Bericht aus Bulgarien (96)
„Bulgarien möchte dich“, sagt diese Werbetafel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Und weiter: „Finde Arbeit“. Auf den ersten Blick hört sich das komisch an. Warum sollte es ausgerechnet in Bulgarien Arbeit geben, wenn jeder dritte Bulgare, bei den 20- bis 45-jährigen sogar jeder zweite, im Ausland lebt und arbeitet? Andererseits sagt man hier aber auch gerne, dass es in Bulgarien Arbeit geben würde für das gesamte Chinesische Volk – und das stimmt!
Bulgarien ist, was seine Bevölkerung angeht, das am schnellsten schrumpfende Land weltweit. In der Vergangenheit habe ich gerne dazu gesagt, ohne dass ein Krieg erklärt worden wäre oder gar stattgefunden hätte. Nach nunmehr fast einem Jahr in Bulgarien bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Zumindest sieht es in vielen Teilen Bulgarien so aus, als hätte es einen Krieg gegeben, der vielleicht sogar noch anhält. Es gibt auch Kriege ohne Kriegserklärung. Es wäre nicht der erste in der Menschheitsgeschichte. Jedenfalls gibt es in Bulgarien jede Menge Arbeit, und zwar Aufbauarbeit, will man irgendwann auch hier blühende Landschaften haben. Im Moment sieht es eher nach dem Gegenteil von blühenden Landschaften aus.
Schöne Landschaften gibt es dagegen überall zu sehen, und das sogar zum Nulltarif. Von Sofia aus kann man beispielsweise auf das Vitosha-Gebirge schauen. Der höchste Berg, der Schwarze Berg, ist immerhin 2.290 Meter hoch. Der allgegenwärtige Ausblick auf die gerade Schneebedeckten Gipfel des Vitosha-Gebirges ist für mich neben den Mineralquellen das schönste an der ansonsten schrecklichen Stadt. Die heißen Quellen im Stadtzentrum der bulgarischen Hauptstadt wussten schon die Römer zu schätzen, bei denen Sofia Serdica hieß.
Im Hintergrund (links) das Vitosha-Gebirge
Was die Arbeit in Bulgarien angeht, habe ich gerade einem Leser meines Blogs in Berlin Arbeit verschafft. Um genau zu sein, hat er sie sich selbst gesucht. So sind sie, die Preußen – suchen sich ihre Arbeit selbst. Um ganz genau zu sein, ist der Leser in Berlin ein selbsternannter Faktenchecker meines Blogs. Dazu muss man wissen, dass ich ihn am Vortag, bevor er seine Tätigkeit als selbsternannter Faktenchecker aufnahm, noch einmal darauf hingewiesen habe, dass das hier in aller Regel keine 1:1 Geschichten sind, worauf auch der Untertitel „Unwahre Geschichten … „ hinweist, und was mein Berliner Faktenchecker auch vorher schon wusste.
Warum er trotzdem die Fakten in „Unwahren Geschichten aus dem wahren Leben eines Berliner Taxifahrers“ checkt, kann ich nur vermuten. Wahrscheinlich weil auch er keine Arbeit mehr hat. Jedenfalls scheint er jede Menge Zeit zu haben, so wie viele Menschen nicht nur in der Heimat. Auch ich habe viel Zeit hier, und auch kein Geld, weswegen ich meinen Faktenchecker in der Heimat nicht bezahlen kann. Arbeit hat immerhin auch er in Bulgarien gefunden, so wie es die Reklametafel verspricht.
Wer sinnvolle Arbeit sucht, wer also nicht die Fakten eines Blogs mit dem Untertitel „Unwahre Geschichten …“ checken will, wird ebenfalls in Bulgarien fündig. Die Reklametafel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ist also kein leeres Versprechen, im Gegenteil. Es gibt hier in sich zusammenfallende und bereits zusammengefallende Gebäude ohne Ende, die es wieder aufzubauen gilt. Bezahlt wird die Aufbauarbeit in aller Regel nicht, weswegen auch noch kein Chinese nach Bulgarien gekommen ist.
Eine Möglichkeit gibt es wohl, mit Aufbauarbeit in Bulgarien sein Geld zu verdienen, und zwar wenn man Geld mitbringt. Damit kauft man die Ruinen und baut sie wieder auf. Irgendwann in der Zukunft verkauft man die Häuser, also das Ergebnis seiner eigenen Aufbauarbeit, dann mit Gewinn beispielsweise an Bulgaren, die mangels Arbeit in immer größerer Zahl aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren und hier nach einer Bleibe suchen. Mein Nachbar macht das seit Jahren mit großem Erfolg. Oder man kauft einfach nur Land in Bulgarien, wie es gerade Superreiche in Amerika tun. Das geht auch.
“iskam teb” – Ich möchte dich
Egal ob Geld oder nicht – jeder ist in Bulgarien willkommen. Ich kann das kleine Land sehr am Rand nur wärmstens empfehlen, und nicht nur denjenigen, die mal rauskommen wollen aus dem alltäglichen Wahnsinn in der Heimat. Vorausgesetzt natürlich, man ist dort abkömmlich. Also dass man keine Flüchtlinge bei sich zu hause aufgenommen hat, um die man sich kümmern muss, oder man gar selbst in den Krieg ziehen möchte, wovon ich persönlich abrate.
Mein Eindruck ist, dass es in Deutschland jede Menge Menschen gibt, die gerade orientierungslos durch die Gegend irrlichtern, weil sie einerseits keine Arbeit mehr haben und andererseits nichts mit sich anzufangen wissen, nachdem man ihnen nun auch die Möglichkeit des Konsums genommen hat. Bulgarien ist für seinen Null Konsum bekannt und auch fürs kalt duschen. „Frieren für den Frieden“, was mich an „Kanonen statt Butter“ erinnert, kann man also auch hier. Ich habe sogar schon meinen Berliner Faktenchecker nach Bulgarien eingeladen, damit er auf andere Gedanken kommt, auch wenn ich nicht daran glaube, dass er die Eier dazu hat.
Was der Faktenchecker in der Heimat auf jeden Fall machen kann, und worum ich ihn hiermit bitte, ist die Fakten in den drei Texten zu checken, die von mir auf anderen Seiten erschienen sind, und zwar 2x auf Multipolar und 1x auf Rubikon, an einem von ihnen hat sich der Spiegel bedient, denn das sind keine „Unwahre Geschichten …“ – Die Links dazu findet er rechts oben auf dieser Seite. Geld gibt es, ich sage es besser vorher, aber auch dafür nicht.
Fotos&Text TaxiBerlin