Zurück in Bulgarien (006) – „Meine erste Woche“

Downtown Bulgarien
Das Ankommen in Bulgarien ist für mich immer das Schlimmste. Ich hatte hier bereits darüber geschrieben. Normalerweise brauche ich zwei Wochen zum Ankommen, mindestens aber zehn Tage. Jetzt ist eine Woche vorbei, ich bin noch nicht wirklich angekommen, habe aber schon alles erledigt, was ich mir vorgenommen hatte. Gestern früh begann dazu der letzte Akt. Am Montag bin ich bereits wegen dem Ölwechsel in der Werkstatt gewesen. Auf den Kühlwasserverlust angesprochen meinte der Maistor, er könne das heute nicht machen und auch morgen nicht. Ich solle am Mittwoch um 8:30 Uhr vorbeikommen, dann könne er mir sagen, ob er Zeit habe. Wenn er am Mittwoch keine Zeit hat, dann Donnerstag oder Freitag. Natürlich gibt es auch in Bulgarien Telefone, mit denen man anrufen kann. Aber manchmal kann man auch in Bulgarien nicht anrufen. Das ist wie mit der Gepäckaufbewahrung am Flughafen BER, die keine Gepäckaufbewahrung ist, sondern eine Lizenz zum Gelddrucken, die sich offiziell Service nennt. Pünktlich um 8:30 Uhr stand ich gestern in der Garage auf der Matte. Der Maistor war auch schon da. Ich hatte großes Glück, aber nicht nur weil der Maistor da war, sondern weil mein Wagen in dem Moment Kühlflüssigkeit verlor. Das tut er nicht immer. Und obwohl mein Wagen Kühlflüssigkeit verlor, war es nicht einfach für den Maistor, die Stelle zu finden, wo die Kühlflüssigkeit aus dem System entwich. Wäre in dem Moment keine Kühlflüssigkeit entwichen, wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, herauszufinden, wo sich die undichte Stelle befindet. Dann hätte ich heute wiederkommen können und vielleicht morgen nochmal. Ich hatte das schonmal. Da gab es unter der Motorhaube so komische Geräusche. Brachte ich den Wagen in die Garage, waren die Geräusche weg. Die Meister fühlten sich veralbert und dachte, ich höre Stimmen. Gab es dann doch ausnahmsweise mal das Geräusch, konnten sie es nicht zuordnen und bagatellisierten es. Das Ende vom Lied war, dass es irgendwann unter der Motorhaube eine kleine Stichflamme gab, und zwar an der Lichtmaschine. Von dort kam das Geräusch, genau von den Abnehmern, also den Kabelenden. In D hätte man vermutlich die ganze Lichtmaschine gewechselt. Nicht so in BG. Hier werden nur die Kontakte erneuert. Das geht auch in D. Wenn man einen guten Maistor hat, am besten einen bulgarischen. In der Regel weiß es der Maistor in D aber nicht, oder will es nicht wissen, weil er einem lieber was Neues verkauft, was weniger Arbeit macht und mehr Geld bringt. Die Kontakte zu wechseln ist aufwendig. Man muss den Wagen dazu anheben. Alleine das dauert. Dann muss man die alten Kontakte ausbauen und die neuen einbauen. In der Zeit hat man drei Lichtmaschinen gewechselt. Die wäre natürlich teurer gewesen, als das Wechseln der Kontakte, was mich 130 Lewa, also 65 Euro gekostet hat damals. Doch zurück zum Kühlwasserverlust, dessen Ursache vom Maistor gefunden war, weil der Wagen in dem Moment Kühlwasser verlor. Üblicherweise muss ich dem Maistor in BG sagen, was das Problem ist. Das Problem war ein Schlauch, der porös geworden war. Der wurde gewechselt vom Maistor, was keine fünf Minuten gedauert hat. Danach noch etwas Kühlwasser aufgekippt und fertig war der Lack. Gekostet hat die ganze Sache 30 Lewa, also 15 Euro. In D hätte ich die Werkstatt vermutlich nicht unter 100 Euro verlassen. In BG gab es am Ende noch ein nettes Gespräch mit dem Maistor, der wissen wollte, woher ich komme und was ich so mache. Das wichtigste war aber der Hinweis darauf, dass ich jederzeit wiederkommen kann, wenn ich etwas habe. Auch wenn ich mich über das Angebot freue, hoffe ich natürlich, dass ich es nicht so schnell in Anspruch nehmen muss. Aber man weiß nie, wie sich eine kleine Veränderung auf den Gesamtorganismus auswirkt. Ist beim Menschen nicht anders. Und Autos sind bekanntlich auch nur Menschen, nicht auf zwei Beinen zwar, aber auf vier Rädern.

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Zurück in Bulgarien (005) – „Heiße Berliner Luft“

Kühle bulgarische Gebirgsluft

Gestern war ich im Nachbarort wegen dem Ölwechsel, den ich letztes Jahr schon machen sollte. Zum Ausgleich dafür, dass ich ihn letztes Jahr nicht gemacht habe, wollte ich diesmal nicht nur den Ölfilter, sondern auch den Luftfilter wechseln lassen. Da man diesen bestellen musste, hatte ich mehr als vier Stunden Zeit. Ich rief bereits erwähnten Landsmann an, der in Berlin bei mir um die Ecke wohnt, wenn er nicht gerade so wie jetzt in Bulgarien ist. Dass er so viel in Bulgarien ist, hat damit zu tun, dass er mit einer Bulgarin zusammen ist. Gemeinsam haben sie eine Art Datsche im Wald, wo es weder Wasser noch Strom gibt. Der Begriff Datsche ist also eher mit Vorsicht zu genießen, Laube trifft es vielleicht eher. Jedenfalls leben sie dort wie die Hippies, allerdings ganz anders als die Hippies, die gegenüber von meiner Berliner Bohemen Bude wohnen. Die Hippies dort sind Party People, die Strom verbrauchen, als gäbe es kein morgen. Außerdem nehmen sie viel Raum ein und sind vor allem eins: laut. Ich gehe davon aus, dass sie sich den größten Teil ihrer Hirnmasse bereits vor Jahren weggekifft, weggesoffen und weggeschnifft haben. Die Hippies hier sind das genaue Gegenteil davon, weswegen ich sie anrief und fragte, ob sie Zeit hätten. Die hatten sie, obwohl sie gerade wie immer viel zu tun haben an ihrer Datsche, die diesen Namen nicht verdient. Kennengelernt habe ich das Paar vor jetzt zwei Jahren auf einer Ausstellung im Ort, auf der ich auch meinen englischen Freund Jerry, der am liebsten Deutscher wäre, kennengelernt habe. Die Ausstellung war nicht der Rede wert, aber deswegen geht man auch nicht auf Ausstellungen. Ich zumindest nicht, insbesondere nicht in Deutschland, wo Kunst seit vielen Jahren Alles oder Nichts bedeuten kann, in den allermeisten Fällen letzteres. Ich will ein aktuelles Beispiel geben, damit klarer wird, was ich meine. Ein Berliner Bekannter und nicht ganz unbekannter Künstler schrieb mir vor wenigen Tagen, dass auch er der Meinung sei, dass die Corona-Zeit in Deutschland aufgearbeitet werden müsste. Daraufhin schlug ich ihm vor, dies gemeinsam zu tun. Er hat, so wie ich, eine Seite im Internet. Meine Idee war, dass ich auf meiner Seite seinen Gesichtspunkt veröffentliche und er im Gegenzug meinen auf seiner, und dass wir unsere beiden Seiten miteinander verlinken, so dass jeder, den es interessiert, beide Standpunkte lesen kann. Erst hieß es von seiner Seite daraufhin, er schaffe es zeitlich nicht. Dann meinte er, er wüsste nicht, was er mir antworten solle, weil meine Argumentation unsachlich sei. Als nächstes schrieb er, dass es ihn überfordern würde, mit mir in eine öffentliche Diskussion zu treten. Am Ende blieb übrig, dass er diesen Dialog lediglich nicht öffentlich führen wolle. Dass er die Öffentlichkeit scheut, verstehe ich, denn für ihn steht etwas auf dem Spiel. Wie viel genau, kann ich nicht sagen, aber mit Sicherheit mehr als für mich. Für mich trifft das zu, was Marx über den Proleten gesagt hat: Ich habe nichts zu verlieren als meine Ketten – sieht man von meinem Auto ab, das nach dem Ölwechsel jetzt doppelt so viel Wert ist. Hahaha. Was die Aussage meines Berliner Bekannten angeht, dass die Corona-Zeit zwar aufgearbeitet werden müsste, was aber andere erledigen sollen, so hat sie keine Bedeutung, oder wie es mein Freund Dietrich einmal formulierte: Den Gutmenschen erkennt man daran, dass er, im Gegensatz zum guten Menschen, die gute Tat delegiert. Die Idee meines Berliner Bekannten und Künstlers war wie so vieles in der heutigen Kunst nicht so gemeint gewesen und am Ende mal wieder nur heiße Berliner Luft. Ein Grund, warum ich um Künstler seit einiger Zeit einen großen Bogen mache. Schon früher, als ich noch getrunken habe, bin ich in Berlin nur wegen dem Alkohol auf ihre Ausstellungen gegangen. Es soll aber auch Ausnahmen geben, die die Regel bestätigen. Von einer wusste gestern Paul zu berichten: Ein Berliner Künstler, der eine Karikatur von Karl Lauterbach mit ganz vielen Spritzen gemalt haben soll. Das fand unser Gesundheitsminister gar nicht witzig, weswegen er über Twitter dazu aufgerufen haben soll, das Kunstwerk zu zerstören. Ein schönes Verständnis von Kunstfreiheit, jetzt nicht von Paul, sondern von Karl. Den Landsmann Paul und seine bulgarische Partnerin Paula, wie ich die beide nennen möchte, sind die, die ich neben Jerry vor zwei Jahren auf einer Ausstellung hier in Bulgarien kennengelernt habe. Es ist also nicht so, dass ich gar nicht mehr auf Ausstellungen gehe, auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel. Ich gehe noch auf Ausstellungen, aber nicht der Kunst und schon gar der Künstler wegen. Ich gehe wegen den Leuten hin. Leute wie Jerry, Paul und Paula. Mit den beiden letzteren saß ich gestern in einem der zahlreichen Cafés im Ort, wo wir uns bei einem „Kurzem“, dem bulgarischen Espresso, drei Stunden lang ausgiebig unterhalten haben. Fast vier Monate waren sie hier, jetzt gehen sie wieder zurück nach Berlin, so wie vor zwei Jahren auch. Damals war es später geworden, vermutlich September, wenn nicht gar Oktober. Seinerzeit haben sie sich hier in Bulgarien die Impfung gekauft, was 250 Euro gekostet hat, wenn ich mich richtig erinnere. Auch ich hätte mir die Impfung kaufen können, mich aber dagegen entschieden. In meinem Beitrag „Bulgarien – die große Freiheit“ auf Multipolar habe ich darüber geschrieben. Paul und Paula haben sich die Impfung gekauft, um in Berlin ihre Ruhe zu haben. An die große Corona-Erzählung haben sie, genauso wie ich und die allermeisten Bulgaren, nie geglaubt. Auf den Trick mit der Solidarität sind Paul und Paula nicht hereingefallen, obwohl auch ihnen so wie allen echten Linken Solidarität wichtig ist. Allerdings Solidarität mit richtigen Menschen, – und nicht mit selbst ernannten Menschenfreunden, den Gutmenschen unter den Superreichen, die sich mithilfe ihrer nützlichen Idioten, Solidaritätsgläubige so genannte Linke, eine Goldene Nase verdient haben. Nach Berlin gehen sie, weil dort das Geld ist. Jedenfalls mehr als in Bulgarien, zumindest noch. Ansonsten geht ihnen die Stadt ähnlich wie mir auf die Nerven, allen voran der Leute wegen. Klar, auch in Bulgarien hat jeder seine Macke, genauso wie Paula, Paul und ich eine Macke haben. Aber die Macken der Menschen in der deutschen Hauptstadt sind besondere Macken. Auch in Sachen Macke gibt es einen deutschen Sonderweg, das ist keine Überraschung. Ebenso, dass aufgrund der deutschen Macke die Welt und mit ihr Bulgarien mit jedem Tag behämmerter wird. Die größte Macke der Menschen in der deutschen Hauptstadt ist ihre vorgespielte Kühlheit, hinter der sich Unsicherheit und Angst verbergen. Auf den ersten Blick sieht es immer so aus, als würden sie alle bemitleiden, die nicht so kühl sind wie sie, beispielsweise mich, Paul und Paula. Die Wahrheit ist, dass wir sie bemitleiden müssten, allen voran wegen ihrer Vereinsamung und Entwurzelung, wenn wir Zeit dazu hätten. Nicht nur, dass wir keine Zeit haben. Mit Mitleid ist diesen Menschen auch nicht geholfen. Sie müssen selbst den Schmerz fühlen. Das steht ihnen, davon bin ich fest überzeugt, noch bevor. Oder sie werden krank, was sie streng genommen schon sind. Dann bleibt eigentlich nur noch böse übrig. Auch böse sind sie bereits, denn nichts anderes ist ihre aufgesetzte Kühlheit. Praktisch sind sie schon tot, so wie permanent unterkühlte Körper am Ende einfach nur tot sind, tot sein müssen. Dass diese Leichen auf zwei Beinen den eigenen Tod sozusagen verpasst haben, liegt daran, dass der Tod aus ihrem Leben ausgeschlossen ist. Der Tod kommt dort nicht vor. Für sie ist der Tod ein Fehler, ein Fehler im System, in ihrem System. So krank sind diese Menschen. Genau darüber habe ich gestern mit Paul und Paula gesprochen. Kann man sich ein solches Gespräch unter diesen kühlen Menschen in einem Berliner Café bei einem Latte mit Hafermilch vorstellen? Wohl nicht. In Bulgarien sind sie normal. Auch am Nachbartisch in dem Café, in dem wir gestern saßen, wurden ähnliche Themen besprochen. Fast könnte man meinen, die Bulgaren wären alles Philosophen. Ganz so ist es nicht. Aber doch in dem Sinne, dass das Philosophieren auch die Vorbereitung auf den Tod ist.

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Zurück in Bulgarien (004) – „Aufbewahrt oder vernichtet“

Großes Service Theater

Einem „Protokoll zur durchgeführten Gepäckkontrolle“ in meinem Koffer entnehme ich, dass er einer Röntgenkontrolle der Luftsicherheitsbehörde unterzogen und danach einer weiteren Überprüfung zugeführt wurde, da Anlass zur Nachkontrolle bestand. Auf englisch liest sich das so: „Dear passenger, Your baggage was subjectet to an X-ray inspection by the aviation security authority an then subjected to a further inspection as to its safety beyond doubt.“ Ich erfahre, dass Gegenstände beanstandet wurden, da sie gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften verstoßen, die daraufhin aufbewahrt oder vernichtet wurden. Diese beiden Optionen gibt es. Das ganze auch wieder auf englisch: „The following items were removed because they were in breach of safety regulations and then stored or destroyed.“ So weit das Protokoll. Dann geht es mit einem Brief weiter, der auf deutsch mit „Sehr geehrter Fluggast“ und auf englisch mit „Dear Sir or Madam“ beginnt. Die Anrede „Sehr geehrter Fluggast“ könnte für meinen Anwalt interessant sein, wenn ich einen hätte. Als Antwort auf „Gebärfähige Körper“ hatte ich die Anrede „Schwanzträger“ beantragt, aber die Berliner Behörden arbeiten mittlerweile langsamer als die auf dem Balkan. Korrekt wäre also „Sehr geehrter Schwanzträger“, aber „Dear Sir“ lasse ich mir auch gefallen. Aus Blatt zwei, „Zusatzinformation bei aufbewahrten Gegenständen“, erfahre ich, dass ich zehn Tage Zeit habe, das Servicezentrum im Terminal 1 per e-mail zu kontaktieren, wenn ich beabsichtige, den entnommenen Gegenstand in den nächsten vier (im Schreiben 4) Wochen abzuholen und wann. Auf die Frage nach dem wann komme ich später zurück. Wichtig ist erstmal noch, dass die Aufbewahrung kostenpflichtig ist, dass bei der Abholung ein Entgelt von 35,00 € (inkl. MwSt.) je Gegenstand zu entrichten sind. Aufbewahrt werden von mir 2 x Powerbank, auf englisch 2 x Powerbank, wobei aufbewahrt der verkehrte Begriff ist – ist schließlich keine Gepäckaufbewahrung. Man hätte mich auch ausrufen können, dass ich mir die Zusatzakkus, die im Handgepäck komischerweise erlaubt sind, dort und dort abholen kann. Zeit genug war dafür. Dass man es nicht gemacht hat, ist Geldschneiderei – nichts anderes. Die gleiche Geschichte wie mit dem Wasser. Erst soll man’s aussaufen oder wegschmeißen, um es danach teuer zu kaufen. Das beste kommt aber noch. Da es sich um 2 x Powerbank handelt, gehe ich davon aus, dass sie 2 x 35,00 € für ihre Aufbewahrung haben wollen, denn das Entgelt ist je Gegenstand, wie sie in ihrem Brief freundlicherweise schreiben. Das schärfste an dem Protokoll ist, dass es keine Telefonnummer und keine Öffnungszeiten gibt. Das ist irgendwie gar nicht deutsch – eher balkanisch. In Bulgarien haben mich schon offizielle Briefe ohne Datum erreicht. Schwer zu sagen, was schlimmer ist. Briefe ohne Datum, oder Briefe ohne Telefonnummer. Jedenfalls kann ich da nicht anrufen und nachfragen. Andersherum will man von mir aber wissen, wann ich vorbeikomme. Der Balkan lässt schön grüßen. – Nachtrag: Gerade habe ich die Servicenummer vom Flughafen angerufen und folgendes erfahren. Das Servicezentrum im Terminal 1 hat keine eigene Telefonnummer. Man kann es also wirklich nicht anrufen. Es gäbe zwar eine Nummer mit einer Vorwahl von Frankfurt am Main, die man anrufen kann, wo man aber nicht weiter verbunden wird. Warum man sie anrufen soll, blieb unklar. Eine Information hat der Anruf der Servicenummer immerhin ergeben, und zwar dass das Servicezentrum im Terminal 1 Öffnungszeiten von Montag bis Sonntag tagsüber hat. Die genauen Zeiten habe ich vergessen. Ich werde jetzt erstmal eine e-mail schreiben und fragen, wie teuer die Aufbewahrung ist und wann ich vorbeikommen kann, wenn ich vorbeikomme. Sollten sie ernsthaft 2 x 35,00 € haben wollen, komme ich nicht vorbei. Dann können sie sich 2 x Powerbank, auf englisch 2 x Powerbank, sonstwohin stecken.

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Zurück in Bulgarien (003) – „Andere Baustellen“

Australien an der Decke
Nachdem das mit dem TÜV, der Versicherung und der Vignette erledigt ist, kann ich mich meinen anderen Baustellen widmen. Eine davon ist die Lehmdecke bei mir im Flur, von der etwa ein Quadratmeter in der Form von Australien herunter gekommen ist. Die Decke hatte irgendwann mal Wasser abbekommen, aber das ist lange her. Trotzdem war ich mir anfangs nicht sicher, ob Wasser nicht auch die aktuelle Ursache sein könnte, immerhin hat es in meiner viermonatigen Abwesenheit ununterbrochen geregnet in Bulgarien. Nachdem ich mit mehreren Menschen gesprochen habe, komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass die alte Lehmdecke aus Altersgründen herunter gekommen ist, wobei der frühere Wasserschaden eine Rolle gespielt haben mag, aber nicht die Ursache ist und es aktuell auch keinen Wasserschaden gibt. Ich habe noch nie mit Lehm gearbeitet, es soll aber nicht schwer sein, wie ich gestern erfahren habe. Man besorgt sich alten Lehm, was in Bulgarien kein Problem ist, weil jedes zweite Haus verfällt, und von diesen verfallenden Häusern die meisten aus Lehm sind. Diesem alten Lehm gibt man Wasser bei und schon hat man neuen Lehm. Das Problem ist, diesen neuen Lehm an die Decke zu bekommen. Ein Landsmann, der mit einer Bulgarin verheiratet ist, und der in Berlin bei mir um die Ecke wohnt, wenn er nicht so wie jetzt in Bulgarien ist, berichtete mir von einer Truppe Deutscher aus der Eifel, die gerade in Bulgarien unterwegs ist und alte Häuser auf traditionelle Weise repariert. Ganz genau soll es eine Sekte sein, aber das ist mir egal. Die Anonymen Alkoholiker halten viele auch für eine Sekte. Jedenfalls überlege ich jetzt dieses Truppe zu kontaktieren, um zu erfahren, ob sie mir in Sachen alter Lehmdecke weiter helfen kann. Ich hatte hier geschrieben, dass ich davon überzeugt bin, dass Menschen nach Bulgarien kommen werden. Die Vorhut ist schon hier. Ich könnte auch versuchen einen lokalen Maistor zu finden, was aber schwieriger ist, weil alle Maistors, die was können, im Ausland sind. In Bulgarien verblieben sind nur die Bash-Maistors, also die Fake-Maistors, wie beispielsweise Bobby, der Autos repariert. Zu Bobby muss ich, weil mein Auto weiterhin Kühlflüssigkeit verliert. Ich war deswegen schon einmal bei ihm, das war Anfang des Jahres. Bobby meinte damals, er könne nichts finden. Ich solle wieder kommen, wenn ich weiß, wo genau der Wagen Kühlflüssigkeit verliert, dann würde er sich drum kümmern. So könne er nichts machen. Eine solche Herangehensweise ist normal in Bulgarien, mein Zahnarzt hat dieselbe. Immer wenn ich zu ihm gehe, muss ich ihm sagen, was los ist mit meinen Zähnen und was ich denke, dass er machen soll. Mein Zahnarzt ist kein Fake-Zahnarzt, der ist richtig gut. So wie seine Mutter, mit der er sich die kleine Praxis teilt. Die ist auch richtig gut. Nachdem ich ihm gesagt habe, was ich mir denke, sagt er mir seine ehrliche Meinung und berät mich ausführlich, was immer Stunden dauert. Sein Behandlungsplan ist eng auf meine Geldbörse abgestimmt. Mein Zahnarzt will mir also nicht irgendwas verkaufen, was ich nicht unbedingt brauche, wie das in Deutschland der Normalfall ist. Ich habe absolutes Vertrauen zu meinem Zahnarzt, was ich über Bobby nicht unbedingt sagen kann. Gut, auch er will mir nichts verkaufen, was nicht unbedingt nötig ist. Das kann er nicht, weil er aus unserem Dorf ist und weiß, dass der Bürgermeister nicht nur sein Freund ist, sondern auch meiner. In einem Dorf, wo keiner Geld hat, spricht sich schnell herum, wenn einer einem unnötiges Zeug andreht. Typen wie Spahn oder Lauterbach hätten keine Chance hier, einfach weil sie keine Abnehmer für ihre blöden Masken und bescheuerten Impfungen finden würden. Obwohl Bobby ein Bash- also ein Fake-Maistor ist, versteht er mehr von Autos als Spahn und Lauterbach von Krankheiten zusammen. Überhaupt brauche ich ja immer nur neues Kühlwasser aufkippen und hoffen, dass es bald Winter wird. Im Winter ist der Verlust von Kühlwasser kein Problem. Auch im Sommer ist es eigentlich keins. Zur Not läuft man ein Stück. Auch die alte Lehmdecke, die bei mir im Flur herunter gekommen ist, ist an erster Stelle ein optisches Problem. Die Decke ist trocken, sie sieht einfach nur Scheiße aus. Dann schaut man einfach nicht hin. Ist doch ganz einfach, oder? Ich meine, wie viel Scheiße passiert Tag für Tag auf der Welt? Und selbst, wenn die Scheiße um einen herum passiert: Regt man sich immer gleich auf deswegen? Überhaupt gibt es schlimmere Scheiße als ein bisschen alte Lehmdecke, die herunter gekommen ist oder ein Kühlsystem, das Kühlflüssigkeit verliert. Wenn das ganze System den Bach runter geht, stört das ja auch keinen. Ist doch so, oder.
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Zurück in Bulgarien (002) – „Ankommen“

Beim bulgarischen TÜV

Das Ankommen in den Schluchten des Balkans ist immer das Schlimmste für mich. Es fängt damit an, dass mir das Fliegen tierisch auf die Nerven geht. Es ist ja auch nicht nur das Fliegen, sondern die ganzen Leute, der wenige Raum, die dämlichen Kontrollen, überhaupt die ganzen Schikanen. Erst muss man sein Wasser wegkippen, dann gibt es aber kein Wasser umsonst auf dem Flughafen. Da reise Schweine humaner. Dafür muss man jetzt durch den Duty Free, man hat keine andere Wahl, wo die Preise höher sind als im KaDeWe. Die meisten halten das für normal, was es aber nicht ist. Der Duty Free war früher preiswerter, deswegen ist man reingegangen. Man hatte die Wahl. Heute hat man sie nicht mehr. Man muss durch die Konsumhölle durch – ob man will oder nicht. Die allermeisten sind so taub bzw. betäubt, die kriegen das gar nicht mehr mit. Das meine ich mit degeneriert. Ich muss immer total aufpassen, dass ich mich nicht auch zurück entwickle. Nichts anderes heißt degeneriert. Denn das kann ich mir nicht leisten, weil ich immer sogleich tausend Sachen erledigen muss hier. Andere kommen an und machen gleich Party oder legen sich erstmal ins Bett. Das geht bei mir alles nicht. Ich muss mich sofort um den TÜV fürs Auto kümmern, vorher eine neue Versicherung abschließen und eine Vignette kaufen. Dazu muss das Auto fahrbereit sein, was es aber nicht war. Ich Idiot hatte die Handbremse angezogen, was man nicht machen darf, und nun war die Bremse blockiert. Erst schien es, dass sie sich gelöst hätte, was sich sogleich als Irrtum herausstellte, aber da stand ich schon auf dem Weg und im Weg. Jetzt war nicht nur die Bremse blockiert, sondern auch der Weg. Es ging weder vor noch zurück. Zum Glück wissen Bulgaren, was sie in einem solchen Fall tun müssen. Der degenerierte Deutsche hätte jetzt den ADAC angerufen und es würde ihn einen Dreck kümmern, dass er im Weg steht. Der Bulgare packt den Wagenheber aus, kurbelt das Auto hoch und baut das Rad ab. Dann schlägt er mit dem Hammer auf das Teil, am dem zuvor das Rad befestigt war und versucht es gleichzeitig zu drehen. Wenn der Weg unbefestigt ist, wie die meisten in Bulgarien, stellt er zur Sicherheit einen Holzklotz unters Auto, damit es nicht auf die Erde knallt, falls durch das Hämmern der Wagenheber wegrutschen sollte. Das sind beim Bulgaren eingeübte Abläufe, da muss ihm keiner was sagen, vor allem kein Deutscher. Verwunderlich ist das nur für einen Insider wie mich, der weiß, dass der Bulgare normalerweise jedes Ding wie zum ersten Mal macht, selbst wenn er sie schon Tausendmal gemacht hat. So schnell, wie das Rad ab war, war es auch wieder dran. Nur der Holzklotz wollte partout unterm Auto bleiben, weswegen er mit dem Vorschlaghammer bearbeitet werden musste. Am Ende hat der dämliche Holzklotz die meiste Arbeit verursacht. Immerhin, er hat sich nicht durchs Fussbodenblech gebohrt – das hätte noch gefehlt. Den Rest hat mein Bürgermeister minutiös geplant. Erst zu Zetzko, die Versicherung abschließen und bezahlen und die Vignette nicht vergessen. Dann zum TÜV zu Goshko, was fast zum Problem geworden wäre, weil ich nicht mehr im System war. Dass ich nicht mehr im System war, lag daran, dass meine Versicherung seit über einem Monat abgelaufen war. Und wenn die Versicherung länger als einen Monat abgelaufen ist, muss man normalerweise einen Tag warten, bis man wieder im System ist. In Berlin wahrscheinlich eine Woche, wenn nicht gar ein Monat. Nicht so beim Bulgaren. Bei ihm reicht es, wenn der Bürgermeister sagt, der Typ wohnt bei mir im Dorf – dann ist man im System. Drei Stunden für Versicherung, TÜV, Vignette inklusive der Operation an der Bremse auf dem unbefestigten Weg vor meiner zugewachsenen Hütte. Das ist eine Zeit, die kann kein anderes Land toppen, vor allem nicht Deutschland. Das musste ich meinem Bürgermeister nicht sagen, der kennt sich aus, der ist nicht degeneriert. Es geht bergab mit Deutschland, und bergab geht es immer langsamer. In den Schluchten des Balkans weiß man das.

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Zurück in Bulgarien (001) – „Dornröschenschloss“

in den Schluchten des Balkans

Während meiner viermonatigen Abwesenheit ist meine Hütte in den Schluchten des Balkans komplett zugewachsen. Jetzt brauche ich einen Monat, um den Ausgangszustand wiederherzustellen – für jeden Monat der Abwesenheit eine Woche. Dass ich so lange weg bleibe, war nicht geplant. Das lag auch an meiner Schwiegermutter, die Anfang Juli verstorben ist. Einige in meinem Dorf hier kannten meine Schwiegermutter, sie war letztes Jahr zu Ostern noch hier gewesen. Natürlich wollten die, die meine Schwiegermutter kannten, wissen wie es ihr geht. Sie können sich nicht vorstellen, dass diese vitale Frau gestorben sein soll. Und auch mir fällt es schwer, es zu akzeptieren. Im Oktober hatte sie sich boostern lassen. Meine Schwiegermutter gehörte zu den Amerikanern, die ihrer Regierung vertrauen. Im März ging es ihr plötzlich ohne ersichtlichen Grund von einem Tag auf den anderen schlechter. Es begann eine Odyssee von einem Arzt zum anderen und von einem Krankenhaus zum nächsten, bei der jemand anders das Kommando hatte, was meine Schwiegermutter gar nicht gewohnt war. Untersucht wurde immer nur das, wofür Geräte vorhanden waren und wofür es dementsprechend Geld gab. Das ist in Deutschland nicht anders. Gefunden wurde dies und das – wie das bei einer Person von 77 Jahren üblich ist. Die Nieren wurden bis zum Schluss nicht untersucht. Im Gegenteil, man gab ihr Medikamente, die den Nieren gar nicht gut taten. Ihre Niereninsuffizienz kann also auch Resultat der Behandlung gewesen sein, andererseits aber auch ein Impfschaden. Meine Schwiegermutter wäre nicht die erste mit dieser Impfnebenwirkung. Ob sie selbst an diese Möglichkeit gedacht hat, kann keiner sagen. Sie hat am Ende ihres Lebens viel nachgedacht. Worüber, darüber wollte sie nicht sprechen. Möglicherweise hat sie andere Erlebnisse ihres ereignisreichen Lebens Revue passieren lassen. Letztendlich kam sie zu dem Schluss, dass ein solches Leben in Abhängigkeit und mit ständigem Unwohlsein nicht lebenswert ist. Sie verlangte nach dem Schierlingsbecher, den sie, nachdem sie ihn zu sich nahm, zum großen Teil wieder auskotzte, so dass nicht sicher war, ob sie auch wirklich sterben würde. Der Pfleger vom Hospiz, das den Cocktail für sie bereitgestellt hatte, meinte, dass es wahrscheinlich nur länger dauern würde, ihr Sterben. Ausserdem sagte er, dass es mitunter hilft, wenn wir sie alleine lassen, da es Menschen gibt, die alleine sterben möchten. So geschah es dann auch. Im Nachhinein musste ich oft an die Aufforderung Nietzsches „Stirb zur rechten Zeit!“ denken. War es das, was er damit meinte? Ich weiß es nicht. Hätte Nietzsche sich impfen lassen?, um noch einmal auf die Frage zurückzukommen. Auch das weiß ich nicht. Meine Schwiegermutter dachte vermutlich: Was ich getan habe, habe ich getan. Sie wollte, dass sie verbrannt wird, was wir veranlassten. Ihre Asche konnten wir zehn Tage später abholen. Da meine Schwiegermutter keine Beerdigung und damit auch kein Grab wollte, ist ihre Asche bis jetzt bei uns. Noch haben wir sie nicht auf ihrem Grundstück verstreut, was ihr letzter Wunsch war. Manchmal frage ich mich, ob auch ich auf meinem Grundstück, das jetzt zugewachsen ist wie das Schloss von Dornröschen, verstreut werden möchte. Grundsätzlich kann ich es mir vorstellen, was auch an den bulgarischen Friedhöfen liegt, die einem Jungle gleichen. Dann kann ich auch in meinem eigenen Jungle liegen. Dass bulgarische Friedhöfe oft einem Jungle gleichen, liegt daran, dass viele Bulgaren ins Ausland gegangen sind. So wie die Häuser in Bulgarien verfallen, so verfallen auch die Friedhöfe. Es wird der Tag kommen, da werden Menschen nach Bulgarien kommen. Dessen bin ich mir, nachdem ich zehn Tage in Berlin war, sicherer denn je. Das Leben der meisten Menschen dort, viele von ihnen sind schon tot, ich hatte an dieser Stelle darüber geschrieben, ist unverbunden oder „völlig losgelöst“, wie David Bowie es in seinem „Major Tom“ besingt. Lange habe ich nach dem passenderen Wort neben „dekadent“ gesucht, das diese bedauernswerten Menschen ohne Wurzeln beschreibt. Jetzt habe ich es gefunden, es ist das Wort „degeneriert“.
Dass unser Flugzeug trotz 45-minütiger Verspätung praktisch pünktlich ankam, lag daran, dass der deutsche Kapitän den Turbo eingeschaltet hat. Das machte sich dadurch bemerkbar, dass das Flugzeug kurz in ein Loch fiel und es danach doppelt so schnell weiter ging, also wie mit Rückenwind und noch irgendwas, vermutlich die uns verfolgende Schallmauer. Hinzu kommt, dass er den Sofioter Flughafen gleich von der richtigen Seite, von Osten, angeflogen und damit Zeit gespart hat.
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„Fliegen wie früher“

Retro ist gerade angesagt, und so auch beim Fliegen. Nicht nur das Gebäude des Flughafen BER ist barock, sondern auch der Zugang zum Flieger. Zum Glück gibt es Linien auf dem Boden, die den schamlosen Fluggast wissen lassen, welche Gangway er nutzen soll, so dass die gelbbewesteten Einweiser sich wie auf dem Balkan wichtigeren Dingen widmen können, und zwar der Unterhaltung. Meine Sitzreihe 27 sollte den hinteren Eingang nutzen. Da auf dem Balkan nicht jeder lesen kann, gab es im Flieger das übliche drunter und drüber, das der Kapitän, ein Deutscher, mit dem Hinweis darauf beendete, dass wenn wir Fluggäste aber nicht ganz schnell zu Potte kommen, wir noch sehr sehr lange im Flieger in Parkposition zubringen würden. – Das hat gewirkt, die Menschen verstehen deutsch – wenn sie es wollen.
Wie der deutsche Kapitän es geschafft hat, trotz 45 minütiger Verspätung praktisch pünktlich auf dem Balkan anzukommen, dazu mehr im nächsten Beitrag.

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