Bericht aus einem gebrochenen Land (067)

Vandalismus nicht auf einer Toilette irgendwo in den Schluchten des Balkans, sondern in der Zentrale des deutschen Irrenhauses, im Herzen der freien Welt am Potsdamer Platz, und das im Wochentakt. Andererseits: nicht nur die Toiletten in der Deutschen Kinemathek, dem Museum für Film und Fernsehen in der Potsdamer Straße 2, sind nicht mehr in dem Zustand, wie sie sein sollten, sondern das gesamte Land. Aber gut, glaubt man Schumpeter, baut jede ökonomische Entwicklung auf dem Prozess der schöpferischen Zerstörung auf. Nun versteht man unter Vandalismus zwar keine schöpferische Zerstörung, sondern blinde Zerstörungswut, aber das macht nichts. Denn es geht darum, dass wir uns daran gewöhnen, dass nichts mehr so ist, nicht wie früher, sondern so wie es sein sollte.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (066)

Ruhe ist erste Bürgerpflicht, nicht nur in Ruhleben. Ruhe alleine reicht aber nicht mehr aus. Seit einiger Zeit muss man auch immer öfter viel Geduld haben. Tendenz weiter zunehmend. Beispielsweise beim Warten auf einen Handwerker. Und das, obwohl bereits alle Handwerker aus den Schluchten des Balkans in Berlin sind, nachdem zuvor schon die aus Polen alle Hände voll zu tun hatten hier. In der Krankenpflege sieht es kaum besser aus. Aber es hätte schlimmer können, wie man in Bulgarien sagt. Auch hier trifft die balkanische Weisheit zu. Stell dir vor, du bist Pole oder Bulgare und brauchst einen Handwerker oder eine Pflegekraft. Dann bist du besser beraten, selbst geduldig ein Handwerk oder die Altenpflege zu erlernen. 

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Bericht aus einem gebrochenen Land (065)

Das Leben ist bunt – in Berlin keine Selbstverständlichkleit

Die Berliner sind für ihre chronisch schlechte Laune bekannt. Sie ist sozusagen ihr Markenzeichen. Die schlechte Laune der Berliner ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass es zu viele von ihnen gibt und sie darüber hinaus auf zu wenig Raum aufeinander hocken. Das macht nicht nur schlechte Laune, sondern auch aggressiv. Manch ein Berliner ist allerdings der Meinung, er könne in der Stadt auch noch Pflanzen anbauen und Tiere halten und alle Bewohner damit ernähren könne. Wenn diejenigen den großen Garten meiner Nachbarin Oma Bore in Bulgarien kennen würden, mit dem sie immerhin sich und ihre Familie ernährt, würden sie sogleich begreifen, dass ihre Idee nicht nur unrealistisch sondern einfach bescheuert ist. Die ersten haben dies wohl auch schon eingesehen, immerhin der Imkerei-Boom ist in Berlin vorbei. Oder mit anderen Worten: die blöden Bienen sind dem Berliner wieder egal. Genauso verhält es sich mit den Flüchtlingen, fällt mir gerade ein, zumindest in Pankow. Dort sind Bäume wichtiger als Flüchtlinge. Doch zurück zur schlechten Laune der Berliner und weiteren Gründen dafür. Neben dem Aufeinanderhocken ist es die fehlende Sonne, die auch zu einem Mangel an Vitamin D führt, der wiederum zu Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen, aber auch Müdigkeit bewirkt, oder eben schlechte Laune. Kurz noch ein Vergleich zu Bulgarien, um die Größenordnung zu verdeutlichen. 1.746 Sonnenstunden und 106 Regentage im Jahr in Berlin stehen 2.261 Sonnenstunden und nur 68 Regentage in Varna am Schwarzen Meer gegenüber. Ein Meer fehlt Berlin, und natürlich auch die Berge, von denen es in Bulgarien so einige gibt, die dort für gute Laune sorgen und ein Aufeinanderhocken praktisch verunmöglichen.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (064)

„Unnützer Mensch“ in Berlin

Heute soll Cannabis legalisiert werden. Höchste Zeit, denn immer mehr Menschen haben immer mehr Gründe sich zu betäuben, und das permanent. Die Droge könne zu „Psychosen“ („nebenwirkungsfrei“ hört sich anders an) führen, so ein Arzt im öffentlich/rechtlichen InfoRadio. Der Gesundheitsminister (ist er nicht auch Arzt?), der weder gesund aussieht noch sich gesund anhört, sprach zuvor von einer „Megakontrolle“ im Zusammenhang mit Cannabis. Ich verstehe ihn so, dass sicher gestellt werden muss, dass genug Stoff für alle da ist. So wie es der israelische Historiker und Dozent an der Hebräischen Universität von Jerusalem Yuval Noah Harari bereits vor Jahren gefordert hat. Harari ist ein gefragter internationaler Redner und wurde schon mehrfach von Klaus Schwab zum World Economic Forum (WEF) nach Davos eingeladen. In einem Interview sagte er, dass die wichtigste Frage für Politik und Wirtschaft sein würde, was man mit all diesen „unnützen Menschen“ (useless people) macht. Harari empfiehlt „eine Mischung aus Drogen und Computerspielen“. Ein Computerspielzeug hat mittlerweile jeder, und zwar ständig in seinen Händen. Es heißt Smartphone. Heute kommt die Droge hinzu.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (063)

Dass es sich niemand mehr leisten kann in Berlin umzuziehen und deswegen der größte Vermieter von Umzugswagen, „Robben & Wientjes“, bereits dicht machen musste, darüber hatte ich hier geschrieben. Dass niemand mehr etwas zu verschenken hat in der Zentrale des deutschen Irrenhauses, das ist jetzt auch nicht neu. Neu ist, dass selbst die Kartons, in denen der Berliner dieses Nichts, das er zu verschenken hat, vor seiner Haustür abstellt, auch nicht mehr zu verschenken sind.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (062)

Es gibt auch Positives und Gutes aus Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses, zu berichten. Beispielsweise das gerade auf dem Mittelstreifen am Potsdamer Platz, dem so genannten Boulevard der Stars, stattfindende Taxifilmfest. Organisiert wird das parallel zur UBERlinale stattfindende alternative Festival, auf dem in obigem Großraumtaxi Taxifilme gezeigt werden, vom Berliner Taxifahrer Klaus Meier, der dabei von weiteren Kollegen unterstützt wird. Das Medieninteresse ist groß an dem kleinen Taxifilmfestival, alleine gestern waren Journalisten vom RBB, der taz, dem Tagesspiegel und der New York Times da. Woher ich das weiß? Weil auch ich vor Ort war, und das den ganzen Abend lang. Gemeinsam mit meinen ehemaligen Kollegen habe ich mir im Taxi eine einstündige Reportage von 1980 über Taxifahrer in der Stadt Toronto in Kanada angesehen und erfahren, dass die Weisheit von Taxifahrern daher rührt, dass sie ständig unterwegs sind, was ich bestätigen kann. Also das mit dem unterwegs sein. Ob es in jedem Fall zur Weisheit führt, kann ich nicht sagen. Dass dies prinzipiell möglich ist, soweit würde ich aber schon gehen. Nach dem Vorfilm über Taxifahrer in Toronto stand der Klassiker „Taxidriver“ aus dem New York von 1976 von Martin Scorcese, der gerade in Berlin ist, auf dem Programm. Obwohl ich, und mit mir alle anderen im improvisierten Taxikinosaal auf dem Boulevard der Stars, den Film schon mehrfach gesehen haben, sah ich ihn gestern mit anderen, ganz neuen Augen. Ich verstand den Kollegen Travis Bickle alias Robert De Niro noch einmal viel viel besser. Warum er böse wird, sich all die Waffen kauft und am Ende durchdreht. Auch wenn er zum Schluss genau deswegen als Held gefeiert wird, kann ich persönlich vom böse werden nur abraten. Das ist zugegeben nicht immer leicht, gerade in diesen Tagen, und insbesondere wenn die Alternative zum böse werden das krank werden ist. Trotzdem sollte man es jeden Tag immer wieder aufs Neue versuchen. – So viel zum Taxifilmfestival auf dem Potsdamer Platz, das heute weiter geht und wie die Berlinale am Sonntag mit einer Preisverleihung endet. Zum Schluss noch ein paar Fotos von gestern über das Filmfestival und was sonst noch in Berlin geschah.

Der Rote Teppich darf nicht fehlen

Kollege Klaus Meier lädt zum „Taxidriver“ ein

Der Kinosaal ist ein Großraumtaxi auf dem Potsdamer Platz
In Toronto / Kanada

Blaulicht und Rote Karte für Uber

Und dann noch die „Free Assange“ Demo am Brandenburger Tor
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Bericht aus einem gebrochenen Land (061)

Was sich nach fernem Balkan anhört, spielt sich gerade in Deinem Wohnzimmer ab. Recherchiert haben auch keine Bulgaren, sondern das öffentlich/rechtliche InfoRadio des RBB. Dort hat man nun endlich auch das herausgefunden, was Taxifahrer in Berlin bereits seit vielen Jahren sagen, und zwar dass es bei Uber und Co nicht mit rechten Dingen zugeht. Bemerkenswert ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe, immerhin ist Uber zum zweiten Mal in Folge Sponsor der gerade stattfindenden UBERlinale. Laut dem RBB sollen mindestens 1.000 Fahrzeuge von Uber, Bolt und Co illegal in der Zentrale des deutschen Irrenhauses unterwegs sein. Experten wie der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Tino Schopf sprechen sogar von 2.000 illegalen Fahrzeugen. Dazu muss man wissen, dass es offiziell nur 4.300 Mietwagen in Berlin gibt. Als wenn das alles nicht schlimm genug wäre, weist das öffentlich/rechtliche InfoRadio darauf hin, dass Fahrgäste, die in einem Mietwagen ohne gültige Konzession zu Schaden kommen, nicht versichert sind. In Bulgarien sagt man in einem solchen Fall: „Garanzija – Franzija“, also wenn man Garantie will, muss man nach Frankreich gehen. Wobei Frankreich nur, weil es sich besser reimt als „Garanzija – Germanija“. Der Bulgare zieht es vor, nach Deutschland zu gehen, zumindest war das früher so. Richtiger wäre aber, hier in der Vergangenheitsform zu schreiben. Illegale Taxis, die den Namen Taxi nicht verdienen, gab es in Bulgarien zuletzt in den Neunzigern. Das aktuelle Geschehen in Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses, dürfte für den gemeinen Bulgaren vor allem eines sein – ein Déjà-vu.
PS: Im Interview mit dem RBB sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Tino Schopf, dass Uber den Preis der Fahrt vorgeben würde, wovon auch ich ausgehe. Offiziell macht das aber der Generalunternehmer Thomas Mohnke. Wie genau er das macht und wie viel er dafür bekommt, konnte, besser: wollte, er mir aber schon vor eineinhalb Jahren bei meiner Recherche „Wir haben den Leuten eine Lüge verkauft“ nicht verraten.

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