Bericht aus einem gebrochenen Land (020)

Vorm Späti um die Ecke

Neulich habe ich ein Buch bei Booklooker bestellt, wo ich jetzt auch wieder meinen BauchLaden voll mit guten Büchern habe. Da das Buch nicht in den Briefkasten passte und die Postfrau auch nicht bei mir geklingelt hat, durfte ich mir das Buch am nächsten Tag nach 14 Uhr beim Späti um die Ecke abholen, in dem sich seit einiger Zeit auch eine Post befindet. Seit ich keinen Alkohol mehr trinke, also seit fünfeinhalb Jahren, gehe ich nicht mehr in Spätis, auch weil ich sie mir nicht mehr leisten kann. Vor dem Späti mit der Post steht obiges Schild auf dem Bürgersteig, was wieder so typisch deutsch ist. Typisch deutsch deswegen, weil aus einer ganz einfachen Sache, nämlich dass Kunden des Spätis sich nicht in die Schlange der Paketabohler einreihen brauchen, eine Wissenschaft mit Schildern gemacht wird, die kein Mensch versteht, selbst wenn er – so wie ich – 13 Semester studiert hat. Neulich im Buchladen war es ähnlich. Ich trat von der Seite an den Verkaufstresen heran, um ein Buch, das ich kaufen wollte, zu bezahlen. Dass ich es gewagt habe, von der Seite an den Verkaufstresen heranzutreten, war dem Umstand geschuldet, dass das Buch, das ich zu kaufen beabsichtigte, auf dieser Seite des Verkaufstresens im Regal stand und ich nach dem Kauf den Buchladen auf direktem Weg zu verlassen beabsichtige, wofür die Seite des Verkaufstresens, an dem ich das Buch kaufen wollte, beste Voraussetzungen bot. Der Weg war kurz und man hatte freie Bahn. Aber nein, was passierte? Genau, man bat mich, einmal um den Tresen herumzulaufen, um mein Buch an der Vorderseite des Verkaufstresen zu bezahlen. Auch dies eine typisch deutsche Aktion. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Der Gang um den Tresen war eng, alles andere als eine freie Bahn, und ich riss bei ihm einige Bücher um, die dann auf den Boden fielen, denn die Büchertische sind voll. So wie ich kein Bier mehr im Späti kaufe, kaufen andere keine Bücher mehr in Buchläden. Jetzt kam der Buchverkäufer hinter seinem Tresen hervor, und zwar genau von der Seite, an der ich das Buch bei ihm kaufen wollte. Hätte ich dies gedurft, wäre ich schon längst aus seinem Laden heraus gewesen. So musste der Buchverkäufer nun erstmal die auf den Boden gefallenen Bücher aufsammeln, bevor er mich abkassieren konnte. Dabei murmelte er sowas wie “Kein Problem!” in seinen nicht vorhandenen Bart. Was sollte er auch anderes sagen? Vielleicht, dass es dumm von ihm war, mich nicht an der Seite seines Tresen abkassiert zu haben. Nein so schlau ist der Deutsche nicht. Wobei schlau nicht das richtige Wort ist. Das richtigere ist ehrlich. Der dumme, unehrliche Deutsche musste sich, nachdem er die Bücher, die ich auf meinem von ihm befohlenen Weg zur Vorderseite des Verkaufstresens heruntergeworfen hatte, aufgehoben und wieder auf den Büchertisch gelegt hatte, erst einmal wieder zurück hinter seinen Tresen begeben, besser sich zu ihm durcharbeiten, bevor er mich abkassieren konnte. Erst danach war es mir möglich, sein Geschäft zu verlassen, wobei ich fast schon wieder irgendwelche blöden Bücher umgestoßen hätte, die extra dafür auf dem Weg zum Ausgang aufgestellt waren. Damit man noch mehr Bücher mitnimmt, die nichts taugen. Das war vielleicht die allerschlimmste Erfahrung. Dass ich mich durch Stapel von unsinnigen Büchern durcharbeiten musste, bevor ich das eine Buch fand, das ich kaufen wollte, und zwar von der Seite. Und wenn man mir dies erlaubt hätte, wäre ich nicht nur schon längst aus dem Buchladen heraus gewesen, sondern hätte diesen Beitrag gar nicht schreiben können. Das ist auch wahr. Aber nun alle Bücher im Internet zu bestellen, ist auch keine Lösung für mich, wie ich eingangs beschrieben habe. Denn dann bin ich mit Hinweisschildern vor Spätis konfrontiert, die kein Mensch versteht. Wenn ich es mir recht überlege, brauche ich diese ganzen Dummheiten der Deutschen gar nicht. Letztendlich habe ich auch genug Bücher, weswegen ich einige von ihnen loswerden will. Und Du kannst sie kaufen! Ist das nicht großartig?! Du musst dafür in keinen Buchladen gehen, sondern nur im Internet klicken. Bei mir natürlich. Das ist klar. Und weil Du nicht in Berlin wohnst, Du darüber hinaus deine Postfrau kennst und es dort, wo Du wohnst, sowieso keine Spätis gibt, und damit auch Schilder auf Bürgersteigen, die Du nicht verstehst, steht dem nichts im Wege. Vor allem nicht der Umweg von der Seite einmal um den Tresen herum. Einen Tresen gibt es in meinem BauchLaden nämlich gar nicht.

Foto&Text TaxiBerlin

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