Bericht aus Bulgarien (23)

Patenonkel Klaus mit seinen Patenkindern

Geträumt, dass sich der Klaus mit dem Olaf und der Ursula trifft, und ich bin irgendwie dabei. Wahrscheinlich so, wie ich bei den Protesten neulich in Sofia und bei den Demonstrationen letztens noch in Berlin dabei war, als Zeitzeuge. Jedenfalls kriegen die drei das mit und sprechen plötzlich englisch, weil sie denken, dass ich sie dann nicht verstehe. Vorher haben sie sich noch geduzt, was mir schon irgendwie komisch vorkam. Aber jetzt, wo sie englisch sprechen, hören sie sich noch komischer an, weil keiner von ihnen richtig englisch kann. Gut, ich auch nicht, aber ich verstehe sie trotzdem, obwohl sie etwas vor mir verheimlichen wollen. Sie sprechen über Geld, um genau zu sein über viel Geld. Das braucht man, wenn man ein Problem hat, das man nicht mit Geld lösen kann. Dann braucht man viel Geld. So sagt man auf dem Balkan. Vielleicht verstehe ich sie aber auch nicht richtig, die drei Deutschen, die gerade über mich entscheiden. Aber selbst wenn ich sie nicht verstehen würde, reicht ihre Körpersprache, um zu begreifen, dass die drei nichts Gutes im Schilde führen. Die Szene erinnert mich an „Der Pate“. Fehlt nur noch, dass einer von den beiden, also Olaf oder Ursula, den goldenen Ring vom Klaus küsst.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (24)

„Die Zeit vergeht: Berlin – Sofia“
Graffito in der bulgarischen Hauptstadt

Gerade erreicht mich die e-mail eines Freundes, in dem sich folgender Satz findet: „Das Thema Corona ist in der Regel bei mir abgeschlossen, auch wenn hier und da immer wieder mal Flammen auflodern.“ Vergeblich versuche ich mir auflodernde Flammen vorzustellen, bei einem Thema, dass „in der Regel“ abgeschlossen ist. Es will mir einfach nicht gelingen. Und so gehe ich davon aus, dass sich die auflodernden Flammen auf den Satz beziehen, der folgt: „Mich beschäftigt zur Zeit mehr so das Thema Mann und Frau.“ Und da vor allem dieses Problem: „Wenn ich als Ehemann nun auch mal wieder vornehm ausgedrückt außerehelichen Sex haben möchte, dann … wird auch lieber als Fremdgehen bezeichnet, ist das moralisch scheinbar sehr verwerflich. Man wird auch Ehebrecher genannt, obwohl ich gar keine Ehe zerbrechen möchte.“

Ich fasse zusammen: Ein Freund in meinem Alter möchte sich aktuell mit mir „intensiv austauschen“, aber nicht über Bulgarien, und was ich hier treibe, und auch nicht über Corona, sondern über das Thema Mann und Frau. Ich finde das bemerkenswert, auch weil es ihm bisher scheinbar möglich war, ohne weiteres an Sex heranzukommen. Offensichtlich hat der Freund nun Corona-bedingt ein Problem, und ich gehe davon aus, nicht nur er. So dass ich mich frage, was aus all den Männern wird, denen es gerade ganz genauso geht wie meinem Freund, und die darüber hinaus auch noch jünger sind.

Mit dem von meinem Freund gewünschten Austausch halte ich es wie in meinem Taxi, in dem ein jeder alles sagen durfte – sogar die Wahrheit, und wo ich auch ehrlich meine Meinung gesagt habe, wenn ich danach gefragt wurde. Da der Freund nicht „einfach nur Sex“, sondern „Zuneigung oder Seelenverwandtschaft“ sucht, schlage ich ihm vor, mit seiner Frau über seine Bedürfnisse zu sprechen. Denn das kann kein Mann vor einer Frau verbergen, wohingegen „einfach nur Sex“ mit etwas Glück schon, aber selbst das ist schwer. Ich rate dazu nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aufgrund zahlreicher Gespräche mit Männern und Frauen bei mir im Taxi.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (22)

Winter im Balkangebirge

Gestern musste mein Freund Jerry mit seinem Lada „Niva“ zu mir raufkommen, um mich von meinem Berg zu holen. Es ist nicht nur kalt geworden in Bulgarien, sondern es hat auch ordentlich geschneit, und ich habe nur einen normalen PKW ohne Allrad. Nachdem Jerry, den ich „Jerry, the German“ nenne, so wie mich mein Bürgermeister „Rumen, den Deutschen“ nennt, und ich zusammen auf dem Bazar im Nachbarstädtchen einkaufen waren, haben wir irgendwie meinen Wagen ins Dorfzentrum runterbekommen. Dort, also Downtown, steht er jetzt. Einsatzbereit, wenn ich ihn brauche, so hoffe ich. Die Idee, ihn dort abzustellen, stammt übrigens von Jerry, der immer sehr gute und vor allem praktische Ideen hat, was daran liegt, dass er viele Jahre in der Armee ihrer Majestät, der englischen Königin, gedient hat, viele Jahre davon in Deutschland, die meiste Zeit in Berlin. Jerry war sogar mal mit einer Deutschen verheiratet, ganz genau mit einer Ostdeutschen, so wie ich mal mit einer Bulgarin verheiratet war. Dass Jerry am liebsten Deutscher und kein Engländer wäre, hat damit zu tun, aber nicht nur. Jedenfalls ist Jerry deutscher als ich es bin, weswegen ich meinen neuen Freund hier „Jerry, the German“ nenne.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (21)

Demonstrant mit bulgarischer Verfassung
Sofia, 12. Januar 2022

Heute ist mein zweiter Artikel auf Multipolar erschienen, kaum dass ich zurück in meinem Dorf in der ärmsten Region Bulgariens, dem Nordwesten bin, die gleichzeitig eine der ärmsten Europas ist. Nachdem mein erster Beitrag den Titel „Bulgarien – die große Freiheit“ hatte, ist der aktuelle „Rote Linie in Sofia“ und beschäftigt sich mit dem nationalen Protest am 12. Januar in Sofia.
Ich bin froh, wieder in meinem Dorf zu sein, nachdem ich über eine Woche in Sofia war. Kaum angekommen, war ich bei meinem Bürgermeister, um ihm bescheid zu sagen, dass sein Einwohner „Rumen, der Deutsche“ zurück ist. Er war froh, mich wiederzusehen, und ich konnte ihm sogleich eine Packung Aspirin gegen seine Kopfschmerzen geben, denn ich hatte mir zwei Packungen davon in der bulgarischen Hauptstadt gekauft.
Am Abend wurde im Radio mitgeteilt, dass der bulgarische Ministerpräsident aktuell die Corona-Maßnahmen für seine Landsleute verschärft hat, die zuvor schon von seinem Volk mehrheitlich abgelehnt wurden. In dem Interview mit dem Übersetzer Martin Petrushev wurde ich gefragt, wie lange Petkow wohl Ministerpräsident sein wird. Angesicht der aktuellen Meldung denke ich, keine volle Amtsperiode.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (20)

 

Im Interview mit Martin Petrushev

Bevor morgen mein Bericht über den Protest hier in Sofia am vergangenen Mittwoch auf Multipolar erscheint, hier schon mal das Interview dazu, was Martin Petrushev am Montag bei ihm zuhause mit mir geführt hat. Martin habe ich im Sommer vergangenen Jahres auf den Straßen der bulgarischen Hauptstadt kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch die Idee, nach Deutschland zu gehen und dort sein Studium fortzusetzen. Diese Idee hat sich nunmehr zerschlagen, und seither übersetzt Martin Bücher. Zu den Büchern, die er bereits aus dem Deutschen ins Bulgarische übersetzt hat, gehören “Was tun” von David Engels, mit dem er auch ein Interview geführt hat, und “Endspiel des Kapitalismus” von Norbert Häring. Gerade hat er mit der Übersetzung von “Schöne Neue Welt 2030” begonnen. Alle Bücher erscheinen beim Ost-West-Verlag in Sofia, wo ich immer noch bin. Da aber hier nun alles erledigt ist für mich, werde ich mich morgen zurück in meine Region im Nordwesten begeben, der ärmsten des Landes. Vorher wollte ich unbedingt noch dieses Video veröffentlichen. Dass alles pünktlich wie in Deutschland fertig wurde, dafür danke ich Martin und seiner Frau, und natürlich auch für das schöne Interview, das mir viel Freude bereitet hat.

Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (19)

Le Bon & Sun Tsu

Gestern war ich auch noch in der Buchhandlung des Verlags “Ciela” an der Sofioter Universität, die sich in der Unterführung der Kreuzung der Boulevards “Zar Befreier” und “Wassil Lewski” befindet. Ich wollte einfach mal schauen, hab nichts spezielles gesucht. Leider wurde ich wie so oft fündig. Leider deswegen, weil ich eigentlich Geld sparen muss. Niemand weiß, wie lange der Ausnahmezustand anhält.

In Deutschland hat die Polizei gerade einen Freund von mir fest-, und seine Personalien aufgenommen, weil er an einem Spaziergang teilgenommen hat. Dafür soll er büßen, und zwar mit einer Geldstrafe von bis zu 3.000 Euro – praktisch mein gesamtes Erspartes. Nun bin ich nicht in Deutschland sondern in Bulgarien, und hier sind solche Strafen unbekannt, zumindest bisher. Auch deswegen kann ich mir noch Bücher leisten.

An den beiden Klassikern “Psychologie der Massen” von Gustave Le Bon und “Die Kunst des Krieges” von Sun Tsu bin ich gestern nicht vorbeigekommen. Das lag auch am Preis, jedes Buch sollte 8,90 Lewa (4,45 Euro) kosten – macht zusammen 17,80 Lewa (8,90 Euro). Ich muss dazu sagen, dass ich beide Bücher bereits habe, aber in Berlin und nicht in Bulgarien, wo ich sie brauche.

Das denke ich zumindest, wenn ich sehe, dass es in “Die Kunst des Krieges” von Sun Tsu auch das Kapitel “Anpassung” gibt. Dort findet sich zum Beispiel folgender Satz: “Baue diplomatische Beziehungen an den Grenzen auf.” Und dieser hier: “Es gibt Befehle der zivilen Regierung, denen du nicht gehorchen solltest.” Und auch dieser hier: “Bleibe nicht in unfruchtbaren Gebieten.”

Letzterer lässt mich überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist, Sofia zu verlassen. Auf jeden Fall diese Woche, so viel steht fest. Ab Freitag soll es wieder kälter werden. Wahrscheinlich werde ich morgen losmachen, zurück in die ärmste Region des Landes im Nordwesten. Morgen soll auch mein neuer Artikel über die Proteste hier in Sofia heute vor einer Woche auf Multipolar erscheinen.

PS: Der Leser meines Blog, der sich auch das Schwergewicht “Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens” zulegen wollte, ich hatte ihn hier erwähnt, hat sich bei mir gemeldet. Die Schrift in seiner Ausgabe vom Rhenania-Verlag ist “recht klein”, wie er schreibt. Ansonsten ist er aber “begeistert” und er wird sich sicher “einige Stunden” mit den 10 Bänden “auseinander setzen”, denn die Begriffe sind “gut erklärt” und “sehr gut zusammen getragen”

Vielen Dank für diese Rückmeldung!

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (18)

Chinesisches Essen in Sofia

Nach dem gestrigen Interview über die Demonstration am Mittwoch, das morgen veröffentlicht werden soll, bekam ich plötzlich Hunger. Ich wollte mal was anderes essen als immer nur bulgarisch, schließlich bin ich immer noch in Sofia, wo das ohne weiteres möglich ist. Spontan entschied ich mich für chinesisch, was ich schon immer mal machen wollte. Ich hab auch schon mal amerikanische Burger probiert, ist jetzt ein paar Jahre her. Die waren schlimm, würde ich nie wieder machen. Das chinesische “von allem etwas” (Foto), was mir die freundliche Bulgarin am Ausschank auf meinen Wunsch zusammenstellte, war ganz OK. Ich würde weitere Chinesen in Bulgarien ausprobieren, auch um zu sehen, wie die Preise dort sind. In dem kleinen Imbiss auf dem Markt “Rimska Stena” (Römische Mauer) in der Nähe vom Wassil-Lewski-Stadion, der von Chinesen betrieben wird, habe ich gestern 3,80 Lewa (1,90 Euro) bezahlt.

Foto&Text TaxiBerlin