Bericht aus einem gebrochenen Land (060)

Am Straßenrand entsorgte Urinflaschen in Berlin

War bisher immer die Rede vom Fachkräftemangel, will man jetzt Hilfskräfte ins Land holen, und zwar indem man das neue Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung dafür nutzt: „Arbeitsagentur will 25.000 Hilfskräfte aus dem Ausland holen“. Ausbeutung von Amts wegen. Oder mit anderen Worten: Nachdem der letzte Arzt aus Indien nach Deutschland gelockt wurde, soll nun auch noch die Putzfrau folgen. Wer in indischen Krankenhäusern die Urinflaschen ausleert, das interessiert hierzulande mal wieder niemanden. Wer krank wird im Kapitalismus, ist selbst dran Schuld. Und überhaupt: Wie Kranke in Indien ohne Ärzte klarkommen, hat hierzulande auch noch nie jemanden ernsthaft gejuckt. Mein Tip an die Hilfskräfte: Bitte Urinflaschen aus Indien mitbringen. Die letzten deutschen Urinflaschen wurden in der Zentrale des deutschen Irrenhauses gerade auf der Straße entsorgt.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (059)

Wenn mich Leute fragen, was ich in Berlin mache, sage ich immer, dass ich hier überwintern würde. Vorher dachte ich, es wäre ein Unterschied, ob ich immer mal wieder etwas Holz in den Ofen werfen muss, damit die Hütte warm bleibt, wie in Bulgarien. Oder ob ich nichts tun muss, damit die Wohnung warm wird, ausser meine Rechnungen zu bezahlen, wie in Berlin. Es gibt einen Unterschied, aber umgedreht wie erwartet, so wie in Bulgarien immer alles umgedreht ist. Denn nun kann ich sagen, dass ich lieber immer mal wieder ein Stück Holz in den Ofen werfe, wenn mir dafür der Anblick von den vielen Stadtaffen hier in Berlin erspart bleibt. Man darf die Stadtaffen nicht mit den Mühseligen und Beladenen verwechseln. Deren Anzahl hat auf jeden Fall zugenommen und ihr Anblick spricht sogleich mein Mitleid und meine Helfermacke an. Schlimmer sind aber die Stadtaffen, denn die bereiten mir körperliche Schmerzen. Gestern auf dem Flohmarkt zum Beispiel, wo ich erneut meine Bücher verkauft habe, um bereits erwähnte Rechnungen bezahlen zu können, waren wieder viele Stadtaffen unterwegs. In aller Regel treten sie zu zweit  und sich unterhaltend an den Bücherstand heran. In der einen Hand halten sie ihren Kaffee und mit der anderen Hand blättern sie in einem Buch, wobei blättern das verkehrte Wort ist. Es ist eher eine Art Daumenkino, was sie veranstalten. Dabei schauen sie aber nicht ins Buch beziehungsweise ins nicht vorhandene Daumenkino, sondern ihren Gesprächspartner, den anderen Stadtaffen, ins Gesicht. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, erzählen sie dabei von unsäglichen Dingen, die ich gar nicht wissen will, die ich mir aber anhören muss, weil man nicht absichtlich weghören kann. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Sicher wie das Amen in der Kirche ist, dass die Stadtaffen keine Bücher kaufen, was auch besser so ist, wenn sie diese so lesen, wie sie darin blättern, also wie in einem Daumenkino. Meine Dosis an Berliner Stadtaffen ist langsam erreicht. Lieber Alte und Zahnlose in den Schluchten des Balkans als Stadtaffen, die besser den Mund gehalten hätten, auch wenn in ihm noch alle Zähne vorhanden sind.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (058)

Neulich sprach ich mit einem Berliner Bekannten, der für offene Grenzen ist. Ginge es nach ihm, solle jeder, der möchte und es sich leisten kann, kommen und bleiben können. Für ihn wäre das praktisch, weil er selbst sein zuhause nur ungerne verlässt. Und wenn alle kommen können, müsse er nicht mehr verreisen. Der Obdachlose mit Migrationshintergrund vor seiner Tür ging ihm dann aber doch irgendwann auf die Nerven. Warum, blieb unklar, wenn er selbst sein zuhause doch nur ungerne verlässt. Jedenfalls hat er den Obdachlosen vor seiner Tür vertrieben. Als er dies erzählte, sah er richtig traurig aus. Fast hätte er geweint. Und ich mit ihm. Denn er hat Recht. So Obdachlose liegen einem immer nur im Weg rum. Selbst wenn sie betteln, sind sie zu nichts zu gebrauchen. Gibt man ihnen nichts, fühlt man sich schlecht. Und gibt man ihnen etwas, fühlt man sich auch nicht besser. Was sollte der Berliner Bekannte anderes tun, als den Obdachlosen – Migrationshintergrund hin oder her – zu vertreiben. Jetzt liegt der Obdachlose nicht mehr vor seiner Tür, sondern auf der Straße. Ganz genau auf dem Bürgersteig. Vor einer anderen Tür. Einer Ladentür. Da liegt der Obdachlose gut, zumindest für den Moment. Denn der Laden hat zu. Wie lange er dort liegen kann, ist ungewiss. Das Versprechen, den Vertrag verlängern zu können, macht dem Obdachlosen mit Migrationshindergrund aber Hoffnung, nicht gleich wieder vertrieben zu werden.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (057)

Oft komme ich mir in Berlin wie im falschen Film vor, manchmal ist der Film auch eine Oper respektive Operette, gelegentlich auch ein Musical. Dass ich den Eindruck habe, im falschen Film, Oper, Operette, Musical zu sein, liegt daran, dass es schwer geworden ist in der Zentrale des deutschen Irrenhauses, noch normale Leute zu treffen. Denn die allermeisten vertrauen immer noch den Verlautbarungen unserer Regierung. Im Gegensatz zu Bulgarien, wo ich viel Zeit verbracht habe in den letzten Jahren. Dort war und ist es bis heute ein Ding der Unmöglichkeit, jemanden zu finden, der der Regierung vertraut. Neuerdings gibt es nun auch hierzulande Zwischentöne. Gestern beispielsweise stellte jemand die Frage, ob dass denn erlaubt sei, dass anlässlich des Besuches des ukrainischen Regierungschefs Hubschrauber der Bundeswehr über Berlin kreisen würden, weil Einsätze der Bundeswehr im Inland verboten sind. Wenn das Motto der Bundeswehr „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst.“ wirklich stimmt, habe ich persönlich nichts gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Im Gegenteil – aber das nur nebenbei. Neben der Geschichte mit den Bundeswehrhubschraubern habe ich noch gehört, wie jemand meinte, dass in der Ukraine gar nicht um unsere Freiheit, sondern um Bodenschätze und natürlich die Kornkammer gekämpft werden würde. Meine Überlegung, ob ich das jetzt melden muss, wurde jäh durch die leise ausgesprochene Befürchtung unterbrochen, dass es auch bei uns bald Krieg geben wird. Das hat mich dann wieder an Bulgarien erinnert, wo diese Befürchtung bereits bei Kriegsbeginn vor zehn Jahren laut ausgesprochen wurde.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (056)

Nachdem es nicht nur im Portemonnaie der meisten Menschen, sondern auch im Haushalt unseres Landes immer mehr Löcher gibt, darf eine Ausstellung über „Schwarze Löcher“ natürlich nicht fehlen. Gerne auch auf Neudeutsch, wenn man schon thematisch den Ereignissen um Lichtjahre hinterher hinkt. Ich würde Ausstellungen über „Sondervermögen“ und nicht über „Schwarze Löcher“ organisieren. Wobei „Sondervermögen“ auch schon wieder Schnee von gestern sind. Wie wäre es mit einer Ausstellung mit dem Titel „Schulden“ und wozu Schulden, die keiner mehr bezahlen kann, in der Geschichte immer geführt haben.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (055)

In letzter Zeit habe ich sowohl über die öffentlich/rechtlichen Medien, als auch über die öffentlichen Verkehrsmittel geschrieben und bei letzterem den Fokus auf Obdachlose und Bettler gelegt, die sich die Türklinke in die Hand geben. In den öffentlichen Verkehrsmitteln sind aber auch andere Zeitgenossen unterwegs, wenngleich nicht überall. Während Obdachlose und Bettler überall anzutreffen sind, trifft man auf Junkies und Dealer eigentlich nur am Kottbusser Tor und am Hermannplatz. Gestern wurde ein Pilotprojekt gestartet: „Wir werden jetzt 24 Stunden sieben Tage die Woche zwei Reiniger unterwegs haben begleitet mit drei Sicherheitsstreifen“. Was als großer Erfolg gefeiert wird (O-Ton: „Ich finde das Konzept sehr gut!“), ist in Wahrheit eine Kapitulation und auch ein Armutszeugnis. (O-Ton ganz am Anfang des Beitrags: „Sauberkeit? Es gibt keine!“) Was ich empfehlen kann, ist die U-Bahn in Sofia. Die ist das genaue Gegenteil von den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin. Aber Vorsicht! Die U-Bahn in der bulgarischen Hauptstadt ist vom bösen Russen, also von Putin persönlich, gebaut.
Video RBB24
Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (054)

Aber kein Taxi vor der Tür

Die morgen in Berlin beginnende Berlinale hat vor einigen Tagen für Schlagzeilen gesorgt, weil sie zuvor eingeladene Politiker der AfD wieder ausgeladen hat. Der Grund ist eine zweifelhafte Recherche des umstrittenen Medienunternehmens Correctiv mit Sitz in Essen und einem weiteren Standort in Berlin. Der eigentliche Berlinale Skandal sind aber die nicht die Ausladungen, die ihrerseits ebenfalls umstritten sind, sondern das erneute Sponsoring des Internationalen Filmfestspiele durch das umstrittene Technologie-Unternehmen Uber aus dem Silicon Valley. Denn die Geschäftspraktiken der für Uber fahrende Mietwagenfirmen sind nicht nur umstritten, sondern befinden sich bereits im Bereich der organisierten Form der Schwarzarbeit. Dies ergab die nicht umstrittene Recherche des Politik-Magazins „Kontraste“ des öffentlich/rechtlichen RBB „Das Uber-System — Mit der App in die Armut“, die der Berlinale bekannt ist, wie eine Nachfrage ergab. Dass die Berlinale, die bereits rund drei Millionen Euro vom Bund, also von uns allen, bekommt, trotzdem an Uber als Hauptsponsor festhält, ist der eigentliche Skandal. Dieser Skandal ließ mich aber nicht die Axt aus dem Keller holen, sondern einen Bericht mit dem Titel „Die UBERlinale“ schreiben, der heute erschienen ist. Ob mein Bericht umstritten oder nicht umstritten ist, muss jeder für sich selbst herausfinden. Am besten, indem man ihn ließt, was nicht selbstverständlich ist. Denn wir leben in besonderen Zeiten, in denen Selbstverständliches nicht mehr selbstverständlich ist. Selbstverständlich ist heute, von nichts ’ne Ahnung aber zu allem ’ne Meinung, besser Haltung zu haben. Selbstverständlich immer die richtige.

Foto&Text TaxiBerlin