Seit einigen Tage lausche ich, so wie ich es früher getan habe, dem öffentlich/rechtlichen Info-Radio. In Berlin ist das die 93.1, man kann es aber auch hier im Internet hören. Nach zwei Wochen Ankommen und Akklimatisierung in der deutschen Hauptstadt fühlte ich mich reif dafür. Aber was musste ich da gleich wieder hören, und wie anders, und zwar einseitig, werden die Dinge in Deutschland dargestellt. Beispielsweise China, ausnahmsweise sind mal nicht die Russen, sondern die Chinesen die Bösewichte, und das nur, weil sie ihre eigene Interesse verfolgen. Kein Scheiß, das war der Grund, warum der Chinese böse sein soll. Die Frage, wie es andersherum bei uns aussieht, wurde gar nicht erst gestellt. Das ist praktisch, denn dann muss man sie auch nicht beantworten. Der Desillusionist und auch der Bulgare in mir sagen, dass der Westen jetzt doch endlich mal von seinem hohen moralischen Ross heruntersteigen möge und nicht weiter von Werten reden soll, die er angeblich vertritt. Welche Werte sollen das sein? Information mit Propaganda zu verwechseln? Jedem sollte klar sein, dass auch der Westen Interessen hat, beispielsweise beim Krieg in der Ukraine. Und da sollten wir Deutsche in Europa andere haben als Amerika am anderen Ende der Welt. Wenn wir der Ukraine, wie ich aktuell aus dem Info-Radio erfahren musste, Waffen liefern, dann sind wir mit im Krieg, dann sind wir Kriegsteilnehmer. Und jeder sollte sich gut überlegen, ob er das wirklich will. Für mich kann ich ganz klar sagen: Nein! Das ist nicht mein Krieg, und das ist auch nicht unser Krieg, weder der Deutschlands, noch der Europas. Es ist ein Stellvertreterkrieg: USA gegen Russland, aber eigentlich USA gegen China. Ob die Demonstranten, die gegen den G7 Gipfel in Elmau demonstrieren, das auch so sehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich weiß, ist, dass jetzt 50 ausgewählte Demonstrationsteilnehmer zu den Staats- und Regierungschefs vorgelassen werden. Das öffentlich/rechtliche Info-Radio feiert das als Erfolg. Ich halte es für betreutes Demonstrieren, was wiederum zum betreuten Denken der letzten Jahre passt. Im bulgarischen National-Radio “Christo Botew” hätte das jemand auch genauso benannt. Beim öffentlich/rechtlichen Info-Radio fehlt dieser Part. Auch deswegen habe ich es jetzt wieder ausgeschaltet. Dafür kann ich nun, nachdem ich beides kenne, über die Unterschiede zwischen staatlichem Radio in Bulgarien und Deutschland schreiben.
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Nun ist es offiziell, das Amt wünscht mir “viel Erfolg und alles Gute” als Desillusionist. Zuvor habe ich es davon überzeugen können, dass Desillusionist nicht nur ein Beruf mit Zukunft, sondern vor allem einer ist, den unser Land jetzt braucht. Mit anderen Worten: Menschen, die aus dem Angstmodus von Öffentlich/Rechtlich und Mainstream herausgetreten sind und nach vorne blicken, wie man so schön sagt, und das möglichst realistisch. Auch du kannst Desillusionist werden, und nicht nur, weil es ein Beruf mit Zukunft ist, was das Amt bestätigt hat, jetzt sozusagen auch amtlich ist. Desillusionist zu werden ist nicht leicht, deswegen wird es von Amts wegen gefördert. Es ist das, was der Dichter mit “das Einfache, das so schwer zu machen ist” meinte. Das schwierigste ist der Wechsel weg von den üblichen Einflüsterern und ewig die richtige Haltung einfordernden Moralaposteln und hin zum Vertrauen auf den eigenen Instinkt und der eigenen Lebenserfahrung. Denn es stimmt einfach nicht, dass alle Menschen, die eine andere Meinung haben, Aluhüte, Antisemiten, Coronaleugner, Nazis, Verschwörungstheoretiker etc. sind. Dies zu begreifen, dass man Jahrelang falsch gelegen hat, ist vielleicht das schwerste. Aber ohne dem geht es nicht. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Ohne dass man sich selbst möglichst illusionslos sieht, kann man kein Desillusionist werden. Mir hat dabei geholfen, dass bereits in meinem Taxi ein jeder alles sagen durfte, und dass ich es mir angehört habe, ohne es sogleich zu bewerten. Vor allem hat mir aber geholfen, dass ich mit dem Alkohol aufgehört habe. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht rauche und auch sonst keine Drogen nehme. Man braucht fünf Jahre, bis man wieder man selber wird, nachdem man mit dem Trinken aufgehört hat. Das habe ich in “Nüchtern” von Daniel Schreiber gelesen. Das beste Buch, das ich übers Aufhören kenne. Bei mir sind es jetzt vier Jahre, ich bin also noch auf meinem Weg. Und doch kann ich jetzt schon sagen, dass es die vielleicht wichtigste Entscheidung in meinem Leben war, mit dem Alkohol aufzuhören, und zwar komplett. Noch nie hatte ich eine größere Klarheit als jetzt. Dass ich nun auch noch ganz offiziell Desillusionist werde, ist also nur folgerichtig.
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Im zweiten Teil seines Vortrags über die Angstfalle, in der wir uns nun schon seit über zwei Jahren befinden, insbesondere die unter uns, die nur Öffentlich/Rechtlich konsumieren, gibt Hans-Joachim Maaz aus Halle an der Saale aktuelle Beispiele aus seiner therapeutischen Tätigkeit. Also wie er geholfen hat, dass Menschen wieder miteinander sprechen, die dies zuvor wegen Corona aufgegeben hatten – leider keine Einzelfälle, wie ich erfahren musste, zumindest in Deutschland. In Bulgarien ist dieses Phänomen bisher wenig bzw. kaum bekannt, mir persönlich ist keiner einziger solcher Fall zu Ohren gekommen. Ich selbst halte es auch in Sachen Corona, genauso wie ich es in in meinem Taxi gehandhabt habe, wo man zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen durfte – sogar die Wahrheit.
Hans-Joachim Maaz, der mir in Berlin auch schon mal im Taxi saß, hat ein neues Buch geschrieben. Es heißt “Angstgesellschaft” und wird gerade von meinem Freund und Übersetzer Martin ins Bulgarische übertragen und soll demnächst beim in Sofia ansässigen Ost-West Verlag auf Bulgarisch erscheinen. Auf Deutsch ist es bereits im Mai bei Franke & Timme erschienen und in obigem Video stellt der Therapeut meines Vertrauens es mit folgenden einleitenden Worten vor: “Wer sich nur Öffentlich/Rechtlich informiert, ist praktisch ein einer Angstfalle gefangen.” – Wie diese aussehen kann, habe ich in “Wiedersehen in Deutschland” beschrieben.
Noch bin ich in Berlin, meiner Stadt, auf deren Straßen und Plätzen ich einst mit meinem Taxi zu hause war, und mit der ich fertig habe. Noch nie war mir das klarer als jetzt. Wozu ein wenig Abstand alles gut sein kann. Dass ich mit Berlin fertig habe, liegt vor allem daran, dass ich lange nicht so viele merkwürdige Menschen auf einen Haufen gesehen habe, um mich vorsichtig auszudrücken. Menschen, die auf einem Vulkan tanzen. Auf den ersten Blick erinnert es an Alexis Sorbas, einen meiner Helden, der am Ende des Romans von Nikos Kazantzakis tanzt, nachdem alles zusammengebrochen ist. Der Unterschied scheint mir der zu sein, dass all die merkwürdigen Menschen, die heute hier noch auf dem Vulkan tanzen, morgen schon, wenn bei ihnen alles zusammengebrochen sein wird, böse werden. Das ist, so denke ich, leider alternativlos. Und weil ich da nicht unter die Räder geraten möchte, bringe ich mich vorher in den Schluchten des Balkans in Sicherheit, wo die Menschen, die heute noch friedlich demonstrieren, morgen aber nicht böse sondern tanzen werden. Da bin ich mir sicher, und da möchte ich dabei sein.
PS: Oben links rast ein Zug von Covid über Krieg in der Ukraine auf die Krise zu, die wir jetzt haben. Darunter Klaus Schwab mit einem Null Euro Schein und seinem Motto: “Dir wird nichts gehören und du wirst glücklich sein”. Rechts davon die NATO als Abkürzung für “Nationale Amerikanische Terroristische Vereinigung”, darüber “Stoppt den Terror der Weltgesundheitsorganisation (WHO)”.
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