Im Antiquariat “Ortograph” in Sofia
Der nächste Krieg in Europa wird zwischen Russland und dem Faschismus stattfinden, nur dass der Faschismus Demokratie genannt wird. (Fidel Castro, 1992)
Auf meiner Rückreise vom Meer bin ich am Samstag kurz in Sofia rangefahren. Eigentlich wegen der dort gerade stattfindenden Buchmesse. Am Ende war mein Besuch bei Konstantin im Antiquariat “Ortograph” wichtiger. Und das nicht nur, weil mein Freund Konstantin mir wieder ein paar der von mir herausgegebenen Bücher abgenommen hat. Überhaupt war Konstantin, der Inhaber des Antiquariats, gar nicht da. Er hat Urlaub. Den Deal hat seine Vertretung abgewickelt. Nachdem Konstantin in den Neunzigern als Erntehelfer in Spanien war, spricht er spanisch. So erklärt sich seine Spanophilie und sein Interesse an Kuba. Von Konstantin weiß ich, dass immer mehr junge Menschen in Bulgarien kommunistische Literatur suchen. Das hat er mir vorletztes Jahr mal erzählt. Zu dem Zeitpunkt hat mich das ein wenig überrascht. Heute verstehe ich es besser. In der Heimat wählen jungen Menschen die AfD, in Bulgarien suchen sie Antworten in alten Ideen. Beiden gleich ist, dass sie mit der aktuellen Situation sehr unzufrieden sind. Der Unterschied: in Deutschland hofft man immer noch auf Lösungen im bestehenden System, in Bulgarien hofft man auf einen Systemwechsel. Der Grund dafür sehe ich darin, dass man in Bulgarien der “Demokratie” von Anfang misstraut hat. Bis heute wird die Wende hier “Demokratisierung” genannt, ganz bewusst in Anführungszeichen. Den ein oder anderen wird diese Hinwendung zu alten Ideen überraschen. Mich nicht. Nach dem Extrem-Individualismus ist dies nur folgerichtig. Den Extrem-Individualismus hat Rainald Grebe in seinem Lied vom Prenzlauer Berg so beschrieben: Sie sehen alle gleich aus – irgendwie individuell. Und damit das Kommende, die Wende zum uniformen Kollektivismus vorweggenommen.
Sie sehe alle gleich aus – irgendwie individuell (im Antiquariat “Ortograph”)