Bericht aus Bulgarien (284) – “Sein, wie man ist vs. ordnungsgemäßem Tragen & Verhalten”
Sie lassen mich sein, wie ich bin
(unter Garantie und auch mit schwarzen Socken)
Nicht nur Bulgarien ließ mich immer so sein, wie ich bin, ich erwähnte das hier, sondern auch Tiere. Das ist mir einmal mehr im “Tal der Esel” im Süden Bulgariens nahe der Grenze zu Griechenland klar geworden, wo es nicht nur Esel, sondern auch Hunde, Katzen und Hühner gibt. Dass es in Deutschland anders ist, daran hat mich mein gestriger Besuch in einem Second-Hand Geschäft für Klamotten erinnert. Bulgarien hat zwar nicht die von mir geliebten deutschen Flohmärkte, dafür aber jede Menge Second-Hand Geschäfte mit Kleidung aus Deutschland. Viele der Klamotten, die es hier “für’n Appel und ‘n Ei” gibt, wurden bei meiner Abreise aus Deutschland auf Berliner Flohmärkten noch für viel Geld als “Retro” oder “Vintage” angeboten. Oft ist die Kleidung ungetragen, wie die schwarzen Strümpfe weiter unten, auf die es sogar Garantie gibt, aber nur “bei ordnungsgemäßem Tragen” – so steht es auf dem Etikett. Dazu muss man wissen, dass es in Bulgarien traditionell keine Garantie gibt. Sind es in Deutschland zwei Jahre, sind es in Bulgarien zwei Meter, und zwar vom Geschäft, aber nur, wenn man wirklich ganz großes Glück hat. Der Bulgare sagt bis heute gerne “Garanzija? – Franzija!”, was heißt, wer Garantie will, muss nach Frankreich gehen. Dass es nur “bei ordnungsgemäßem Tragen” Garantie gibt, das gibt es, so denke ich, nur in Deutschland. Früher musste dies dem Kunden in der Heimat mittels Etikett “Schwarz auf Gold” mitgeteilt werden. Heute hat der Deutsche nicht nur das “ordnungsgemäße Tragen” von Socken, sondern das “ordnungsgemäße Verhalten” an sich so verinnerlicht, dass es ihm niemand mehr sagen muss. Und wenn doch, dann wird immer gleich die Nazikeule herausgeholt. Unter dem tut es der Deutsche nicht. Wenn ich das hier Bulgaren erzählt habe, dann glaubten sie mir das nie, weswegen ich es aufgegeben habe. Jetzt verbringe ich meine Zeit lieber mit Tieren. Denen muss ich nichts erklären. Und ich kann unter Garantie so sein, wie ich bin.
Ordnung muss sein – auch beim Sockentragen
Fotos&Text TaxiBerlin