Nach der Wahl ist möglicherweise vor der Wahl in Bulgarien. Es kann durchaus passieren, dass hier im Herbst zum dritten Mal gewählt werden muss. Das Balkanland ist derzeit jedenfalls ohne Führung. Im Gegensatz zu Deutschland, das von Sektenführern geführt wird. Das meint zumindest Hanz-Joachim Maaz in obigen Interview, das so klingt, als wäre es in Bulgarien aufgenommen, das die “schlechteste” Impfquote hat und gleichzeitig kaum noch Corona-Tote, obwohl das Land voll ist von alten Leuten, die bekanntlich besonders gefährdet sind. Doch zurück zum Interview mit Hans-Joachim Maaz, der mir auch schon mal in Berlin im Taxi saß, als ich noch Taxi gefahren bin, und der sagt, dass der, der nicht von Sektenführern geführt werden möchte, mörderische Affekte aushalten können muss. Die kann ich auf jeden Fall bestätigen. An Sektenführer, die es sicherlich gibt, wenngleich gerade nicht in Bulgarien, habe ich andere Ansprüche.
Wir leben in einer Zeit des lebenslangen Lernens, so wurde und wird es uns erzählt, praktisch bis heute. Diese Ära ist dabei zu Ende zu gehen, und das Taxi fährt voran.
Demnächst soll ein jeder sich hinters Taxilenkrad setzen dürfen, auch wenn er nicht eine Straße oder auch nur ein Platz kennt. Sollte er doch einmal danach gefragt werden, wird die Antwort die sein, die es in Amerika zum Running-Gag der gesamten Dienstleistungsbranche geschafft hat: „I don’t know, I’m just working here!“ – Frage also in Zukunft nicht den Taxifahrer nach irgendetwas in der Stadt, sondern sei froh, wenn er das Autofahren beherrscht!
Es wird „gute“ Gründe geben, warum Nichtwissen plötzlich toll sein soll, auch wenn sich diese mir nicht erschließen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie man solche Leute heute nennt, früher nannte man sie Ewiggestrige, und ich gehöre definitiv zu ihnen. Das war nicht immer so. Früher glaubte beispielsweise auch ich, dass der Kapitalismus vor allem eines braucht: dumme Konsumenten. Auch wenn ich es nicht beweisen konnte, so erschien es mir doch logisch, zumindest theoretisch. Diese einstige Theorie wird gerade endgültig in die Praxis umgesetzt, wir waren damals nur der Zeit voraus.
In Zukunft kann es passieren, du kommst am Berliner Hauptbahnhof an, steigst dort in ein Taxi, in dem der Taxifahrer, bevor er die Fahrt beginnen kann, in sein Navi das Brandenburger Tor, dein Fahrziel, eingeben muss, auch wenn dieses kaum einen Kilometer entfernt und praktisch in Sichtweite liegt. Vorausgesetzt natürlich, der Fahrer ist des korrekten Schreibens kundig, weswegen die Eingabe wohl bald fernmündlich ala „Alexa“ erfolgen wird oder bereits erfolgt. Dann kann es auch schon losgehen mit deiner Beförderung, alles auf mündliche Anweisung und ganz nach dem bekannten Motto: „Führer befiel, wir folgen dir!“ Als ausgebildeter Führer für Berlin und Potsdam frage ich mich gerade, ob es demnächst auch Stadtführungen von Führern ohne Ausbildung geben wird. Möglich ist alles, der Führer hatte schließlich auch keinen Führerschein.
Sicherlich, Taxifahren ist nicht die Welt, aber immerhin das mobilste und möglicherweise auch das zweitälteste Gewerbe auf dieser. Ich will das Taxifahren aber gar nicht überbewerten. Ärzte ohne Medizinstudium wird es wohl nicht geben – oder? Und vielleicht stimmt der Satz von Maria von Ebner-Eschenbach auch gar nicht, dass derjenige, der nichts weiß, alles glauben muss. Möglicherweise ist alles auch ganz anders. Für mich als Ewiggestriger ist mit dem Wegfall der Ortskundeprüfung für Taxifahrer, dem Ende vom Ende des Taxis, jedenfalls klar, dass ich mich nie wieder hinter das Lenkrad eines Taxis setzen werde. Warum sollte ich mich selbst downgraden oder mich unter meinen Wert verkaufen? Das wäre ja so, als würde der Arzt plötzlich als Putzfrau auf seiner Station arbeiten. Und überhaupt: Taxifahren hat auch Ehre!
Ein klein wenig Hoffnung habe ich noch. Wenn das eingangs zitierte Mantra des ewigen Dazulernens stimmt, dann ist das jetzt möglicherweise nur eine Phase, die sich morgen, vermutlich eher übermorgen, schon wieder ins Gegenteil verkehren kann und Wissen plötzlich wieder wichtig ist. Ich würde das nicht komplett ausschließen wollen, erlaube mir allerdings zu bedenken zu geben, dass die Verblödung vergleichsweise zügig voranschreitet – abwärts geht es bekanntlich immer schneller. Setzt man sie in Relation zu der Zeit, die nötig ist, um sich Wissen anzueignen, tippe ich aus dem Bauch heraus auf 1:5 wenn nicht gar 1:10. Mit anderen Worten ausgedrückt: Um ein Jahr Verblödung wieder gut zu machen, bedarf es fünf, wenn nicht gar 10 Jahre Bildung.
Möglicherweise ist der Point Of No Return, ab dem die Verblödung gar nicht mehr als Verblödung sondern als Normalität wahrgenommen wird, die dementsprechend auch nicht mehr korrigiert werden muss, aber auch vorher erreicht ist. Die Dummheit des Menschen ist nicht nur unendlich, wie Einstein meinte, sondern es gibt für sie, ganz wie auf unseren Autobahnen (haben die nicht die Nazis erfunden?), auch kein Tempolimit. Vielleicht sind wir über den Point Of No Return auch schon hinaus, immerhin wird uns die fortschreitende Verblödung durchaus erfolgreich als „Modernisierung“ verkauft.
Dann ist sowieso alles egal, dann kann ich auch mein ganz persönliches Lieblings-Endzeitszenario verraten, bei dem, wie sollte es anders sein, das Taxi voran fährt: Ein Mensch von morgen, ich wette einer von diesen Taxifahrern ohne Ortskenntnisse, wird von der Künstlichen Intelligenz, eine Art Super-Navi für alles und jeden, welches irgendwann in der Zukunft das menschliche Denken komplett übernommen hat, mit angenehmer aber bestimmender Führerstimme dazu aufgefordert werden, einen ganz bestimmten Knopf auf seinem mobilen End-Gerät zu drücken, weil dies für die Welt das beste sei. Und was macht der Mensch von morgen? Genau, er drückt diesen ganz bestimmten Knopf, und die Welt wird erlöst sein. Denn die Welt ist besser dran ohne den Menschen, allen voran ohne den von morgen.
Seit meinem Beitrag über meinen Bürgermeister und sein „Barchen“, in dem ich immer meine gut gekühlte Coca-Cola aus der 250 ml Glasflasche für einen bulgarischen Lewa trinke, was immerhin 50 Cent sind, habe ich viel nachgedacht über mein Leben im Allgemeinen und meinen Aufenthalt hier in den Schluchten des Balkans im Besonderen. Das liegt daran, dass mir beim Schreiben des Beitrags klar geworden ist, dass ich kein Betrüger bin, wie ich immer dachte, sondern im Gegenteil jemand, der betrogen wird, um es mal so zu formulieren. Doch der Reihe nach:
Offiziell bin ich in Bulgarien im Auftrag des Berliner Arbeitsamtes, wobei „im Auftrag“ zugegeben etwas übertrieben ist. Die genaue Bezeichnung ist „Arbeitssuche im Europäischen Ausland“, zu der ich die „Leistung“ des Arbeitsamtes, also das Arbeitslosengeld, welches mir zusteht, weil es sich dabei um eine Versicherung handelt, in die ich viele Jahre eingezahlt habe, mitgenommen habe, weswegen man von Amts-, also von Arbeitsamt-wegen, von einer „Leistungsmitnahme“ spricht.
Diese mitgenommene „Leistung“, die pünktlich überwiesen wird, in diesem Punkt habe ich kein Grund zur Klage, beläuft sich auf 20,99 Euro am Tag, was 627,90 Euro im Monat sind. Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, schreibe ich nur ungerne über Geld. Da ich mich nunmehr aber dazu gezwungen sehe, möchte ich dabei umso genauer sein. Meine Wohnung in Berlin samt ihrer Nebenkosten kostet mich ziemlich genau 600 Euro im Monat, so dass mir von meiner „Leistungsmitnahme“ 27,90 Euro bleiben, was 99 Cent am Tag sind. Die ein oder andere Krämerseele wird jetzt möglicherweise auf seinem Sofa liegend einwenden, dass ich dann ja noch Wohngeld beantragen könnte. Auch daran habe ich natürlich gedacht, aber nicht umsonst geht’s beim Wohngeld nicht nur ums Geld, sondern im Wohngeld kommt auch das Wort Wohnen vor, und das tue ich nicht in Berlin. Wohngeld kannst du also vergessen meine lieber Korinthenkacker!
In Berlin würde ich jetzt losgehen und mich auf der Straße, wo ich viele Jahre zu Hause war, nach Büchern und leeren Flaschen umsehen, während ich die tausend Nachweise zusammensuchte, um besagtes Wohngeld beantragen zu können. Letzteres geht wie gesagt nicht, wenn ich gar nicht in Berlin wohne, und Bücher liegen hier in den Schluchten des Balkans nicht auf der Straße rum. Leere Flaschen liegen in Bulgarien dafür überall rum, und die meisten davon sind sogar aus Plastik, die in Deutschland immerhin 25 Cent das Stück einbringen, also ein Viertel meiner mir hier am Tag zur Verfügung stehenden Mittel, nur leider ist das deutsche Pfandsystem nicht bis in die Schluchten des Balkans vorgedrungen. Und Flaschen zu sammeln, um sie dann später in Deutschland abzugeben, funktioniert auch nicht, weil den Flaschen das deutsche Symbol fehlt, das sie erst zur wertvollen Pfandflaschen macht. Außerdem müsste ich sie dann noch irgendwie nach Deutschland bekommen, wo ich schon Sorge habe, ob und wie ich selbst überhaupt noch einmal nach hause nach Berlin komme.
Aber noch bin ich hier in Bulgarien und mir stehen genau 99 Cent am Tag zur Verfügung, was nicht nur ziemlich genau 1,95 Lewa sind, sondern auch 1,95 Deutsche Mark. In Bulgarien Geld zu tauschen ist immer auch eine Zeitreise, denn die bulgarische Währung hat bis heute den Wert der D-Mark. Hier kannst du, liebe gute alte D-Mark, also sehen, wie viel Wert du noch bist. In meinen weiteren Ausführungen werde ich deswegen die Beträge in D-Mark und nicht in bulgarischen Lewas angeben, einfach weil der Wert identisch ist, und damit du als Leser in Deutschland, der sich vielleicht noch persönlich an unsere gute alte D-Mark erinnert, etwas mehr damit anfangen kannst. Wie es dazu gekommen ist, dass der bulgarische Lewa 1:1 der deutschen Mark entspricht, soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem möchte ich das Stichwort „currency board“ für seine Recherche mit auf dem Weg geben.
Das erste, was ich nach meinem Kassensturz, bei dem herausgekommen ist, dass mir genau 99 Cent, also 1,95 D-Mark am Tag zur Verfügung stehen, beschlossen habe, ist, dass ich mir die eisgekühlte Coca-Cola aus der Glasflasche im „Barchen“ von meinem Bürgermeister nicht mehr leisten kann. Die kostet zwar nur eine ganze D-Mark, aber das sind gleich mal 50 Cent, also gut die Hälfte von den 99 Cent, die mir am Tag zur Verfügung stehen. Über meine weiteren einschneidenden Entscheidungen meinen Lebensstil in den Schluchten des Balkans betreffend, werde ich in meinen nächsten Beiträgen berichten, denn bei „Mein Leben mit 99 Cent“ handelt es sich um eine Serie. Was ich schon jetzt sagen kann, ist, damit mein Leben hier nicht nur rein rechnerisch, sondern auch ganz praktisch funktionieren kann, nicht nur einschneidenden Einschränkungen meines Lebensstil notwendig sind, sondern ich auch weitere neue Einkunftsquellen auftun muss.
Und da habe ich an dich gedacht. Sicherlich hast du dich beim Lesen auch schon gefragt, wie du mit 99 Cent am Tag zurechtkommen würdest. Solltest du eine Idee haben, so bin ich natürlich auch an der interessiert. Vor allem bin ich aber an deinem Geld interessiert. Das kannst du mir gerne Spenden, indem du mir etwas auf mein Konto überweist. Muss nicht viel sein, 99 Cent am Tag würden für den Anfang genügen. Immerhin würdest du meine jetzigen Mittel damit um 100 % aufstocken. Außerdem könntest du damit auch das Problem der Negativzinsen für dich lösen. Und zu guter Letzt kannst du die Spende von der Steuer absetzen. Was du dafür von mir bekommst, möchtest du natürlich wissen. Ich will es dir sagen: Ich versorge dich mit Informationen, wie in Zukunft auch du mit 99 Cent am Tag überleben kannst. Denn ich bin mit meinem Gang auf den Balkan „nur“ den Weg vorgegangen, den demnächst alle gehen werden – bald auch du.
PS: Bitte kontaktiere mich persönlich, um meine Bankverbindung zu erfahren. Danke im Voraus für deine Spende!
PPS: Da man in Bulgarien (noch) alles bar bezahlen kann, haben hier viele Menschen gar kein Konto. Auch ich überlege mein Konto in Berlin aufzulösen, für das die Gebühren im letzten Jahr von 1,50 auf 5,00 Euro im Monat über Nacht und um mehr als 200% gestiegen sind. Ich halte dich diesbezüglich auf dem Laufenden – wir finden einen Weg, wie der Bulgare für alles einen Weg findet, damit deine Spende trotzdem ankommt.
Foto&Text TaxiBerlin