Bericht aus Bulgarien (290) – “Aus der Erfahrung”
An meinem Bad im Wald, das mein Bürgermeister für mich gebaut hat
Neulich auf dem Geburtstag meines Nachbarn habe ich meinem Bürgermeister zugesagt, dass ich die Holzmöbel an meinem kleinen Mineralbad im Wald ölen werde, das er für mich gebaut hat. Öl und Pinsel will mir geben, das ist also nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich außer lesen und schreiben seit Wochen, ach was sage ich, seit Monaten, nichts anderes mache. Ich bin mir also nicht sicher, ob ich überhaupt noch streichen kann. Jetzt bin ich endgültig so einer geworden, der nur noch mit seinem Kopf arbeitet. Damit genau das nicht passiert, bin ich überhaupt Taxi gefahren damals. Jetzt habe ich oft richtig Kopfschmerzen vom vielen Denken. Und nun könnte es also passieren, dass ich wieder Blasen an den Händen bekomme vom Ölen. Denn geölt werden muss nicht nur die Bank und der Stuhl im Bild oben, was schnell getan wäre, sondern auch zwei große Unterstände mit vier Bänken und das ist richtig Arbeit. Aber versprochen ist versprochen, so denke ich. Ein Mann muss zu seinem Wort stehen. In dem Zusammenhang fällt mir meine Eselwanderung quer durch Bulgarien ein, die jetzt auch schon wieder 10 Jahre zurück liegt, und die ich auch gemacht habe, damit die Leute bei mir im Dorf wissen, dass auch ich verrückt bin, dass ich einer von ihnen bin. Verrückt zu sein kann auf Dauer ganz schön anstrengend sein, das sage ich nach jahrelanger Erfahrung. Es wird Zeit etwas anderes zu beginnen, das wichtigste im Leben sind bekanntlich die Veränderungen. Dazu passt auch das Lied “It’s a new day, it’s a new life”, das ich heute beim Aufstehen auf den Lippen hatte. Obwohl, so neu ist das neue Leben jetzt auch nicht. Seit Jahren mime ich nun schon den seriösen und zuverlässigen hier in den Schluchten des Balkans. Da muss ich dranbleiben, das sagt auch die Erfahrungen. Denn einmal unzuverlässig ist nicht mehr zuverlässig.
Foto&Text TaxiBerlin