Zurück in Bulgarien (080) – “Zugrundegehen lernen”

Bulgarien ist Deutschland nicht nur was die Uhrzeit angeht voraus (immerhin eine ganze Stunde), sondern auch was den Zustand des Landes betrifft. Die Welt, wie wir sie kennen, ist dabei unterzugehen. All die gewohnten Sicherheiten wie die Rente, die angeblich sicher ist, über Kranken- und Sozialversicherung, bis hin zum Dach über dem Kopf, das sich immer weniger Menschen in der Heimat noch leisten können. Auch in Bulgarien ist das Dach über dem Kopf alles andere als sicher, wie das Haus gegenüber meiner Hütte mir jeden Tag aufs Neue veranschaulicht. Immerhin, das Haus gehörte dem, der drin wohnte. Seine Nachkommen sind seit Jahren in aller Welt verstreut, darunter auch in Deutschland, weil sie in Bulgarien kein Auskommen mehr für ein halbwegs normales Leben fanden. Die Rückkehr ist für sie insoweit versperrt, weil ihnen hier das Dach über dem Kopf von der Natur genommen wurde. Ein Grund, warum ich hier bin – vielleicht der wichtigste. Ich will sicher gehen, dass die Natur nicht auch mir das Dach über dem Kopf nimmt. Bisher ist mir das halbwegs gelungen. Was der morgige Tag bringt, werde ich sehen. Woran ich in diesem Zusammenhang in letzter Zeit immer öfter denken muss, ist dieses Zitat von Goethe: “Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.” – Das Zugrundegehen ist demnach etwas Natürliches, zum Leben Dazugehörendes. Bulgarien ist nicht nur der ideale Ort, Achtsamkeit zu lernen, sondern auch das Zugrundegehen. Das hört sich schlimmer an, als es ist. Das sage ich aus eigener Erfahrung. Jeder kann es lernen. Und viele müssen es wohl auch.

Foto&Text TaxiBerlin

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