Krieg im Kopf

Der Bestatter im Prenzlauer Berg hat Recht. Es geht mal wieder um Leben und Tod. Nach Corona nun der Krieg. Aber warte mal. Lebt ein Bestatter nicht eigentlich vom Tod, und nicht vom Leben? Sollte man meinen. Nicht so im Prenzlauer Berg. Da muss man immer noch einen drauf setzen. Einzig die Realität toppt den Prenzlauer Berg noch: Attentat in den USA, Straßenkämpfe in Großbritannien, Bürgerkrieg in Frankreich. Nur der Deutsche, der alte Duckmäuser, traut sich noch nicht aus der Deckung, obwohl es auch in ihm brodelt, und zwar gewaltig. So deute ich manch Kommentar zum Attentat. Gedanklich sind sie schon im Krieg, halten sich aber noch zurück. Umso gewaltiger wird die Explosion sein. Am Ende wird der Deutsche vermutlich wieder alles toppen.

Warum es keine Corona-Aufarbeitung geben wird

Letztes Jahr habe ich Pfarrer Jürgen Fliege persönlich kennengelernt, den ich zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Pfarrer Fliege ist ein mutiger Mensch mit einem wachen Geist, was auch obiges Interview beweist, auf das mich ein neuer Freund hier in der Heimat aufmerksam gemacht hat. Ich schließe gerade neue Freundschaften, auch weil viele alte sich verabschiedet haben. Ein aktuelles Erlebnis mit einem Freund von früher hat mir klar gemacht, warum es keine Corona-Aufarbeitung geben wird. Der verbliebene Freund hat sich impfen lassen und möchte nun nichts mehr von der Impfung wissen, weil los wird er sie eh nicht mehr. In Bulgarien, wo es genauso viele Ungeimpfte gibt wie hierzulande Geimpfte, ist in dieser Frage die Lage dementsprechend umgedreht. Die Folge hierzulande ist bis heute eine Verachtung der Minderheit der Ungeimpften gegenüber. In Bulgarien hat die ungeimpfte Mehrheit Mitleid mit denen, die sich haben impfen lassen, oder besser: impfen lassen müssen, wollten sie ihre Existenz nicht verlieren. Pfarrer Jürgen Fliege erinnert daran, dass die Kirche heute wie zur Zeit des Nationalsozialismus – aber im Gegensatz zur DDR – Mitläufer ist, weil sie „mit dem Staat im Bett“ liegt; und dass dies erst endete, als der Krieg vorbei war.

PS: Schön auch der Hinweis von Pfarrer Fliege, dass er ein „Sündenvergeber“ (19:50) sei.

Asche zu Asche

Neulich las ich in der Berliner Zeitung einen Beitrag über einen Mitarbeiter der BSR, der seit 45 Jahren für die Berliner Stadtreinigung arbeitet. Der 61-Jährige Ronald Fiedler hat bereits in der DDR die Stadt sauber gehalten. Ein Detail, das meiner Meinung nach nicht ganz unwichtig ist. Der alte Ossi erklärt die Unterschiede beim Straßenfegen in Ost und West, und darüber hinaus weiß er, warum für die BSR immer mehr Arbeit anfällt. Alles nicht uninteressant, aber das wichtigste erscheint mir die Feststellung von Ronald Fiedler zu sein, dass es inzwischen Angestellte gebe, „die wollen mehr wertgeschätzt werden, teilweise auch für Mittelmaß“. Darauf habe er sich erst einstellen müssen. Fiedlers Erfahrung bei der BSR lässt mich an folgenden Satz denken, der gerne Dostojewski zugeschrieben wird: „Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen.“

„Sie haben nichts zu verlieren als ihre Ketten …“

So wie ganz Berlin ist auch der Flohmarkt „eventisiert“. Es geht immer weniger um die Dinge, die man kaufen kann. Die Menschen sind so satt, dass sie sich praktisch nur noch zudröhnen können. So wie Yuval Noah Harari sich selbst die Frage beantwortete, was man mit all den überflüssigen Menschen machen soll: Computerspiele & Drogen. Zum Glück ist Cannabis jetzt legal, Alkohol (Foto oben) war es schon immer. Tattoos sind auch eine Art Computerspiel, mit denen man sich selbst Schmerzen zufügt, um überhaupt noch irgendetwas zu fühlen. Wenn zu den Tattoos noch Techno erklingt, die einzige musikalische Innovation aus Deutschland nach den Preussischen Märschen, kann der Bürgerkrieg praktisch beginnen. So gesehen ist auch ein Flohmarktbesuch eigentlich nur ein Tanz auf dem Vulkan. Aufgeführt von vorzugsweise jungen Menschen, die im Hamsterrad Kettenkarussell sitzend noch nicht realisiert haben, was die Stunde geschlagen hat (Foto unten).

Vom Bibliomanen zum Bibliophilen

Morgen mache ich wieder Flohmarkt. Ich hatte es schonmal erwähnt, dass ich Büchersüchtig bin. Es gibt da jetzt eine neue Entwicklung. Meine Bibliomanie hat sich in Richtung Bibliophilie weiterentwickelt. Im Gegensatz zur Bibliomanie, wo es ums Besitzen geht, ist die Bibliophilie die Liebe zum Inhalt und zur Qualität eines Buches. Liebe wird weitgehend unterschätzt heutztage, Qualität und Inhalt sowieso. Durfte ich früher Buchläden und Antiquariate nur in Begleitung meiner Betreuerin betreten, darf ich heute alleine auf den Flohmarkt, um meine Bücher an den Mann, aber vor allem an die Frau zu bringen. Auch wenn ich die inhaltlich wertvollsten Bücher für mich behalte, geht der Rest weg wie geschnitten Brot – oder vielleicht gerade deswegen. Du glaubst mir nicht? Dann komm gerne vorbei, aber bring eine große Tasche (Foto) mit. Ein großes Portemonnaie kann auch nicht schaden. Und falls Du eine Betreuerin hast, bring auch sie mit.

Endlich heulen wieder die Sirenen

Eigentlich sollten die Sirenen nach 30 Jahren erstmals am 11.9. um 11 Uhr wieder heulen. Bei mir heulten sie letzte Nacht schon. Sofort bin ich runter in den Keller, wo ich neulich schon mal war, weswegen ich ihn auch gleich wiedergefunden habe. Das kann ich auch nur jedem empfehlen. Geh‘ in den Keller und such Dir schonmal eine Ecke! Oder mach’s so, wie Du es im Urlaub machst: Leg ein Handtuch auf einen Stuhl. Besser noch einen Schlafsack – man kann nicht wissen …