Bericht aus Bulgarien (86)
Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde gerade der ehemalige Ministerpräsident Boiko Borissow verhaftet. Er sitzt jetzt – sozusagen. Es ist also möglich, ehemalige Regierungschef ins Gefängnis zu stecken, nicht nur in Bulgarien.
Gegen Boiko Borissow sind die Leute in Bulgarien 2020/21 fast ein Jahr lang täglich auf die Straße gegangen, und das trotz Corona. Auf ihn als Person und die Korruptheit seiner Regierung zielt auch der Name „Wir setzten den Wandel fort“ der Partei ab, die im September vergangenen Jahres gegründet und im November die meisten Stimmen der 40 Prozent Wähler bekommen hat. Seit Dezember regiert sie auch, wenngleich ohne Mehrheit, denn die Mehrheit sind in Bulgarien die 60 Prozent Nichtwähler.
Dass die amtierende Regierung unter Kiril Petkow nicht früher gegen Boiko Borissow und die Korruption seiner nun ehemaligen Regierung vorgegangen ist, obwohl dies das erklärte Ziel war, der oberste Richter, gegen den sich ein Großteil des Protestes damals richtete, ist beispielsweise immer noch im Amt, daran ist Corona Schuld. In Zukunft wird praktisch am allem und jedem Corona Schuld sein (wahlweise auch Putin und/oder der Russe allgemein, dann wird es greifbarer), auch hier ist das kleine Land am Rand ein Vorreiter für den Rest der Welt. Da alle Corona-Maßnahmen und auch der Grüne Pass am Sonntag in Bulgarien wegfallen sollen, hat man nun endlich Zeit gefunden, sich um die Korruption, die es bekanntlich nur auf dem Balkan gibt, zu kümmern.
Dass es Korruption nur in Bulgarien gibt, hängt damit zusammen, dass sie andernorts anders heißt. Das ist so wie mit dem Kopf schütteln und dem Nicken. Das ist in Bulgarien auch anders, um genau zu sein umgedreht. Praktisch so wie der Freedom Day am Sonntag, den der frühere Ministerpräsident Boiko Borissow, übrigens ein guter Freund unserer früheren Kanzlerin Angela Merkel, im Gefängnis sitzend verbringen muss.
Es ist zu hoffen, dass Borissow seine Zeit dort nicht auf der Toilette absitzen muss, denn das wäre dann schon wieder Folter. Dazu muss man wissen, dass nur der Besuch einer balkanischen Toilette oft schon den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt. Auch an die Adresse all jener, die jetzt darüber nachdenken wegen dem Freedom Day hier und der drohenden Impfpflicht in der Heimat nach Bulgarien zu kommen, sei dies gesagt.
Dass man nicht der Toiletten wegen, auf denen man sich auch besser nie hinsetzt, nach Bulgarien kommt, so wie man nicht des Wetters wegen nach Berlin kommt, muss ich meinem depressiven Bekannten, der sein Kommen nun doch für Anfang April angekündigt hat, immerhin nicht erklären, denn er war schon mehrfach in dem kleinen Land sehr am Rand. Das ist ein großer Vorteil, denn die Toilettensituation in Bulgarien hat durchaus das Potenzial aus einer leichten eine schwere Depression zu machen.
Foto&Text TaxiBerlin