Bericht aus Bulgarien (234) – “Von deutschen Barbaren und deutschen Gastarbeitern”
Gestern habe ich meinem Nachbarn geholfen, was nicht ganz ungefährlich war. Ich musste mit der Leiter hoch steigen bis unters Dach und dort Verkleidungen anbringen. Mein Nachbar hat vor kurzem sein Dach neu machen lassen, aber ohne Verkleidungen. Das ist üblich bei bulgarischen Maistors, dass man ihnen nacharbeiten muss. Die richtigen bulgarischen Meister sind ja in Deutschland. Die hier verbliebenen Maistors werden auch “Basch-Maistors” genannt, was sowas wie “Fake-Maistors” bedeutet. Jedenfalls musste gestern der Gastarbeiter aus Deutschland ran. Eine neue Spezies, die in nächster Zukunft rasch zunehmen wird, wenn immer mehr Deutsche das Leben in der Heimat nicht mehr bezahlen können, wozu der Amerikaner “he can’t make a living” sagt. Keine große Geschichte für den deutschen Gastarbeiter, der bereits vor Ort ist, nur zehn Bretter mit jeweils zwei Schrauben anbringen, aber eben nicht ganz ungefährlich, weil in fünf Meter Höhe. Danach wollten wir kurz zusammensitzen und etwas trinken. Daraus wurde dann richtig Abendbrot essen mit Kartoffelbei zubereiten, Zwiebeln braten, Salat anrichten usw., – das volle Programm. Dass man sich nur hinsetzt und etwas trinkt, das geht beim Bulgaren nicht. Und obwohl ich schon so lange hier bin, vergesse ich das immer, bin ich also nicht nur deutscher Gastarbeiter, sondern steckt in mir auch ein deutscher Barbar. Denn nur etwas zu trinken ohne gleichzeitig etwas zu essen anzubieten, das gibt es nur beim geizigen Deutschen. Der Deutsche ist so geizig, der geizt sogar mit seinen Gefühlen. Beim Deutschen hätte es ein Bier gegeben, wenn überhaupt, und dann wär gut gewesen. Ein Unding beim Bulgaren, das ich dementsprechend auch noch nie erlebt habe hier. Nur etwas zu trinken und nichts dazu zu essen, ist beim Bulgaren völlig undenkbar, ist für ihn barbarisch.
Foto&Text TaxiBerlin