Bericht aus Bulgarien (52)
In Bulgarien dürfen die Menschen nicht nur demonstrieren, sondern sogar protestieren. In den letzten Tagen protestierten hier unter anderem die Museen und Galerien, aber auch die Feuerwehrmänner und alleinerziehende Mütter. Heute nun hat die Partei “Wiedergeburt” zum zweiten landesweiten Protest um 11 Uhr vor dem Ministerrat in Sofia aufgerufen. In Bulgarien heißen Proteste, auf denen demonstriert wird, noch Demonstrationen und nicht Spaziergänge. Demonstranten werden dort nicht von Ordnungshütern angebrüllt, Abstände einzuhalten. Masken werden kaum getragen, auch nicht von der Polizei. Die Taktik der Berliner Polizei, Menschen einzukesseln, die Räume eng zu machen, dann die Veranstaltung aufzulösen, weil Abstände nicht eingehalten wurden – sie ist in Bulgarien gänzlich unbekannt. Es ist ein typisch deutsches Phänomen. Der Bulgare braucht nur einen Protest ankündigen, dann reagiert die Regierung. So geschehen beim ersten Protest, als man sich am Montag zuvor traf, um danach in die Selbstisolation zu gehen, damit man nicht mit den Protestierenden reden muss. Immerhin wurden Runde Tische vereinbart, aus denen aber nichts geworden ist, auch deswegen der erneute landesweite Protest heute. Wieder haben die Regierenden reagiert, und wieder war es der Montag, als Ministerpräsident Petkow verkündete, dass am 20. März sämtliche Maßnahmen und auch der Grüne Pass fallen werden. Auch wenn das vermutlich wieder ein Trick ist – der Montags-Trick – so reagiert man in Bulgarien bereits bei Ankündigung eines Protestes. Die Regierenden sind also noch nicht so abgehoben wie andernorts, wo die Kommunikation mit den Menschen praktisch eingestellt wurde und man nur noch mit Schlagstock und Tränengas bewaffnete berittene Polizisten auf sie trampeln lässt. Vermutlich liegt es auch einfach daran, dass es hier nichts bringen würde Bankkonten einzufrieren, weil das wenige, was der Bulgare hat, so weit es nicht vor allem Schulden sind, hat er meist bei sich.
PS: In Bulgarien gibt es auch keine Polizisten auf Pferden. – Die einst zahlreichen Pferde wurden in Bulgarien alle schon aufgegessen.
Foto&Text TaxiBerlin