Bericht aus einem gebrochenen Land (032)

Das Motto „Antifa ist Liebe“ ist nicht neu, obiger Aufkleber schon. Er klebt an einer Litfasssäule am Boxhagener Platz, auf dem ich selbst schon einmal von selbsternannten Nazi-Jägern der Antifa, eher „Antifa“, als Nazi bezeichnet wurde. Eine spezielle Form der „Liebe“, frei nach dem Motto: „Wer Nazi ist, bestimme ich!“ Einer der selbsternannten Nazi-Jäger, am Ende waren es zehn, unter ihnen auch eine junge Frau, trug eine Bomber-Jacke mit der Aufschrift „Nazi Hunter“. Es war wie in einem Stück von Samuel Beckett. Fast hätte ich gelacht, wenn die Bedrohung, die von der Truppe ausging, nicht so real gewesen wäre. Dies Bedrohung wurde kürzlich konkretisiert, als eine „Demo gegen Rechts“ in Aachen hinter einem Plakat mit der Aufschrift „AfDler töten. Nazis abschieben!“ her marschierte. „Liebe deinen Nächsten“ klingt irgendwie anders, wobei der ganze Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ lautet. So viel Zeit muss sein, ich hätte auch nur „AfDler töten.“ schreiben können, aber gefordert wurde nicht nur AfDler zu töten, sondern auch Nazis abzuschieben, übrigens von der „Antifa“ – von wem sonst?! Ich für meine Person, die von der „Antifa“ bereits als „Nazi“ bezeichnet wurde, muss nicht mehr abgeschoben werden. Ich habe mich bereits in Sicherheit gebracht, oder auch „evakuiert“, wie man in Bulgarien sagt. Was den Aufruf zum „AfDler töten.“ angeht, auch hier dürfte gelten: „Wer AFDler ist, bestimmen wir!“, so kann das Töten von Andersdenkenden keine große Sache sein, wenn Menschen in großer Anzahl auf Demonstrationen hinter einer solchen Forderung her marschieren. Vielleicht werden sich bald Särge auf den Straßen stapeln, voll mit Leichen, die zu viel „Liebe“ der „Antifa“ abbekamen, besser „mangelnde Eigenliebe“ oder gar „Selbsthass“. Ein nicht ganz unvertrautes Bild, die sich stapelnden Särge.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (031)

Das ist kein verlassenes Obdachlosenquartier in irgendeiner Industriebrache am Rande Berlins. Dieses aufgegebene Wohnzimmer unter einer S-Bahn-Brücke befindet sich nur zwei Minuten von meinem entfernt im zentralen Szene-Bezirk Friedrichshain. Die Einschläge kommen näher, nicht nur für mich. Neulich fragte ich eine Kollegin und selbständige Unternehmerin, wie das Taxigeschäft in unserer Stadt laufen würde. Die Antwort: „Wenn mein Mann nicht das Geld verdienen würde, könnte ich die Miete nicht bezahlen, und das schon seit einiger Zeit.“ Nicht wenige denken immer noch, dass derjenige, der auf Straße lebt, selbst dran Schuld wäre. Andere meinen sogar, es handele sich dabei um einen selbstgewählten „alternativen“ Lebensstil. Das französische Wort „Clochard“ klingt ja auch irgendwie romantisch. Der deutsche Begriff „Penner“ schon weniger. Tauschen möchte niemand freiwillig, aber immer mehr müssen es. Sieht man von den Super-Reichen ab, deren Gewinne insbesondere in den letzten Jahren exorbitant hoch waren, ginge es nach ihnen, könnte es permanent Krisen, Kriege und Pandemien geben, verzeichnen eigentlich nur noch „Unternehmen“ wie die „Tafel“ ähnlich hohe Zuwächse. Im vergangenen Jahr sind bis zwei Millionen Menschen auf regelmäßige Unterstützung durch sie angewiesen gewesen. Alleine im Jahr 2023 kamen 50 Prozent mehr „Kundinnen und Kunden“ hinzu. Wer nicht weiß, was es bedeutet, zur „Tafel“ gehen zu müssen, dem empfehle ich das Buch „Schamland“ von Stefan Selke, seines Zeichens Professor für „Gesellschaftlichen Wandel“, das bereits vor zehn Jahren erschien. Nicht nur aus aktuellem Anlass kann ich es wärmstens empfehlen. Denn es ist nicht so, dass es keine Informationen geben würde über prekäre Lebensverhältnisse, immer öfter auch im Wohnzimmer nebenan. Und es solle auch niemand sagen, er hätte mal wieder von nichts gewusst.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (030)

Zuhause in Berlin
Leben wie Gott in Frankreich. Links das Fast Food. Rechts der Mülleimer. Natürlich wäre es besser, der Mülleimer würde direkt neben dem Fast Food stehen. Andererseits ist immer nur Kuchen essen auch keine Lösung. Der Rolli hinterm Kopfkissen dient dem Toilettengang. Die ist nämlich auf der anderen Straßenseite.
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Bericht aus einem gebrochenen Land (029)

Prenzlauer Allee, früher Prenzlauer Berg – heute Pankow

Dass Deutschland sterben soll, scheint die Besucher dieser Lokalität im Prenzlauer Berg nicht zu interessieren. Was in Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses, für normal gehalten wird, gilt nicht automatisch auch im Rest der Welt für normal. Das Gegenteil ist der Fall, und wer nur ein wenig rum gekommen ist in der Welt, weiß das. Ich für meinen Teil beispielsweise habe weder in Bulgarien, noch in den Vereinigten Staaten ähnliche Parolen an den Wänden gesehen. An „USA, Du mieses Stück Scheiße!“ oder „Vereinigte Staaten verreckt!“ kann ich mich nicht erinnern, genauso wenig wie an ein „Nie wieder Bulgarien!“ oder „Bulgarien muss sterben!“. Man stelle sich einen US-Präsidenten oder auch nur den Präsidenten Bulgariens vor, der Vaterlandsliebe nur zum Kotzen findet, und der darüber hinaus mit den Vereinigten Staaten oder eben mit Bulgarien noch nie etwas anzufangen wusste und es bis heute nicht weiß. Das käme keinem Bulgaren in den Sinn und würde selbst Sleeping Joe nicht mal im Traum einfallen. Dass der Deutsche so aufs Untergehen, Verrecken und Sterben steht, erkläre ich mir so, dass er sich selbst wie ein Stück Scheiße fühlt. Das ist nicht schön. Scheiße ist braun und stinkt. Das dumme an der Geschichte ist, dass der Deutsche eigentlich nur geliebt werden möchte, so wie jeder andere Mensch auch. Um von anderen geliebt zu werden, muss man zuerst sich selbst lieben können. Dass dies dem Deutschen nicht gegeben ist, oder vielleicht sollte man besser sagen, dass er nicht den Mut hat, sich die Freiheit zu nehmen, sich selbst zu lieben, ist seine größte Tragik und am Ende auch sein Untergang.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (028)

Erfahre gerade vom ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg, das ich nur deswegen lese, um zu wissen, was ich heute wieder denken soll, folgendes: Erstens, dass wir reden, reden und verdammt nochmal reden müssen, auch mit Rechtsextremen wie Björn Höcke. Das ist zumindest die Sichtweise einer Frau aus dem Osten. Ob es die zahlreichen „Demonstranten gegen rechts“ genauso sehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Genauso wie die Frage, ob Jessy Wellmer eine „stabile Ostdeutsche“ ist. Was ich weiß, ist, dass es heute lediglich Gratismutes bedarf, um auf die Straße zu gehen, und dass „stabil“ in Bulgarien ein gerne benutztes Wort im Zusammenhang mit Personen ist, beispielsweise bei „stabile Frau“ (auf bulgarisch: „stabilna shena“). Doch zurück zum Spiegel, wo ich Zweitens erfahre, dass die Briten nicht nur am Limit, sondern darüber hinaus auch noch arm trotz Job sind. Was für ein Glück, dass wir in Berlin leben, wo zwar die meisten depressiv aber niemand am Limit und schon gar nicht arm trotz Job ist. Drittens erfahre ich, dass eine 43-jährige Komikerin, die ich nicht kenne, besonders stabil scheint sie mir nicht zu sein, ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat. Auch wenn ich nicht weiß, warum ich das wissen muss, versuche ich es mir trotzdem zu merken.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (027)


Wenn die Menschen mal nicht apathisch auf ihr Smartphone glotzen, wie ich es in meinem letzten Beitrag beschrieben habe, schauen sie meist ziemlich mürrisch drein, was ich nicht verstehe. Sicherlich, es gibt gute Gründe, schlechte Laune zu haben. Im Moment liefert die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) mit ihrem Streik so einige. Der soll, so sagt es das öffentlich/rechtliche InfoRadio im Titel einer Meldung, „der längste in der Geschichte“ sein. In der Meldung selbst wird dann allerdings festgestellt, dass es 2015 einen Bahnsteik gab, der noch länger war. Das sind Dinge, die mich stutzig machen. Nicht der berechtigte Streik der Gewerkschafter, nachdem sich ihre Manager Millionen genehmigt haben, „obwohl die Deutsche Bahn ihre Ziele für Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit verfehlte“. Überhaupt ist stutzig zu werden nicht gleich depressiv sein. Depressiv zu sein ist aber gerade in Mode. Und wer es nicht ist, sollte es schleunigst werden. Dann ist er weg ist von der Straße und von den nicht funktionierenden öffentlichen Verkehrsmitteln. (Im besten Fall ist er dann auch weg vom nicht funktionierenden öffentlich/rechtlichen Rundfunk, erlaube ich mir hinzufügen.) So verstehe ich die Werbekampagne für Depressionen, die mit dem Mann Steffen und der Frau Sarah ihren Anfang nahm. Weitere Geschlechter werden mit Sicherheit demnächst folgen.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (026)

Obiges Foto entstand heute in der U-Bahn. Berlin gleicht immer mehr San Francisco, einer Stadt im Niedergang. Wer lange nicht Öffentliche gefahren ist, sollte dies unbedingt tun. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür. Da die S-Bahn gerade nicht fährt, sammeln sich die Mühseligen und Beladenen in der U-Bahn. Dass einer von ihnen schlafend auf dem Boden liegt wie auf obigem Foto, ist die Ausnahme. Aber auch da gibt es eine Entwicklung. Früher lagen sie auf den Sitzplätzen und schliefen. Heute sitzen dort apathisch auf ihr Smartphone glotzende Fahrgäste, die mit den sich wiederholenden immergleichen Geschichten armer & hungriger Menschen überfordert sind. War es früher ein Bettler pro Fahrt, wenn überhaupt, sind sie heute im Minuten- wenn nicht gar Sekundentakt unterwegs, geben sich praktisch die Türklinke in die Hand. Touristen lassen sich davon genauso wie in San Francisco leider nicht abschrecken. Schade, das wäre zumindest ein positiver Nebeneffekt des Niedergangs, der vielleicht noch kommt.
PS: Die grüne Rossmann Tüte ist übrigens „Bio“ – falls das jemand interessiert.
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