Bericht aus Bulgarien (1)
75 Lewa = 75 Mark = 38,50 Euro
Angesichts der aktuellen Entwicklung in Deutschland ist das Interesse an Bulgarien und am Leben hier groß. Das beweisen auch die zahlreichen Anfragen, die mich seit einiger Zeit erreichen. So einige denken darüber nach, Deutschland zu verlassen und sich – so wie ich – in den Schluchten des Balkans in Sicherheit zu bringen. Auch um einem größeren Publikum die Antworten auf alle mir gestellten Fragen zugänglich zu machen, starte ich hiermit eine neue Serie, den „Bericht aus Bulgarien“. Zu Deutschland, das ich im Mai verlassen habe, werde ich mich nur noch gelegentlich und aus der Ferne äußern. Ich möchte lieber über den Alltag in Bulgarien berichten, auch über vermeintliche Kleinigkeiten.
Eine solche Kleinigkeit ist beispielsweise, dass der Bulgare selbst beim Bezahlen regelmäßig Fünfe gerade sein lässt. Während in Deutschland ein Einkauf mitunter daran scheitert, dass einem ein oder zwei Cent fehlen, wird darüber hier stillschweigend hinweggegangen. Es wird allerdings nicht nur ab-, sondern auch aufgerundet. Man solle sich also nicht wundern und schon gar nicht aufregen, wenn man beim Einkaufen mal den ein oder anderen Stotinki (1 Stotinki = 0,5 Cent) zu wenig herausbekommt.
Die Grundregel, dass in Bulgarien die Dinge halb so viel kosten wie in Deutschland, stimmt nicht immer, aber in den allermeisten Fällen schon. Braucht(e) man, so wie ich, in Deutschland 1.000 Euro im Monat, so reichen hier 500 Euro locker aus zum Leben, was 1.000 Lewa sind. Der bulgarische Lewa hat bis heute den Wert der D-Mark, weswegen der Gang nach Bulgarien auch immer eine Zeitreise ist. Der Wert eines Euros sind 1,95 Lewa, genauso wie einst der Wert der D-Mark: 1,95 D-Mark = 1 Euro.
Die Ärmsten der Armen sind auch in Bulgarien die Rentner. Aufgrund des Exodus’ der jungen Bulgaren, von den 20- bis 45-Jährigen hat sich jeder zweite ins Ausland „evakuiert“, ist Bulgarien nahezu ausschließlich von alten Menschen bevölkert. Die Minimalrente liegt bei etwa 150 Euro im Monat. Die neue Regierung zahlt ab sofort jedem Rentner einmalig 75 Lewa (38,50 Euro), wenn er sich impfen lässt. Eine Strategie, die aufgehen kann, aber nicht muss. Auch wenn es mir mitunter immer noch ein Rätsel ist, wie manch Rentner überlebt, glaube ich persönlich nicht daran, dass sich viele Alten von dem Angebot locken lassen, insbesondere nicht auf dem Land.
„Über Geld spricht man nicht – man hat es!“, war bisher meine Devise, an die ich mich nicht nur in meinem Taxi, sondern auch auf meiner Seite gehalten habe. Da ich seit gut einem Monat ohne Einkommen bin, muss nun auch ich über Geld sprechen. Ab sofort kann jeder meinen „Bericht aus Bulgarien“, die Recherche und Vorarbeit dazu, einmalig oder gerne auch regelmäßig finanziell unterstützen und damit mein Überleben in den Schluchten des Balkans sichern. Dafür habe ich gerade „Autofiktion unterstützen“ – oben rechts – ins Leben gerufen. Vielen Dank für deine Spende!
Foto&Text TaxiBerlin