Bericht aus Berlin (37) – “Alter weißer Mann”

Ich nicht
Ein Kollege hat mich neulich darauf hingewiesen, dass man es als alter weißer Mann alles andere als leicht hat, mit dem Schreiben sein Geld zu verdienen. Diesen Punkt hatte ich bisher noch nicht auf meiner Rechnung. Und dabei habe ich dem Amt gesagt, dass meine Firma “Desillusionist” heißen würde. Manchmal brauchen Desillusionisten auch Desillusionisten. Kurz habe ich überlegt, ob ich mich umoperieren lassen sollte. Dann würde es auch wieder mit dem Klopapier von obiger Werbung klappen, die einen gerade an allen Ecken der Stadt anschreit. Ich mag es aber prinzipiell nicht, wenn andere von “wir”, in dem obigen Fall von “ihr”, sprechen, oder wenn Leute sagen, dass “man” irgendetwas eben so mache. Ich persönlich mag es von hinten nicht, von hintenherum oder hinterm Rücken schon gar nicht. Ich mag’s nur von vorne – direkt und geradezu. “Sanft” oder “ultrasoft” mag ich’s auch nicht. In Bulgarien habe ich meinen Allerwertesten immer mit hartem, völlig saugunfähigem Zeitungspapier abgewischt. Das macht man so in den Schluchten des Balkans. Das mit dem Umoperieren werde ich jetzt doch besser sein lassen. Mich umpoperieren zu lassen kann ich mir nicht leisten. Ich werde also auch weiterhin als alter weißer Mann schreiben, schreiben müssen. Österreichs alter weißer Mann Thomas Bernhard hätte vermutlich “naturgemäß” dazu gesagt.

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Bericht aus Berlin (36) – “Bundesregierung der Rezession nicht gewachsen”

Never: Mehr Glücksgefühle
Oberbaumstraße, früher Kreuzberg, heute Friedrichshain-Kreuzberg

Auch beim ehemaligen Nachrichtenmagazin verlassen die ersten Ratten das sinkende Schiff. In der aktuellen Kolumne von Thomas Fricke liest sich das so: “… in Deutschland nehmen die Anzeichen für eine Rezession zu – und auch dafür, dass die Bundesregierung dem nicht gewachsen ist.” – OK, das ist nur eine Meinung. Aber ist heute nicht alles Meinung? Oder sollte ich besser Glauben sagen? Selbst “Die Manager sind pessimistisch geworden” – dann muss es ernst sein. Und weiter: “Die Corona-Rezession war vergleichsweise leicht!” – und da ging es schon um Leben und Tod! Komischerweise gilt hier aber: “Wie stark die nun drohende Rezession am Ende wird, lässt sich umso schwieriger vorhersagen.” Das ist nicht nur neu, sondern auch merkwürdig, denn auch die Wirtschaft ist eine Wissenschaft, um genau zu sein zwei: die Betriebs- und die Volkswirtschaftslehre. Da könnte eine Kapazität wie Drosten den Verlauf der Rezession nicht im Krankenhaus, sondern am Computer simulieren, genauso wie die Plandemie bis heute praktisch Tag für Tag aufs Neue geplant simuliert wird. Schade, dass dies nicht geschieht. Gerne hätte ich auch hier DER Wissenschaft vertraut. Oder gilt plötzlich wieder Rede und Gegenrede? Immerhin, man darf hier (noch) eine eigene Meinung haben. Und da gehe ich davon aus, dass es bei der Rezession genau umgedreht ist wie mit der Plandemie, durch die wir angeblich “taumeln”, was immer das heißen mag – also ich bin schon lange nicht mehr “getaumelt”. Vielleicht sollte der Autor von “Die Lage am Abend”, Wolfgang Höbel, einfach mit dem Alkohol aufhören. Es ist das, was mir einfällt, wenn ich “Deutschland taumelt durch den Corona-Sommer in den Corona-Herbst” lese. Zurück zum “umgedreht”, das ich nicht meine, weil in Bulgarien, wo ich das letzte Jahr verbracht habe und wo ich bald wieder sein werde, immer alles umgedreht ist. Das hat damit nichts zu tun. Ich vertraue meiner Lebenserfahrung und meinem Instinkt. Die Rezession wird, im Gegensatz zur Plandemie, richtig schlimm werden. Jeder ist gut beraten, sich schon mal warm anziehen und einen sicheren Ort zu suchen, wo er abtauchen kann. Ich empfehle die Schluchten des Balkans, damit die Rezession nicht bald das schafft, was Corona nicht geschafft hat, und zwar dich platt zu machen. Denn, so Thomas Fricke in seiner Kolumne “Der Wirtschaft droht der Absturz – was jetzt noch helfen kann” im ehemaligen Nachrichtenmagazin weiter: “Einigermaßen sicher ist nur, dass es fatal wäre, noch lange auf Belege zu warten. Wenn die Spirale sich einmal dreht, ist sie umso schwerer zu stoppen – und ist es zu spät, um Schlimmeres noch zu verhindern.”

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Bericht aus Berlin (34) – “Ich habe es satt!”

Ein klein wenig Mut gehört dazu.

 

Habe ich vorhin noch geschrieben, dass die meisten heute immer noch schweigen und mit dem Strom schwimmen, so gibt es auch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist Prof. Dr. Knut Löschke, Mitglied des Hochschulrates in der Universität Leipzig, Kuratoriumsmitglied des Max-Planck-Institutes für Mathematik in den Naturwissenschaften – Aufsichtsratsvorsitzender des Universitätsklinikums Leipzig und des IT-Beratungsunternehmens Softline AG, mit folgendem klaren Statement:

Ich habe es satt, oder, um es noch klarer auszudrücken: ich habe die Schnauze voll vom permanenten und immer religiöser werdenden Klima-Geschwafel, von Energie-Wende-Phantasien, von Elektroauto-Anbetungen, von Gruselgeschichten über Weltuntergangs-Szenarien von Corona über Feuersbrünste bis Wetterkatastrophen. Ich kann die Leute nicht mehr ertragen, die das täglich in Mikrofone und Kameras schreien oder in Zeitungen drucken. Ich leide darunter miterleben zu müssen, wie aus der Naturwissenschaft eine Hure der Politik gemacht wird.

Ich habe es satt, mir von missbrauchten, pubertierenden Kindern vorschreiben zu lassen, wofür ich mich zu schämen habe. Ich habe es satt, mir von irgendwelchen Gestörten erklären zu lassen, dass ich Schuld habe an Allem und an Jedem – vor allem aber als Deutscher für das frühere, heutige und zukünftige Elend der ganzen Welt.

Ich habe es satt, dass mir religiöse und sexuelle Minderheiten, die ihre wohl verbrieften Minderheitenrechte mit pausenloser medialer Unterstützung schamlos ausnutzen, vorschreiben wollen, was ich tun und sagen darf und was nicht.

Ich habe es satt, wenn völlig Übergeschnappte meine deutsche Muttersprache verhunzen und mir glauben beibringen zu müssen, wie ich mainstream-gerecht zu schreiben und zu sprechen habe.

Ich habe es satt mitzuerleben, wie völlig Ungebildete, die in ihrem Leben nichts weiter geleistet haben, als das Tragen einer fremden Aktentasche, glauben Deutschland regieren zu können.

Ich kann es nicht mehr ertragen, wenn unter dem Vorwand einer „bunten Gesellschaft“ Recht und Sicherheit dahinschwinden und man abends aus dem Hauptbahnhof kommend, über Dreck, Schmutz, Obdachlose, Drogensüchtige und Beschaffungskriminelle steigen muss, vorbei an vollgekrakelten Wänden.

Ich möchte, dass in meinem Land die Menschen, gleich welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe und gleich welcher Herkunft wertgeschätzt und unterstützt werden, die täglich mit ihrer fleißigen, produktiven und wertschöpfenden Arbeit den Reichtum der ganzen Gesellschaft hervorbringen: die Mitarbeiter in den Unternehmen, die Handwerker, die Freiberufler, die vielen engagierten und sozial handelnden Unternehmer der kleinen und mittständischen Wirtschaft.

Ich möchte, dass die Lehrer unserer Kinder, die Ärzte und Pfleger unserer Kranken und Hilfebedürftigen die Anerkennung, die Wertschätzung und die Unterstützung erhalten, die sie täglich verdienen. Ich möchte, dass sich die Jungen und Ungestümen in den wohlgesetzten Grenzen unseres Rechtsraumes austoben aber sich auch vor ihren Eltern und Großeltern, vor den Alten und Erfahrenen verneigen, weil sie die Erschaffer ihres Wohlstandes und ihrer Freiheit sind.

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Bericht aus Berlin (33) – “Sommer der Freiheit”

Denke radikal
Gestern bezeichnete ein Freund von mir den Sommer in diesem Jahr als den “Sommer der Freiheit”, und ich denke, dass er Recht hat. Auch mich erinnert dieser Sommer an den des Jahres ’89, als etwas in der Luft lag, was alle spürten, aber kaum jemand aussprach. Dass es kaum jemand aussprach, lag auch daran, dass keiner genau wusste, wissen konnte, wie der Sommer enden würde. Auch damals hatten sich, so wie heute, viele Probleme angehäuft, die nach einer Lösung schrieen. Dass diese Lösung auch diesmal eine andere sein wird, als sie von vielen erhofft wird, liegt auf der Hand. Damals wollten die allermeisten eine bessere DDR. Was sie bekamen, war die Wiedervereinigung. Was es auch wieder geben wird, und das zahlreich, sind Menschen, die behaupten werden, schon immer gewusst zu haben, dass es so wie bisher nicht weiter gehen kann. Dass sind die, die heute schweigen und es vorziehen, mit dem Strom zu schwimmen. Um das alles zu wissen, muss man kein Prophet sein. Man muss nur seinen Gefühlen und seinem Instinkt vertrauen. Ein bisschen mutiges oder auch radikales Denken gehört natürlich dazu.
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Bericht aus Berlin (32) – “Sie werden plaziert”

Heute mittag am Frankfurter Tor

Auch bei der Berliner Polizei muss gespart werden, und zwar am Sprit. Deswegen werden Demonstranten neuerdings mit einem Wägelchen weggefahren, das bisher für Möbel diente. “Demonstrationsteilnehmer als Möbelstücke”, oder auch “Umweltbewegte lassen sich bewegen” – so könnte man die neue Entwicklung zusammenfassen, und sie dürfte ganz im Interesse der Demonstrierenden sein. Denn wenn ich richtig informiert bin, wurde die Kreuzung am Frankfurter für über eine Stunde aus ökologischen Gründen blockiert, möglicherweise waren aber auch persönliche dabei. Böse Zungen sprechen bereits von vorauseilendem Gehorsam der Ordnungshüter. Man darf gespannt sein, wie die serviceorientierte Berliner Polizei reagiert, wenn es im Herbst wieder mit “Wir impfen euch alle!” der Antifa los geht, die so antifaschistisch ist, wie der antifaschistische Schutzwall es war.

PS: Schade, dass es bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen keine solchen ökologischen Wägelchen sondern Wasserwerfer zum Einsatz kamen.

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Bericht aus Bulgarien (173) – “Ins Chaos stürzen”

Auf einem Protest gegen die “militärtechnische Hilfe” in Sofia

Im Westen sorgt man sich, dass Bulgarien, das seit gestern keine Regierung mehr hat, was bereits im April im Bulgarischen Nationalradio “Christo Botew” von einem Politikpsychologen vorhergesagt worden war, “ins Chaos stürzen” könnte. Dass die jetzt durch ein Misstrauensvotum gestürzte Regierung keine Mehrheit im Land hatte – wie auch? bei 60 Prozent Nichtwähler! -, scheint für den Westen kein Problem zu sein, solange der Gewinner der richtige ist war. Der abgewählte Regierungschef Petkow hat in Harvard studiert, er war nicht nur pro europäisch, sondern vor allem pro amerikanisch. Deswegen kommt die Sorge wohl vor allem aus den USA. Dort sorgt man sich aber weniger um die Bulgaren, um die sorgt man sich Null, sondern um die im April beschlossene “militärtechnische Hilfe” für die Ukraine. In einem aktuellen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung von dem Journalisten Volker Pabst in Istanbul, nicht in Sofia, kommt die Sorge der Amerikaner bereits im Untertitel vor: “Auch für die Militärhilfe an die Ukraine könnte es Folgen haben”. Ich persönlich hoffe sehr, dass es ausnahmsweise mal so ist, wie es in der Zeitung steht, denn ich gehöre zu den 80 Prozent der Bulgaren, die die “militärtechnische Hilfe” für die Ukraine ablehnen. Bis zum Schluss konnte keiner der Verantwortlichen sagen, was genau sich hinter ihr verbergen soll. An erster Stelle war sie wohl eine Hintertür für die Regierenden und der Eintritt Bulgariens in den Krieg. Das war und ist nicht nur meine Sorge, sondern die der übergroßen Mehrheit der Bulgaren. Wenn “ins Chaos stürzen” bedeutet, dass der Willen dieser Mehrheit nun endlich Gehör findet, bisher bin ich davon ausgegangen, dass dies ganz normal wäre in einer Demokratie, dann bin ich fürs “ins Chaos stürzen”.

PS: Die FAZ spricht von einem “Sturz” Petkows. Hätte sie bei Boris Johnson auch von einem “Sturz” gesprochen, hätte er das Misstrauensvotum nicht überstanden?

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Bericht aus Berlin (31) – “ernstzunehmende Krise”

Die Krise ist nun auch ganz offiziell angekommen
Dass wir uns in einer “ernstzunehmenden Krise” befinden, ist nun endlich auch bei den Regierenden angekommen. Wirtschaftsminister Lindner rechnet mit “drei bis vier, vielleicht fünf Jahren der Knappheit”. Wie er auf diese Zahl kommt, bleibt unklar. Merkwürdig auch, dass nicht zwischen Anlass und Ursache unterschieden wird. Natürlich ist es schön, einen Schuldigen zu haben. Aber ist Putin jetzt wirklich an der Inflation Schuld? Oder Corona an der großen Depression? Oder ist es nicht doch eher so, dass die Finanzkrise der Ausgangspunkt der leider jetzt erst diagnostizierten “ernstzunehmenden Krise” ist? Und wenn dem so ist, was ist dann von der Prognose “drei bis vier, vielleicht fünf Jahre der Knappheit” zu halten? Ich denke, es ist wie bei einer zu spät erkannten Krankheit, zum Beispiel Krebs. Entweder stirbt der Patient oder ihn erwartet ein langer, meist sehr langer Heilungsprozess. Da ich Optimist bin, gehe ich davon aus, dass der Patient überlebt. Was die Dauer des Heilungsprozesses angeht, halte ich mich aber nicht an Christian Lindners Prognose von “drei bis vier, vielleicht fünf Jahren der Knappheit”, sondern an Otto Reutter, der meinte: “In 50 Jahren ist alles vorbei”.

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Bericht aus Berlin (30) – “Wiedersehen in Deutschland”

“How do you really feel?”

Am Wochenende habe ich alte Bekannte in der Heimat besucht, die ich fast zwei Jahre nicht gesehen habe. Ich hatte vorher angerufen, mein Kommen telefonisch angekündigt, mich sozusagen angemeldet. Als wir uns dann endlich nach so langer Zeit gegenüberstanden, war das erste, was ihnen einfiel, das sie mir sagten: “Nicht drücken!” – Nicht: “Wie schön, dich wiederzusehen!”, nein: “Nicht drücken!” Es folgten Fragen nach meinem Impfstatus und ob ich getestet sei. Keine danach, wie es mir geht, oder was ich in den letzten beiden Jahren gemacht habe. Die Situation war neu für mich, und ich bin immer noch dabei, sie zu verdauen. Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt gehabt, und ich wünsche es keinem, eine solche Erfahrung.

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Bericht aus Berlin (29) – “Schlimmer als bei den Kommunisten”

Rigaer Straße im Friedrichshain
heute Friedrichshain-Kreuzberg

Früher war das Verhalten Berliner Behörden seinen Bürgern gegenüber ein allgegenwärtiges “Leck mich!”. Es drückte sich unter anderem dadurch aus, dass man monatelang darauf warten musste, auf dem Bürgeramt die simpelsten Sachen erledigen zu können, beispielsweise eine Parkplakette zu beantragen. Einen Termin zu bekommen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Bis heute sind alle Termine auf die nächsten drei Monate ausgebucht. Weiter in der Zukunft können keine Termine gebucht werden im Internet. Früher konnte man mit etwas Glück noch telefonisch einen Termin bekommen. Das geht heute nicht mehr, weil die Telefonauskunft auch nur die freien Termine im Internet sieht, die man selbst auch sieht. Einfach eine halbe Stunde vor Öffnung des Bürgeramtes vor der Tür zu warten und als erster seine Angelegenheiten zu erledigen, ging früher, ist heute aber nicht mehr möglich. Will man jetzt einen neuen Reisepass beantragen, brauchte man bereits zwei Termine, den zweiten zur Abholung. Aus einer Formalität “neuer Reisepass” ist ein Happening geworden, besser: Russisch Roulette. Beschwert man sich, erhält man nun auch keine Antwort mehr, die man selbst von den Kommunisten bis zum Schluss bekam. Spätestens seit Corona gilt das Berliner “Leck mich!” für ganz Deutschland, und nicht nur auf den Bürgerämtern. Da heute immer alles Englisch sein muss, heißt es jetzt wie oben. Dass das neue Motto ausgerechnet an einer Schule, genauer an einem Gymnasium, bei mir im Kiez steht, spricht Bände. Wahrscheinlich muss man heute bereits erklären, was “spricht Bände” bedeutet.
PS: Neuerdings erreicht man auch telefonisch niemanden mehr auf den Ämtern.

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