Bericht aus Bulgarien (264) – “Das Leben der Anderen heute”

Trinkt nicht, raucht nicht, bringt sich nicht um, geht aber auch nicht wählen

 

Bulgarien war einst berühmt für seinen Tabak – den “Bulgar-Tabak” (BT). Es gibt einen bekannten Roman von Dimitar Talev mit dem bulgarischen Titel “Tjutjun”, der auch ins Deutsche übersetzt ist und einfach nur “Tabak” heißt. Die großen Zeiten des “bulgarischen Goldes” sind aber vorbei. Ganze Dörfer haben nach und nach ihre traditionelle Lebensgrundlage verloren, worunter vor allem die muslimische Bevölkerung im Süden leidet, in deren Hand sich der Tabakanbau traditionell befindet. Trotzdem wird in Bulgarien immer noch viel geraucht und auch viel getrunken, nicht nur der Selbstgebrannte, sondern auch Bier und Wein.

In Deutschland wird seit Corona um ein Drittel mehr geraucht, das geht aus der aktuellen repräsentativen »Deutschen Befragung zum Rauchverhalten« (Debra) hervor. Ich gehe davon aus, dass wegen Corona allgemein die Süchte zugenommen haben, sowohl die Abhängigkeit von stofflichen Drogen wie Alkohol und Beruhigungsmittel, als auch die von nichtstofflichen Drogen wie Sex, Spielen und Einkaufen. Auch Depressive gibt es jetzt mehr, fast in jeder Talk-Show sitzt einer von ihnen. Oft hat er ein Buch über seine Depression geschrieben, das er verkaufen will. Solche Auftritte sind immer peinlich, regelrecht zum Fremdschämen.

Zum Fremdschämen sind sie vor allem deswegen, weil ein ursächlicher Zusammenhang mit Corona und den in dem Zusammenhang ganz bewusst vom Staat geschürten Ängsten praktisch immer ausgeblendet wird. Corona ist der übergroße Elefant im Raum, über den aber nicht gesprochen wird, will man nicht als Aluhut oder Schwurbler gelten. Die genauen Daten sowohl über Depressionen, als auch über die Abhängigkeit von stoffliche und nichtstoffliche Drogen fehlen bis dato, auch die über Suizide. Also wie viele Menschen haben sich wegen Corona das Leben genommen. Ihre Zahl dürfte in den nächsten Wochen weiter zunehmen.

Also praktisch die Geschichte von “Das Leben der Anderen”. Der Hauptprotagonist des Filmes schreibt einen Artikel genau über dieses Thema, Suizid in der DDR, und zwar für den Spiegel, ausgerechnet der Spiegel. Die Daten über die Anzahl der Suizide wurden in der DDR irgendwann nicht mehr veröffentlicht. Praktisch so wie heute, wo Daten einfach aus dem Netz verschwinden oder gar umgeschrieben werden. Alleine deswegen ist es besser, immer alles Schwarz auf Weiß zu haben.

Mit solchen Vergleichen muss man neuerdings vorsichtig sein. Der DDR-Vergleich kann jetzt nämlich bereits als Delegitimierung des Staates aufgefasst und bestraft werden. In Bulgarien gibt es nichts vergleichbares. Wie auch, wenn die meisten Bulgaren praktisch ständig am Rauchen und Saufen sind. Die Bulgaren haben ihren ganz eigenen Weg den Staat zu delegitimieren. Sie gehen einfach nicht wählen.

Bei der letzten Wahl im November vergangenen Jahres sind nur 40 Prozent der Bulgaren zur Wahl gegangen. Eine Abstimmung mit den Füßen mitten im Lockdown, den es in Bulgarien so in der Form wie in Deutschland nicht gab. Ich bin gespannt, wie viele Bulgaren noch zur Wahl am 2. Oktober gehen. Mehr als die Delegitimierung durch 60 Prozent Nichtwähler geht eigentlich nicht mehr.

PS: Das wichtigste habe ich auch diesmal wieder fast vergessen. Ausgerechnet Rauchen, wo bekannt ist, dass das Virus in die Lunge geht. Andererseits ist der Alkohol, das Saufen, das am Ende immer tödlich ist, auch nur ein Suizid auf Raten.

Foto&Text TaxiBerlin

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