Bericht aus Bulgarien (267) – “Rumenesk” vs. “Rumen-Muffata” (“Rumen, die Muffe”)

“Rumenesk”

Ich bin jetzt auch einer von diesen Typen geworden, die ständig nachdenken, nachdenken müssen. Alleine dieser Umstand macht mir Angst. Hinzu kommt, dass ich versuche, das Gedachte, also meine Gedanken, aufzuschreiben und in Worte zu fassen. – Der blanke Horror! Aber es wird noch schlimmer. Denn in diesem Zusammenhang habe ich herausgefunden, dass ich hochsensibel bin. Gut, das hatte sich bereits im letzten Jahr angekündigt. Da war mein Bürgermeister der Meinung, ich wäre prätentiös. Prätentiös bin ich natürlich auch. Prätentiös wird dem Deutschen praktisch in die Wiege gelegt, selbst einem halben. Aber prätentiös klingt, naja, es ist nun mal so, nicht gerade schön. Deswegen habe ich meinen Bürgermeister davon überzeugen können, dass ich sensitiv bin, so wie er. Das hat er irgendwie gefressen und eigentlich dachte ich, die Geschichte wäre damit abgeschlossen. Aber nein, nach sensitiv kam dann irgendwann sensibel und nun auch noch hochsensibel. Dass ich hochsensibel bin, habe ich aus dem Internet erfahren, und zwar von YouTube. Manchmal lege ich dort einen Studientag ein, und bei der Gelegenheit habe ich meine Diagnose hochsensibel erfahren. Es gibt da 15 Punkte, und wenn man mindestens 10 erfüllt, ist man hochsensibel. Bei mir waren es alle 15. Jetzt kann ich schlecht mit hochsensibel hausieren gehen, schon gar nicht in Bulgarien. Hochsensibel mag sich in Deutschland gut anhören, klingt aber für bulgarische Ohren schon wieder prätentiös. Obwohl es für meinen Bürgermeister sicherlich OK wäre, habe ich selbst ihm noch nichts erzählt davon. Gestern wurde mir nun ein anderes Wort für hochsensibel geschenkt, und zwar aus Amerika. Sonntags reden wir immer mit Amerika, ich bin ja seit einiger Zeit auch Amerikaner. Meine Frau ist hier in Bulgarien übrigens eine “Amerikanka”. Nicht schlecht, oder? Naja, und mir wurde gestern aus Amerika “Rumenesk” geschenkt. “Rumenesk” kann man nicht erklären, so wie man hochsensibel nicht erklären kann, zumindest keinem Bulgaren, will man nicht als prätentiös gelten. Dazu kommt, dass “Rumenesk” sowas geheimnisvolles, nahezu mystisches hat. Außerdem ist es eine Marke – “Rumenesk”. Gut, “Rumen” als Teil des Wiederkäuermagens, auch bekannt als Pansen, ist auch nicht schlecht. Das, was ich gerade schreibe, habe ich die ganze Nacht immer wieder vor mir hergesagt, praktisch aufgesagt, also wiedergekäut mit dem Wiederkäuermagen, dem Pansen, der auf lateinisch “Rumen” heißt. Deswegen klingt es so flüssig. So ist am Ende dieser Beitrag vor allem eines – “Rumenesk”. (Also wenn man es als Verb fürs Wiederkauen im Pansen, dem Rumen, nimmt.) “Rumenesk” hat auch den Vorteil, dass es besser als “Rumen-Muffata” ist. In meinem Dorf bin ich auch als “Rumen-Muffata” bekannt. “Muffata” deswegen, weil ich – typisch deutsch – beim Verlegen der Abflussrohre für Schmutzwasser immer auf einer Muffe als Verbindung zwischen zwei Rohren bestanden habe. In Bulgarien sind Muffen aber praktisch unbekannt. Der Bulgare erhitzt die Rohrenden und verklebt sie so miteinander.

 Foto&Text TaxiBerlin

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