Bericht aus Bulgarien (279) – “Ein Freund, ein guter Freund”
Gerade erreicht mich folgende aktuelle und schier unglaubliche Geschichte aus Deutschland: Ein Mensch in Not fragt bei einem vermeintlichen Freund an, ob dieser ihn für ein paar Tage bei sich aufnehmen könne, er würde auch dafür bezahlen. Platz hat dieser genug, aber nur ein Bad, was auch als Grund angegeben wird, dass aus der Aufnahme nichts wird. Der Hauptgrund ist aber, dass der vermeintliche Freund gerade keine weiteren Einnahmen gebrauchen könne, und zwar wegen der Steuer. Mit den zusätzlichen Einnahmen ist das Angebot gemeint, für die Aufnahme zu bezahlen. Ein offizieller Mietvertrag wäre nicht nötig, aber beim Bezahlen muss offensichtlich deutsche Ordnung sein bei dem vermeintlichen Freund. Es wird einem also nicht immer gegeben, wenn man bittet, wie ich neulich noch behauptet hatte. Eine gute Schule, das Bitten zu lernen, ist es allemal. – Auch ich kenne diesen vermeintlichen Freund. Im Sommer habe ich in seinem Auftrag einen Text über ihn als Künstler geschrieben, der ihm aber nicht gefallen und den er dementsprechend auch nicht bezahlt hat. So etwas kommt vor. Immerhin hat er angeboten, dass wir in einem halben Jahr, das wäre Anfang nächsten Jahres, über den Text sprechen. Ich habe dem zugestimmt, auch wenn ich nicht recht verstanden habe, wozu das halbe Jahr Wartezeit gut sein soll. Mittlerweile glaube ich, dass sich der vermeintliche Freund sozusagen bulgarisch aus der Affaire ziehen will. Früher konnte man sicher sein, dass man einen Bulgaren, der einen darum bittet, nur einen Moment zu warten, nie wieder sehen wird. Aber das war früher. Ob heute ein Bulgare einen Freund wegen der Steuer nicht bei sich aufnimmt, darüber ist mir (noch) nichts zu Ohren gekommen. Meine Erfahrungen mit Freunden hier in Bulgarien sind jedenfalls andere. Aber darüber hatte ich bereits geschrieben.
Foto&Text TaxiBerlin