Leaving Berlin (052)
Eigentlich wollte ich nur runter ins Dorf, um im kleinen Dorfladen Pektin für meine Konfitüre zu besorgen, die ich aus meinen wilden Sauerkirschen mache. Da das von mir gewünschte in unserem kleinen Dorfladen ausverkauft war, machte ich mich auf den Weg ins fünf Kilometer entfernte Nachbarstädtchen. Das ganze zu Fuß. Ich bin davon ausgegangen, dass es Pektin immer gibt. Außerdem wollte ich einen Autofreien Sonntag machen. Als obiger Jeep russischer Bauart neben mir hielt, ich hatte unser Dorf noch nicht verlassen, konnte ich nicht widerstehen. Der Fahrer kennt mich, und ich ihn. Er brauchte noch Baumaterial, hatte also denselben Weg. Er hat unter Tage gearbeitet, wurde mit 45 berentet und hat nun genug Zeit und auch etwas Geld. Unter der Haube seiner Russenkuh sei ein Mercedes-Motor, erzählte er mir voller Stolz. Gurte zum Anschnallen gab es nicht, aber das war kein Problem. Nicht nur, weil er langsam fuhr. Sondern vor allem, weil er alle Polizisten kennt. Da waren gestern nur die pensionierten auf der Straße, die sich etwas dazu verdienen wollten und wohl auch müssen.
Nachdem das mit dem Pektin erledigt war, ich hatte plötzlich ein Fahrzeug samt Fahrer, die vor dem Supermarkt auf mich warteten, ging’s weiter zum Baumarkt. Der ist in einer alten Halle aus Blech und es herrscht Ordnung, zumindest für bulgarische Verhältnisse. Ganz wichtig ist der Kaffee-Automat links im Bild, der natürlich funktioniert, und an dessen Seite ebenfalls Produkte aus dem umfangreichen Angebot angebracht sind. Mein Fahrer wollte nur sechs Sack Zement, die er selbständig in sein Auto lud. Der Verkäufer zählte nur die Säcke.
Dann ging es auch schon zurück zur Baustelle bei mir uns Dorf. Dort das übliche Bild, das man auch auf Berliner Baustellen immer öfter antrifft, vorausgesetzt es gibt dort überhaupt irgendeinen Arbeiter. Hier gab es gestern insgesamt sieben Arbeiter, von denen immerhin einer arbeitete, was ein sehr guter Durchschnitt ist. Nachdem mir mein Fahrer den bereits erwähnten Mercedes-Motor unter der Motorhaube seiner Russenkuh gezeigt hatte, musste ich mir auch noch die Baustelle ansehen, die ich bei der Gelegenheit gleich abgenommen habe.
Zum Schluss bin ich noch zu meinem kleinen Mineral-Freibad gegangen, wo ich seit meiner Rückkehr noch nicht gewesen bin, und was ich gestern wohl wieder nicht geschafft hätte, hätte ich nicht meinen Fahrer gehabt. Mein Mineral-Freibad ist OK, mein Bürgermeister hat es am Samstag im Rahmen eines Subbotniks für mich herrichten lassen. Unweit gibt es ein Hotel, wo der Eintritt zum Mineral-Freibad für Nicht-Gäste jetzt 20 Lewa (10 Euro) kostet. Die habe ich gespart. Neben dem Autofreien Tag hatte ich mir auch vorgenommen, kein Geld auszugeben. Das ist mir fast gelungen, sieht man von dem Zucker und dem Geliermittel von Doktor Oetker ab.
Pektin zum Gelieren ist teuer geworden in der Heimat. Neulich in Berlin wollte man mehrere Euro für ein kleines Paket. Hier kostet die Tüte 1,39 Lewa (70 Cent), was OK ist. Der Zucker schlägt mit 2,09 Lewa (1,05 Euro) zu Buche. Zusammen habe ich 2,45 Euro (4,90 Lewa) ausgegeben. Dafür, dass ich nichts ausgeben wollte, ist das natürlich zu viel. Berücksichtigt man, dass ich einen Fahrer und jede Menge Spaß hatte, geht das absolut in Ordnung. Nicht zu vergessen der Besuch in meinem kleinen Mineralwasser-Freibad, den ich sonst nicht geschafft hätte und bei dem ich 20 Lewa (10 Euro) gespart habe. Zugegeben, es war alles ganz anders geplant. Aber das ist gerade das schöne in Bulgarien. Es ist nicht nur alles umgedreht, sondern es kommt auch immer anders als man denkt.