Zurück in Bulgarien (114) – “Ein Ami in Montana”
Gestern bin ich mit meinem englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, nach Montana ausgeritten. Der Grund war ein Konzert der Symphoniker aus Vidin, der Hauptstadt der ärmsten Region im Nordwesten Bulgariens an der Donau. Das Konzert begann pünktlich auf die Minute um 18 Uhr im “Haus der Jugend”. Die Bulgaren werden immer Deutscher und die Deutschen immer bulgarischer. Das sage nicht nur ich, sondern das sagt auch Jerry, der gerade von seiner Deutschlandtour zurück ist. Ich hatte hier darüber berichtet. Die Deutschen kamen Jerry bedrückt (depressed) und verstopft (constipated) vor. Ausserdem fahren sie nur noch alte Autos. Früher, als Jerry als Soldat der britischen Armee in Deutschland war, war das noch ganz anders. Da kauften sich die Deutschen alle drei Jahre ein neues Auto, und er kaufte die praktisch neuen Autos von den Deutschen für wenig Geld. Eine Zeit, an die sich auch Bulgaren noch erinnern können. Auch was Jerry über die Lufthansa zu berichten weiß, hört sich eher nach Bulgaria Air an. Die deutsche Lufthansa beklagte sich über die Instrumente, die Jerry und seine Kollegen von den Sofia Symphonikern mit ins Flugzeug mitnehmen wollten, was sie zuvor ordnungsgemäß angemeldet hatten. Das interessierte die Deutschen nun nicht mehr, der Flug sei ausgebucht. Nur, was haben die Musiker aus Bulgarien damit zu tun? Ein eher für den Balkan typisches Verhalten, und zwar das Schuld immer die anderen haben, ist nun auch flächendeckend in der Heimat angekommen, wenn sich selbst die Lufthansa seiner bedient. Oder, wie ich auch gerne sage: “Phase vier – Bestrafung der Unschuldigen”. Beim Bulgaren hat man damit schlechte Karten. Der ist dieses Verhalten gewohnt – und ignoriert es einfach. Damit ist der Deutsche regelmäßig überfordert, wenn er ignoriert wird, der dann rasch von einem ablässt. So auch in diesem Fall. Die Musiker aus Bulgarien wurden von der Lufthansa samt ihren Instrumenten befördert. Bevor ich’s vergesse: die Lufthansa ist Jerry auch dadurch aufgefallen, dass es das meiste auf der Karte nicht gab. Etwas, von dem man dachte, es sei mit der Interflug untergegangen. Doch zurück zum Konzert in Montana, das von dem Amerikaner Roland Davis dirigiert wurde. In Amerika hat man die Zeichen der Zeit offensichtlich erkannt. Die ersten von ihnen sind schon hier. Dirigieren konnte Roland Davis auch ganz gut. Für Jerrys Geschmack etwas zu amerikanisch, also zu dynamisch und mit zu viel Schwung. Für mich war das OK. Und der Roland kommt auch noch drauf, dass zu dynamisch und mit zu viel Schwung in Bulgarien nicht das richtige ist. Spätestens wenn er die zur Verfügung stehenden Kalorien mit seinem Verbrauch abgleicht.
Fotos&Text TaxiBerlin