Bericht aus Bulgarien (557) – “Tage des Zorns”
Die Gewerkschaften erwarten, dass die Bürger ihren Zorn in einem Strafvotum kundtun könnten, und zwar bei den morgigen Wahlen. Die Rede ist also nicht von Frankreich (wackeln Präsident Macron jetzt vielleicht beide Eier?), sondern von Bulgarien, wo morgen gewählt wird. Wichtigster Grund für diese Annahme der bulgarischen Gewerkschaften ist die Inflation, die bei über 28 Prozent liegt im Land. Darüber informiert das staatliche Nationalradio “Christo Botew”. Angesichts der Duldsamkeit der Bulgaren eine erstaunliche Meldung. Was die Gewerkschaften nicht sagen, ist, wie genau sich der Zorn der Bevölkerung kundtun könnte. Werden diesmal mehr als nur 40 Prozent zur Wahl gehen. (Die wahre Inflation dürfte übrigens eher der Wahlbeteiligung entsprechen.) Oder wird eine bestimmte Partei gewählt? Man erfährt es nicht. Die Regierung hat für alle Fälle vorgesorgt. Diesmal wird es nicht nur Wahlautomaten, sondern auch eine Videoüberwachung der Wahlen übers Internet geben. Befindet sich das Wahllokal in einer Schule, kann schon mal Polizei davor stehen. Es gab Bombendrohungen per e-mail gegen Bildungseinrichtungen. Angeblich hat man auch schon den Absender gefunden. Es war, man glaubt es kaum, nicht Putin, sondern ein Schüler, dem langweilig war.
PS: Aus dem gelangweilten Schüler ist jetzt doch – was für eine Überraschung – Putin geworden. Laut bulgarischem Innenminister handelt es sich um hybride Angriffe aus Russland, die aber keine echte Gefahr darstellen. Man werde Menschen nur im Falle einer echten Bedrohung anweisen, die Wahllokale zu verlassen, so der Minister weiter. Darüber hinaus werde sperriges Gepäck außerhalb der Gebäude einer Kontrolle unterzogen. Zum Glück habe ich nur einen kleinen Koffer, mit dem ich mich nach der Wahl direkt zum Flughafen begeben werde. Ich kann nur hoffen, dass mich dort nicht die nächste Bombendrohung des gelangweilten Schülers erwartet, der seither aus dem Internet verschwunden ist.
Foto&Text TaxiBerlin