Bericht aus Bulgarien (490) – “Unser Rumen”
Früher sagten die Menschen gerne zu ihrem Liebsten “meiner”, auch “das ist meiner” habe ich gehört. Der ein oder andere erinnert sich, auch wenn er es selbst nicht praktiziert hat oder davon betroffen war so wie ich. In Bulgarien passiert es, dass ich als “unser” bezeichnet werde, was auf bulgarisch “nash” oder “nashijat” (“наш” или “нашият”) heißt. Früher geschah es, wenn ich sagte, dass ich aus der DDR, also aus einem “Bruderland”, komme. Hintergrund war aber auch damals schon, dass ich einen typisch bulgarischen Namen habe. Da ich weder in Bulgarien geboren noch aufgewachsen bin, werde ich heute “Der Deutsche” oder “Rumen, der Deutsche” genannt. Jetzt, wo ich hier lebe, wird dem gerne “unser” hinzugefügt, also “unser Rumen, der Deutsche”. – Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen und müssen immer irgendwo dazugehören, und zwar zu etwas realem. Wir sind nicht diese Einzelwesen im Metaverse, wie es beispielsweise ein Mark Zuckerberg als Vertreter des neoliberalen Individualismus immer gerne behauptet. Wir sind auch keine kapitalistischen Einzelkämpfer, wie ich es als Berliner Taxifahrer lange Zeit war. Nun zum Bulgaren dazuzugehören, ist nicht das schlechteste, so denke ich. Auch hier gilt die bulgarische Devise: Es hätte schlimmer kommen können.
* Ich wurde darauf hingewiesen, dass die korrekte Übersetzung ist: “Gott, gib mir die Kraft, ein würdiger Bulgare zu sein!” – Vielen Dank dem Leser für den Hinweis!
Foto&Text TaxiBerlin