Bericht aus Bulgarien (102)
Heute ist der Nationale Protest für die Neutralität Bulgariens. Um über ihn berichten zu können, werde mit einer Fahrgemeinschaft in die bulgarische Hauptstadt Sofia gelangen. Zu der Forderung nach Neutralität passt dieser Artikel über „Die militärische Lage in der Ukraine“ von Jacques Baud, auf den mich gestern ein Freund in der Heimat aufmerksam gemacht. Jacques Baud ist Schweizer, über deren Neutralität ich dieser Stelle geschrieben habe. Jacques Baud, der auch ehemaliger Militär und Geheimdienstler ist, leitet seinen Artikel mit der Feststellung ein, dass es ihm nicht darum geht, den Krieg zu rechtfertigen, sondern zu verstehen, was zu ihm geführt hat. Praktisch das, was ich Jahrelang in meinem Taxi praktiziert habe, in dem man zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen durfte – sogar die Wahrheit. Für mich war immer wichtig zu erfahren, warum tickt jemand so, wie er eben tickt.
Es gibt drei Dinge, die für mich besonders wichtig sind in dem insgesamt absolut lesenswerten Artikel von Jacques Baud. Der Schweizer erwähnt die Abschaffung des Kivalov-Kolesnichenko-Gesetzes von 2012, das Russisch zur Amtssprache machte, am 23. Februar 2014, und meint dazu: „Das ist in etwa so, als ob die Putschisten beschlossen hätten, dass Französisch und Italienisch in der Schweiz keine Amtssprachen mehr sein sollten.“ Ein interessanter Vergleich, wie ich finde.
Dann erwähnt Jacques Baud, dass der amerikanische Präsident Biden bereits am 17. Februar ankündigte, dass Russland in den nächsten Tagen die Ukraine angreifen werde. „Wie konnte er das wissen?“ – Eine interessante Frage. Des Rätsels Lösung könnte sein, dass seit dem 16. Februar der Artilleriebeschuss der Bevölkerung im Donbass dramatisch zugenommen hatte. Dies sollen auch die täglichen Berichte der OSZE-Beobachter bestätigt haben. Nur, warum reagierten dann weder die westlichen Medien, noch die Europäische Union, die NATO oder westliche Regierung darauf?
Diesen Punkt halte ich besonders wichtig, weil er mich an Afghanistan erinnert. Dort habe man die Sowjetunion in eine Falle gelockt, wie US-amerikanische Geheimdienstler später freimütig zugaben. Hat der Westen nun den Russen in eine ähnliche Falle gelockt? In diesem Zusammenhang erwähnt der Autor den 24. März 2021, an dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskij ein Dekret zur Rückeroberung der Krim erlassen haben und daraufhin seine Streitkräfte in den Süden des Landes verlegt haben soll. Ich hatte zuvor noch nie von einem solchen Dekret gehört.
Jacques Baud erwähnt am Ende noch das Entbindungskrankenhaus in Mariupol, das von der rechte Asow-Miliz eingenommen wurde, die die Menschen vertrieben und einen Schießstand in dem Krankenhaus eingerichtet haben soll. Mich hat das, genauso wie den Autor, sogleich an den ersten Golfkrieg erinnert. Auch ich frage mich, ob da gerade das Szenario von der Entbindungsstation in Kuwait-City nachgespielt wird. Inszeniert hat es damals die Firma „Hill & Knowlton“ für 10,7 Millionen Dollar, um den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen davon zu überzeugen, im Rahmen der Operation Desert Shield/Storm im Irak zu intervenieren.
So viel Geld ist mit Ukraine-Flaggen und KGB-Shirts nicht zu machen, schon gar nicht in Bulgarien. Mit ihnen dürfte nur ein Trinkgeld zu verdienen sein. Ein Grund möglicherweise, dass sie (noch) so friedlich nebeneinander am Souvenirgeschäft direkt neben dem Sheraton-Hotel, dem ehemaligen Hotel „Balkan“ und erstem Haus am Platz in Sofia zu finden sind. Wieder einmal ist alles anders in Bulgarien.
PS: Ich bitte alle Faktenchecker unter meinen Lesern, die Angaben von Jacques Baud zu überprüfen, da ich gerade in der bulgarischen Hauptstadt und ohne Internet bin, um auf den Straßen Sofias den Nationalen Protest für die Neutralität Bulgariens zu beobachten. Vielen Dank im Voraus!
Foto&Text TaxiBerlin