Bericht aus Bulgarien (24)
Gerade erreicht mich die e-mail eines Freundes, in dem sich folgender Satz findet: „Das Thema Corona ist in der Regel bei mir abgeschlossen, auch wenn hier und da immer wieder mal Flammen auflodern.“ Vergeblich versuche ich mir auflodernde Flammen vorzustellen, bei einem Thema, dass „in der Regel“ abgeschlossen ist. Es will mir einfach nicht gelingen. Und so gehe ich davon aus, dass sich die auflodernden Flammen auf den Satz beziehen, der folgt: „Mich beschäftigt zur Zeit mehr so das Thema Mann und Frau.“ Und da vor allem dieses Problem: „Wenn ich als Ehemann nun auch mal wieder vornehm ausgedrückt außerehelichen Sex haben möchte, dann … wird auch lieber als Fremdgehen bezeichnet, ist das moralisch scheinbar sehr verwerflich. Man wird auch Ehebrecher genannt, obwohl ich gar keine Ehe zerbrechen möchte.“
Ich fasse zusammen: Ein Freund in meinem Alter möchte sich aktuell mit mir „intensiv austauschen“, aber nicht über Bulgarien, und was ich hier treibe, und auch nicht über Corona, sondern über das Thema Mann und Frau. Ich finde das bemerkenswert, auch weil es ihm bisher scheinbar möglich war, ohne weiteres an Sex heranzukommen. Offensichtlich hat der Freund nun Corona-bedingt ein Problem, und ich gehe davon aus, nicht nur er. So dass ich mich frage, was aus all den Männern wird, denen es gerade ganz genauso geht wie meinem Freund, und die darüber hinaus auch noch jünger sind.
Mit dem von meinem Freund gewünschten Austausch halte ich es wie in meinem Taxi, in dem ein jeder alles sagen durfte – sogar die Wahrheit, und wo ich auch ehrlich meine Meinung gesagt habe, wenn ich danach gefragt wurde. Da der Freund nicht „einfach nur Sex“, sondern „Zuneigung oder Seelenverwandtschaft“ sucht, schlage ich ihm vor, mit seiner Frau über seine Bedürfnisse zu sprechen. Denn das kann kein Mann vor einer Frau verbergen, wohingegen „einfach nur Sex“ mit etwas Glück schon, aber selbst das ist schwer. Ich rate dazu nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aufgrund zahlreicher Gespräche mit Männern und Frauen bei mir im Taxi.
Foto&Text TaxiBerlin