vorstellen, Deutschland den Rücken zu kehren. Eine von der Zeitung durchgeführte Umfrage ergab, dass sich 74 Prozent der knapp 19.000 Befragten “auf jeden Fall“ vorstellen können, aus Deutschland auszuwandern. Am Tag zuvor schrieb der Focus, dass die Angst vor einem größeren Krieg in Europa umgehe. Menschen würden ans Auswandern denken, Bunker bauen oder Notfalltaschen packen. Auch wenn Experten dies als Aktionismus abtun, fest steht: die Orientierungslosigkeit in westlichen Gesellschaften hat zugenommen.
Eine Orientierung, welche Länder fürs Auswandern in Frage kommen, bietet unter anderem “inFranken”. In einem kurzen Video wird Bulgarien an zweiter Stelle als Ausreisedestination insbesondere für Menschen mit unter 1.000 Euro Monatseinkommen genannt. Was die Lebenshaltungskosten angeht, liegt Bulgarien sogar noch vor Portugal, das auf dem ersten Platz landete. Laut t-online müsse man in Bulgarien 42 Prozent weniger Geld aufwenden als in Deutschland. Mit einem Pauschal-Steuersatz oder auch „Flat-Tax“ für Körperschafts- und Einkommensteuer von 10%, Null Gewerbesteuer und einer Quellensteuer von 5% ist Bulgarien auch für Unternehmer, Gewerbetreibende und Investoren interessant.
Im Juni vergangenen Jahres berichtete das bulgarische Nationalradio über Ben und Lena, die von einer Kleinstadt im südlichen Ruhrgebiet in ein kleines Dorf im Osten Bulgariens gezogen waren. Bereits vor sieben Jahren hatte sich das Paar entschieden, nicht nur nach Bulgarien auszuwandern, sondern ihr Leben komplett neu zu gestalten. Sie haben sich dazu entschlossen, weil sie wussten, dass ihr Leben, so wie sie es in Deutschland geführt haben, nicht mehr weitergehen kann. Bulgarien ist für sie vor allem eines: Freiheit.
Freiheit ist auch den Spirebos wichtig, deutsche Aussteiger, von denen ich bereits vor einiger Zeit gehört und letzten Freitag besucht habe. Soeben ist meine Reportage “Zusammen wachsen” über sie auf Medien+ von Michael Meyen erschienen. Michael, er ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat die Freie Akademie für Medien und Journalismus ins Leben gerufen. Ich habe sie besucht und kann sie jedem empfehlen, der sich über die Berichterstattung insbesondere der Mainstreammedien ärgert. Mir hat sie regelmäßig körperliche Schmerzen verursacht. Meine journalistische Tätigkeit verstehe ich als Notwehr. Das Einmaleins habe ich bei Michael gelernt.

Mein Motto: Mit gutem Beispiel vorangehen
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fragte Caren Miosga gestern allen Ernstes, wie man den Pazifismus-Code Deutschlands schneller überschreiben könne, der lange in unserer DNA gelegen habe. Aus den Schluchten des Balkans heraus empfehle ich der mit Zwangsgebühren finanzierten Moderatorin, einfach selber mit gutem Beispiel voranzugehen. Oder um es mit den Worten von Mahatma Ghandi zu sagen: Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.
Verstörende Bilder aus Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses. Immer mehr Menschen verlieren ihren gesunden Menschenverstand und werden zu Zombies, die wie ferngesteuert nur noch eines können, und zwar jeden Andersdenkenden mit “Nazi raus!” anzubrüllen. Da ich selbst schon einmal von linken Linken und selbsternannten “Nazi-Huntern” als Nazi beschimpft wurde, weiß ich, was dies bedeutet, nämlich Nichts. Interessant in diesem Zusammenhang, dass sich der angebliche Nazi dem Christentum zugewendet hat. Eine Entwicklung, die mich an den politischen Umschwung von 1989 erinnert, als auch so mancher wieder zum rechten Glauben fand, und die sich jetzt ausgehend von Osteuropa wiederholt. Ob dieser Umschwung Berlin erreichen wird, bevor es zu spät ist, bevor sich einst normale Menschen irreversibel in Zombies verwandelt haben, ist im Moment nicht abzusehen. Ich verstehe das Video als Warnung, falls ich irgendwann doch noch einmal nach Berlin zurückkommen sollte. Als ich mich letztens von neuen Freunden in Bukarest verabschiedete, gab man mir ein “Gott schütze Dich!” mit auf den Weg, was hilft.

Eines von vielen verlassenen Dörfern in Bulgarien und ideale Filmkulisse für dystopische Endzeitfilme. Dieses Dorf im zentralen Balkangebirge ist nicht vollständig verlassen. Ein altes Mütterlein, das gerade Wasser vom Dorfzentrum holte, wo obige Aufnahme entstand, erzählte mir, dass sie erst kürzlich von Varna hierher gezogen sei. Warum, das sagte sie nicht. Varna ist die größte bulgarische Stadt am Schwarzen Meer. Viele Deutsche zieht es dorthin, und da müssen Bulgaren eben Platz machen. Das waren meine Gedanken über den Wegzug der Frau, der ich erzählte, dass ich auf dem Weg zu den deutschen Aussteigern im Nachbardorf bin. Das Mütterlein hatte schon von ihnen gehört und fragte mich, ob die Deutschen vielleicht ihr Dach reparieren könnten. Ich versprach nachzufragen. Und in der Tat können die Deutschen das. Warum, das erfährst du in meinem Bericht über die deutschen Aussteiger, der demnächst erscheinen wird.

Im letzten Städtchen auf meinem Weg zu den deutschen Aussteigern im zentralen Balkan-Gebirge stieß ich auf dieses Zitat eines anderen Deutschen. Albert Einstein erklärt in ihm den Unterschied zwischen Wahnsinn und Genie, der seiner Meinung nach darin besteht, dass das Genie Grenzen hat – im Gegensatz zum Wahnsinn. Eine interessante Feststellung zur rechten Zeit, wie ich finde. Aber nicht nur das! Für nur fünf Lewa (2,5€) ist Einstein zu haben. Zwar nicht in Stein gemeißelt, aber immerhin in Holz gebrannt. Von dem 7.000 Seelen-Ort, in dem, glaubt man dem Roman, “Der Medicus” auf seinem Weg nach Persien überwintertete, sind es noch einmal 30 Minuten zu den deutschen Aussteigern im Balkan-Gebirge. Sie freuen sich über Besucher, so haben sie es mir gesagt. Und wenn man keinen Camper hat und auch nicht zelten will, kann man sich in dem Städtchen einquartieren, so wie es einst “Der Medicus” getan hat – und jetzt auch Einstein.