Bericht aus einem gebrochenen Land (058)

Neulich sprach ich mit einem Berliner Bekannten, der für offene Grenzen ist. Ginge es nach ihm, solle jeder, der möchte und es sich leisten kann, kommen und bleiben können. Für ihn wäre das praktisch, weil er selbst sein zuhause nur ungerne verlässt. Und wenn alle kommen können, müsse er nicht mehr verreisen. Der Obdachlose mit Migrationshintergrund vor seiner Tür ging ihm dann aber doch irgendwann auf die Nerven. Warum, blieb unklar, wenn er selbst sein zuhause doch nur ungerne verlässt. Jedenfalls hat er den Obdachlosen vor seiner Tür vertrieben. Als er dies erzählte, sah er richtig traurig aus. Fast hätte er geweint. Und ich mit ihm. Denn er hat Recht. So Obdachlose liegen einem immer nur im Weg rum. Selbst wenn sie betteln, sind sie zu nichts zu gebrauchen. Gibt man ihnen nichts, fühlt man sich schlecht. Und gibt man ihnen etwas, fühlt man sich auch nicht besser. Was sollte der Berliner Bekannte anderes tun, als den Obdachlosen – Migrationshintergrund hin oder her – zu vertreiben. Jetzt liegt der Obdachlose nicht mehr vor seiner Tür, sondern auf der Straße. Ganz genau auf dem Bürgersteig. Vor einer anderen Tür. Einer Ladentür. Da liegt der Obdachlose gut, zumindest für den Moment. Denn der Laden hat zu. Wie lange er dort liegen kann, ist ungewiss. Das Versprechen, den Vertrag verlängern zu können, macht dem Obdachlosen mit Migrationshindergrund aber Hoffnung, nicht gleich wieder vertrieben zu werden.

Foto&Text TaxiBerlin

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