Foto&Text TaxiBerlin
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Gestern war ich für einen Tag in Sofia, auch um mal was anderes als immer nur alte Leute und verfallende oder bereits in sich zusammengefallene Häuser zu sehen. Da ich zuvor im Radio von einem Protest vor dem Denkmal für die Sowjetische Armee im Herzen der bulgarischen Hauptstadt in Form von Zelten, was in Bulgarien Tradition hat, gehört hatte, habe ich mir diesen Protest angesehen und mit den Leuten vor Ort gesprochen. Insgesamt waren knapp zehn Zelte vor dem Denkmal aufgebaut und etwa genauso viele Protestierende saßen unter einem Sonnenschutz davor. Der Protest richtet sich gegen die Idee, das Denkmal für die Sowjetische Armee abzureißen und es irgendwo bei Dimitrowgrad unweit der Grenze zur Türkei in einem „Museum des Kommunismus“ wieder aufzubauen. Unter den Protestierenden war auch eine Frau um die Sechzig, die, wie sie mir erklärte, einige Zeit im Ausland gelebt hat, unter anderem auch in Deutschland. Auch wenn dies nicht in Berlin, sondern in Leverkusen war, wusste sie, dass es in Berlin drei Denkmäler für die Sowjetische Armee gibt. Der Protest weist mittels Plakaten auf den Umstand hin. Neben dem Ehrenmal der Sowjetischen Armee an der Straße des 17. Juni in West-Berlin (Foto), gab es auch Plakate von ähnlichen Denkmälern beispielsweise in Wien. Weder in Wien, noch in Berlin ist man bisher auf die Idee gekommen, diese Denkmäler abzureißen. In Sofia schon, was wohl auch zu dem Kapitel gehört, dass in Bulgarien vieles anders ist. Die Frau erklärte mir, dass der Protest zwar von der linken Koalition „Lewizata!“ und der Partei „Wiedergeburt“ organisiert ist, sie aber als bulgarische Staatsbürgerin und Einwohnerin von Sofia hier sei. Für den Erhalt des Denkmals ist sie, weil es ein Teil der bulgarischen Geschichte sei. Das Denkmal abzureißen ist für sie gleichbedeutend mit dem Umschreiben der Geschichte ihres Landes. In Berlin ist dies beispielsweise mit dem Palast der Republik geschehen, fällt mir gerade ein. Zum Glück gab es in „Erichs Lampenladen“ zu viel von dem gefährlichen Asbest, so dass der Abriss kein Umschreiben der Geschichte war, sondern nur zu unserer Sicherheit geschah.
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Wie viele Bulgaren war mein Vater ein großer Fan der Sommerdusche. Früher, als Kind und auch später als Heranwachsender, habe ich das nie verstanden. Was ist so toll an einer Sommerdusche, wenn ich zuhause im Bad eine richtige Dusche mit warmen Wasser rund um die Uhr habe? Spätestens seit ich selbst eine eigene Sommerdusche in Bulgarien habe, und die habe ich seit über 20 Jahren, verstehe ich meinen Vater viel besser. Und das, obwohl man so eine Sommerdusche nur von April bis Oktober nutzen kann. Und auch, wenn das Wasser nicht immer warm ist. Nach der Sauna spüle ich mich schließlich auch nicht mit warmem Wasser ab. Denn wenn ich auch nur etwas draußen gearbeitet habe, ist mir praktisch so warm wie nach der Sauna. Überhaupt halte ich tägliches Duschen für übertrieben, womit ich nicht alleine dastehe. Hat Wirtschaftsminister Habeck nicht neulich noch dasselbe gesagt? Warum täglich duschen, wenn man den ganzen Tag nichts anderes gemacht hat als vorm Monitor zu sitzen, und das vielleicht noch in einem klimatisierten Raum? Ich habe keine Klimaanlage. Meine Klimaanlage ist meine Sommerdusche. Und noch etwas ist anders. Mein Wasser ist weich. Dadurch verbrauche ich weniger, denn die Seife spült sich viel schneller raus. Man merkt das auch, wenn man Wäsche wäscht, dass man weniger Waschmittel braucht. Das harte, weil kalkreiche Wasser in Berlin ist für sensitive Menschen wie mich eine Zumutung. Aber das beste kommt noch bei meiner Sommerdusche, und das ist der Blick aufs Gebirge. Die Werbung für Irischer Frühling Deo und auch die für Irischer Frühling Duschgel ist ein Scheißdreck gegen meine Bulgarische Sommerdusche mit Ausblick.
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Auch in Bulgarien gibt es deutsches Brot, zumindest auf dem Etikett. Früher war deutsches Brot einfach nur gefärbtes bulgarisches Weißbrot. Die Bulgaren sind für ihr Weißbrot bekannt, genauer waren. Da es kaum noch gutes Weißbrot gibt in Bulgarien, kann es auch kein gutes gefärbtes deutsches Brot mehr geben. Das allermeiste Brot in Bulgarien heute ist genau das, was man in Amerika mit „a bunch of hooey“ bezeichnen, wobei „hooey“ eine nette Umschreibung für Bullshit ist. Und so ist es praktisch mit allen Dingen. So steht beispielsweise eine Marke auf dem Gerät, das man kaufen will, weil es billig ist, aber das Modell gibt es eigentlich gar nicht oder nur in Drittweltländern, wo sich niemand die Mühe macht, über Bullshit eine Rezension zu schreiben. So erfährt man nur gelegentlich und mit etwas Glück, was für einen Mist man da wieder angeboten bekommt. Ein anderes Beispiel sind die Energiekoeffizienten. Gibt es in der Heimat nur noch A oder B, dümmstenfalls noch C, geht es in Bulgarien erst bei F los. F ist hier das, was in Deutschland A ist. Aber das ist letztendlich ein Luxusproblem. Das Schlimmste ist das Essen insgesamt, denn das eingangs erwähnte Brot ist nur der Anfang. Die allermeisten Lebensmittel sind zwar wie das Brot billig, aber sind eben auch „a bunch of hooey“. Dabei geht es nicht nur um den Geschmack, der alleine deswegen nicht gut sein kann, wenn man sich die Inhaltsstoffe ansieht. Zum Glück bleibt man von der Zubereitung (noch) verschont. Vieles, was man in den Regalen der Supermärkte sieht, erinnert an die grünen Kekse, die in dem Film „Soylent Green – Die überleben wollen“ den Hungernden mit einem Bagger vor die Füße gekippt werden. Auch weil man Fleisch hier nicht essen kann, das Schweinefleisch zum Beispiel ist aus Deutschland herangekarrt und hat mit Fleisch nichts mehr zu tun, ernähre ich mich nur noch von Obst und Gemüse vom Markt. Im Winter gibt es Eingelegtes, allen voran eingelegten Kohl, der in Bulgarien traditionell viel gegessen wird. Auch Brot backe ich mittlerweile selbst. Das Problem dabei ist nicht, deutsches Brot zu backen, sondern überhaupt gutes Mehl zu finden. Lebt man wie ich nicht nur in der ärmsten Region Bulgariens, sondern ganz Europas, wo die Leute kein Geld haben, wird eben nur noch das Billigste vom Billigen, also „a bunch of hooey“, angeboten.
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Am Mittwoch ist am helllichten Tage in Sofia ein Attentat verübt worden. Ich hatte hier darüber berichtet. Auch der Deutschen Welle ist der Mord eine Meldung wert. Wie das Bulgarische Nationalradio nun berichtet, hat der bulgarische Premierminister heute ein Treffen mit Vertretern des Innenministeriums und der Sicherheitsdienste einberufen. Grund dafür ist neben dem Mord die gestiegene Zahl schwerer Straftaten im Land. Darüber hinaus will man eine russisch organisierte Kriminalität unter Kontrolle kriegen. Es wurden nur die Leiter der Sonderdienste und die Führung des Innenministeriums einbestellt. Ob auch Vertreter der Staatsanwaltschaft eingeladen waren, ist nicht bekannt. Der wichtigste Punkt kommt jetzt: Das Treffen findet auch vor dem Hintergrund des Massenwechsels der Polizeichefs der Regionalbüros im Land statt. Der bulgarische Innenminister begründet den Austausch von Personen mit schlecht geleisteter Arbeit und betont, dass es keine politische Säuberung sei. Genau das hatte ich in meinem Beitrag „Regeln umgehen im Tiefen Staat“ mit diesem Satz vorhergesagt: Einiges deutet darauf hin, dass es eine Vereinbarung gibt, die Leiter der Sonderdienste auszutauschen, und dass „die Namen mit der Botschaft geklärt werden sollen“.
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