Bericht aus einem gebrochenen Land (120)
Ein Stück Bulgarien in der Zentrale des deutschen Irrenhauses
Gestern war ich in der Stadtbibliothek bei mir um die Ecke, genau war es schon Lichtenberg und nicht mehr Friedrichshain. In einem kleinen Konferenzsaal, der zur Bibliothek gehört, stand ein Klavier. Die Räumlichkeit wird an diesem Tag von der Mieterberatung genutzt, auf die neben mir noch zwei Frauen warteten. Plötzlich stand eine von ihnen auf und begann auf dem Klavier zu spielen. Ich musste an kurze Clips auf YouTube denken, wo spontane Klaviereinlagen immer wieder Begeisterung auslösen. Es dauerte auch nicht lange, da kam jemand von der Bibliothek herüber in den Raum. Er war allerdings alles andere als begeistert – eher das Gegenteil. Er wies nämlich die Klavierspielerin darauf hin, dass das Klavier frisch gestimmt sei, und dass es teuer wäre ein Klavier stimmen zu lassen. Ich war total begeistert von dieser typisch deutschen Ansage und musste mir ernsthaft das Lachen verkneifen, was nicht oft vorkommt. In Deutschland darf also nur auf ungestimmten Instrumenten spontan gespielt werden, weil sie zu stimmen Geld kostet. Das erinnerte mich an einen bulgarischen Witz. In dem Witz erzählt der Sohn, der zum Studieren in die Hauptstadt gegangen ist, stolz seinem Vater, dass er neulich um Geld zu sparen dort einer Straßenbahn hintergelaufen sei. Daraufhin meinte der Vater zum Sohn, dass er besser einem Taxi hinterhergelaufen wäre …
Foto&Text TaxiBerlin