Wenn der Besuch einer Berliner Lokalität zum Besuch einer Toilette auf dem Balkan wird

Gestern Nachmittag in einem Café in der Stadt: Ich sitze draußen und habe mir selbst schon die Getränkekarte organisiert. Nachdem man mich eine halbe Stunde erfolgreich ignoriert hat, der Nachbartisch wurde bedient, gehe ich rein und bestelle mir am Tresen eine Fassbrause, die ich sogleich passend bezahle. Da die Kellnerin komisch kuckt, frage ich, ob etwas nicht stimmt. Daraufhin meint sie, dass etwas fehlen würde. Obwohl ziemlich überrascht, kann ich mir denken, was sie meint. Als Taxifahrer war auch ich viele Jahre Dienstleister. An eine solche Ansage meinerseits an einen Fahrgast kann ich mich aber nicht erinnern. Zur Kellnerin sage ich, dass ich bei Selbstbedienung kein Trinkgeld gebe. Kaum zurück draußen, kommt der Kellner und legt einen Zettel auf meinen Tisch, auf dem “Reserviert ab 17 Uhr” steht, und nuschelt irgendwas von “Retourkutsche” in seinen nicht vorhandenen Bart. Es ist 16:45 Uhr. Fünf Minuten später kommt er wieder, um mir mitzuteilen, dass er jetzt den Tisch fertig machen muss. Der Nachbartisch ist frei. Bevor ich hastig meine Fassbrause austrinke, sage ich ihm, dass ich das Café schlecht bewerten werde. Darauf er: “Das interessiert mich nicht!” – Ich war viel unterwegs in den letzten Jahren. Die meiste Zeit habe ich in Bulgarien verbracht, ich war aber auch in den USA. Ich bin kein Fan der Vereinigten Staaten, aber in Sachen Service haben die Amis echt was drauf. Eine solche Situation wäre dort undenkbar. Die Leute könnten ihren Laden dicht machen. Dafür gibt man aber dann auch Trinkgeld. In Bulgarien ist Trinkgeld immer noch eher die Ausnahme. Alleine deswegen ist eine solche Reaktion wie gestern in Berlin unvorstellbar. Der Service in Bulgarien ist weit entfernt von dem Service in den USA. Das Personal wird in aller Regel nicht gut behandelt. Das ist leider auch wahr. – Berlin war schon immer eine Service-Wüste. Aber warum nun diese Stufe der Eskalation? Ich erkläre es mir so, dass die Leute fertig sind. Überfordert, ausgelaugt und am Ende. Auch finanziell. Sonst würde man nicht auf etwas bestehen, auf das man keinen Anspruch hat. Schon gar nicht, wenn man gar keinen Service geboten hat. – Aber warum nun die Bilder? Auch der Toilettenbesuch ist in den USA besser geregelt als in Deutschland. Die Toiletten sind groß und sauber. Bezahlt habe ich in den Vereinigten Staaten für den Toilettengang, den ich genauso wie die Aufnahme von Flüssigkeit (z.B. Fassbrause) für ein Menschenrecht halte, noch nie. In Bulgarien wird manchmal Geld verlangt. Das schlimmste in Bulgarien sind aber die Toiletten selbst. Ich will sie nicht beschreiben, sondern nur darauf hinweisen, dass der Besuch einer Berliner Lokalität immer mehr dem Besuch einer bulgarischen Toilette gleicht. Da hilft auch kein “Eau de Toilette”.

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