Zurück in Bulgarien (057) – “Unterm Sonndendach”
Sonnendach mit Ausblick
Heute beim Mittagessen bei meinen Nachbarn unterm Sonnendach fiel mir der Traum ein, den ich vor gut vierzig Jahren hatte. Dieser Traum war wenn man so will meine Antwort auf die Frage, ob ich in den Westen gehen soll oder nicht. Im Traum sah ich mich unter einem Sonnendach aus Weintrauben in Bulgarien sitzen und den Spiegel lesen. Ähnlich obigem Sonnendach, unter dem ich heute Mittag bei meinen Nachbarn zum Essen saß. Im Traum war es das meiner bulgarischen Verwandten in einem kleinen Dorf auf dem flachen Land. Der obige Ausblick auf das Gebirge fehlte dort also. Zurück zum Spiegel, den ich damals noch nicht gefunden hatte in Bulgarien. Trotzdem war ich mir sicher, dass ich ihn finden würde. Dass ich mir dessen sicher war, lag vor allem daran, dass ich bereits die Süddeutsche gefunden hatte. Die Süddeutsche Zeitung gab es im sozialistischen Bulgarien am Zentralen Hauptbahnhof in Sofia an einem kleinen Kiosk für viel Geld zu kaufen. Ich war Teenager, vielleicht 15 oder 16 Jahre alt, und hatte zuvor noch nie die Süddeutsche in der Hand gehalten, im Gegensatz zum Spiegel. Beides waren damals für mich als “Kind der DDR” wirkliche Offenbarungen. Für mich stand fest, dass, wenn ich schon nicht in den Westen gehe, sie eines Tages unterm Sonnendach dann in Bulgarien lesen, ach was sage ich, regelrecht studieren würde. Dass ich irgendwann einmal aus Notwehr gegen Presseorgane wie den Spiel und die Süddeutsche von Bulgarien aus anschreiben würde, gegen den täglichen Unsinn, die falsche, verlogene und tendenzielle Berichterstattung – das hätte ich mir nie träumen lassen. – Das Leben ist voller Überraschungen und überraschenden Wendungen. Auf jede von ihnen freue ich mich bis heute Tag für Tag aufs Neue.
Foto&Text TaxiBerlin