Die Wahl, die wir haben

Grafito in Sofia

Jetzt kommt es darauf an, auf jeden einzelnen, jetzt entscheiden sich die Dinge. Aber nicht durch eine Wahl, denn eine Wahl haben wir dort nicht. Die Dinge werden, wie alle wichtigen Dinge, auch diesmal auf der Straße entschieden. Da, wo ich ein halbes Leben zu hause war und immer noch bin, wenn auch nicht mehr die Straßen Berlins, und auch nicht die von San Francisco, sondern die in den Schluchten des Balkans. Und wo ich die für mich wichtigsten Menschen kennengelernt habe und bis heute kennenlerne. 

Neulich traf ich auf der Straße in Sofia ein junges bulgarisches Paar, das überlegt sich nach Deutschland zu evakuieren. Um genau zu sein sprachen sie mich an dem einzigen verbliebenen Buchstand von Sofias ehemals besten Buchbasar auf dem „Slawejkow“ an, den man nach der Sanierung des Platzes einfach nicht wieder aufgemacht hat, in einem kleinen Park hinter dem ehemaligen Hotel „Balkan“, jetzt „Sheraton“, einem Treffpunkt von Obdachlosen, weil ich dort die wenigen vorhandenen Bücher auf Deutsch aus den zwar zahlreich aufgestellten, allerdings verstauben und ungeordneten Kisten für mich herausgesucht hatte. Das Paar hat diesen aktuellen Text ins Bulgarische übersetzt. Deswegen weiß ich von ihm und auch davon, hier weiß auf schwarz:

2.6.3. Messung der Todeszahlen

Eine der größten Wunderlichkeiten der gesamten Corona-Situation bestand und besteht darin, dass die Zählungen von Toten nicht zwischen an und mit Covid-19 Verstorbenen unterscheiden. Während bisher galt, dass diejenige Krankheit, die (auch bei vorliegender Multimorbidität) am ehesten als Todesursache anzusehen war, in der Todesurkunde als Todesursache angegeben wurde – und im Zweifelsfall diejenige, deretwegen eine Person ins Krankenhaus eingeliefert wurde –, ging im Falle von Covid-19 ein Land nach dem anderen dazu über, bei all jenen Verstorbenen Covid-19 als Todesursache anzugeben, „die bis zu vier Wochen vor Todeszeitpunkt positiv getestet worden sind, auch wenn eine Covid-19-Erkrankung nicht ursächlich für den Tod gewesen war“.

Die Straße ist wahrlich meine Universität. Sie hat mich auch gelehrt, dass, wenn Wahlen was ändern würden, sie verboten wären.

Jemand in Deutschland, der sich wohlinformiert wähnt und dem ich den Text, von dem ich von dem Paar weiß, vor einigen Tagen geschickt hatte, hat mir nun geantwortet, dass ihm zum Lesen „schlicht“ die Zeit fehlen würde. Ein anderer, ebenfalls in Deutschland beheimatet, der sich die Zeit zum Lesen von aktuellen Texten nimmt, hat Einladungen zu offiziellen Veranstaltungen, auf denen die „3 G Regeln“ galten, mit den Worten beantwortet: „Haben Sie vielen Dank für die diskriminierende Einladung, da ich aber die Einlassbestimmungen nicht erfülle, muss ich leider absagen.“

Sicherlich, das sind nur zwei Beispiele, aber das ist praktisch die Wahl, die wir haben. Oder eben auf die Straße gehen, das geht auch.

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TaxiBerlin als Kriegsberichterstatter

In den Häuserschluchten des Balkans

Ich weiß, der Bürgerkrieg hat noch nicht begonnen und bis Bulgarien wird er wohl auch nicht kommen. Trotzdem – oder besser: gerade deswegen! – eignen sich die Häuserschluchten des Balkans besonders gut das Handwerk des Kriegsberichterstatters zu erlernen.

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Life is easy in Bulgaria

Richtig Echt

Komme gerade vom Basar. Freitags ist immer Basar. Auf einem Basar in den Schluchten des Balkans wird praktisch alles angeboten. Einer hat dort sogar schon mal seine Oma verkauft. Heute waren Impfnachweise im Angebot. Also echte Impfnachweise, Bulgarien ist schließlich in der EU. Das Angebot richtet sich insbesondere an Bulgaren, die sich ins westliche Ausland evakuieren wollen, und da vor allem nach Deutschland. In Bulgarien spricht man in dem Zusammenhang nicht von Migration, sondern von Evakuierung. Die meisten Bulgaren haben sich schon evakuiert, weswegen die Impfnachweise gerade im Angebot sind. In Bulgarien selbst braucht man keinen Impfnachweis, einfach weil es keine Leute gibt, die diesen kontrollieren könnten. Ich will keine Zahl nennen, weil ich nur ungern über Geld schreibe, aber der Preis für einen auf dem Basar angebotenen Impfnachweis scheint mir in Ordnung zu sein. Letzte Woche, da wurde ich schon mal angesprochen, war er noch etwas höher. Wenn ich es richtig verstanden habe, bekommt man beide Impfdosen in der Plastiktüte mit nach Hause. Ordnung muss sein, selbst beim Bulgaren. Man nennt ihn nicht umsonst den Preußen des Balkans. Was man mit den Impfdosen macht, kann ich nicht sagen. Ich habe mich selbst ohne Impfung evakuiert, allerdings von Berlin nach Bulgarien. Der Commercial Guy in mir sagt, dass man sie weiterverkaufen könnte. Aber wie gesagt, ich bin nicht im Geschäft. Wer nur einen Impfnachweis braucht, der muss nur vorbeikommen. Basar ist immer Freitags.
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Der Corona-Circus und die Ent-Coronisierung

Corona – was war das gleich nochmal?

Der Corona-Circus ist vorbei, zumindest in Dänemark, wenn ich es richtig verstanden habe. Bis Bulgarien, wo ich immer noch nach Arbeit suche, ist der Corona-Circus nie wirklich gekommen. Das kleine Land ist einfach zu sehr am Rand und zu holen gibt es hier auch nichts, außer ein paar Alte. Mehr zu holen ist offensichtlich in Deutschland, wo der Corona-Circus noch gastiert und im vollen Gange ist. Dabei ist der Corona-Circus nur ein Test oder besser ein Experiment. Ein modernes Milgram-Experiment, wenn du so willst, bei dem es darum geht herauszufinden, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, wenn man ihnen erzählt, dass es um das Gute geht. Und da ist der Deutsche von jeher bereit sehr weit zu gehen. Er muss allerdings dran glauben, der Deutsche, unter dem tut er’s nicht. Nicht einmal Gutes wie Nachbarn denunzieren, Menschen ohne Maske verhauen, Andersdenkende beschimpfen und beleidigen oder gar mit Zwangsimpfung drohen. Jetzt, nachdem der Corona-Circus weitergezogen ist, und bevor die nächste Circus-Sau durchs globale Dorf getrieben wird, ist die Zeit der Aufarbeitung gekommen, wie ich meine. Eine Art Ent-Coronisierung, bei der auch wieder der Deutsche vorneweg gehen wird, so meine Hoffnung. Niemand hat irgendetwas gemacht – alle haben nur Anweisungen befolgt. Die kamen von ganz oben, zwar nicht vom lieben Gott persönlich und auch nicht von dem Mann im weißen Kittel wie beim Milgram-Experiment, zumindest nicht direkt, aber immerhin doch von einer lieblosen Mutter. Und die ist praktisch schon nicht mehr da. Außerdem hat sie insgesamt keinen „so schlechten Job“ gemacht. Man soll sie doch einfach mal in Ruhe lassen, so denke ich, und sich besser an seine eigene Nase fassen.
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Das nächste große Ding nach Corona

So wie ich mit meinem Taxi vorausschauend gefahren bin, so denke ich auch im richtigen Leben immer weiter. Gut, was nach Corona kommen wird, das hat sich manch anderer auch schon gefragt. Aber was muss ich da hören: Überwachung, Bargeldabschaffung oder gar Sozialpunktesystem wie in China. Das mag ja alles sein. Aber woran werden wir glauben? Vor allem so labile Zeitgenossen wie beispielsweise Karl Lauterbach. Denn der Deutsche, das ist bekannt, muss immer an irgendetwas glauben – unter dem tut er’s nicht, vor allem nichts Gutes. Und so bin ich schon vor einiger Zeit auf den Asino, den gemeinen Hausesel gekommen. Über den lässt sich nichts Negatives sagen, ausser dass er angeblich dumm sei, was aber nicht stimmt, ganz im Gegenteil, und was mehr über den aussagt, der dies behauptet, als über den Asino. Er ist auch nicht störrisch, wie viele denken, sondern nur vorsichtig. Vor allem ist der Esel aber kein Fluchttier, das wegrennt, wenn Gefahr droht. Ich jedenfalls glaube fest an den neuen Gott Asino und habe auch schon angefangen ihn anzubeten. Man kann da nichts verkehrt machen, wenn man den Gott Asino anbetet. Denn wie gesagt, mit Corona geht es den Bach runter, so sehr wurde den kleinen Kerlchen der garaus gemacht. Das kann mit dem zugegeben etwas unförmigen und überdimensionierten Asino Gott nicht passieren. Und besser als Geld anzubeten ist es allemal.

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Der ehrliche Makler von Bulgaristan (0008)

Tue dir Gutes und setze ein Zeichen

„Den Turm“ gibt es wirklich, nicht nur als Buch, sondern auch als Immobilie, in der man wohnen kann. Man muss nur ein paar Löcher in die Wände reinmachen, in diese Fenster einbauen und fertig ist das Wohnhaus. Das ganze in Bulgarien, was das Kommende ist. Daran glaube ich so fest, wie Stefan Zweig daran geglaubt hat, dass „Brasilien, das Land der Zukunft“ sei. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass das, was früher „rübergehen“ war, heute das „runtergehen“ ist, und zwar nach Bulgarien, in die Schluchten des Balkans. Denn hier sind die Immobilien noch erschwinglich, für zehn Monatsmieten in Berlin kann man in Bulgarien bereits in seinen eigenen vier Wänden wohnen. Und überhaupt: Mit Geld kann jeder! Die Herausforderung, und das sage ich als bekennender Commercial Guy, ist die, ohne Moos was los zu machen und, im besten Fall, nebenbei noch ein Zeichen zu setzen. In dem Fall, wenn man in einem bereits von Weitem sichtbaren überdimensionierten Penis lebt, für das männliche Glied und gegen „Die Verschwulung der Welt“. Bevor ich es vergesse: Land gibt es zur Immobilie 0008 natürlich auch dazu, jede Menge sogar, und zwar Ackerland, was ebenfalls sehr gut ist, denn die Eigenversorgung wird ein Teil des Kommenden sein.

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