Bericht aus Bulgarien (176) – “Die Bulgarischen Stadtmusikanten”

Etwas Besseres als den Tod finden sie überall
In Bulgarien ist vieles anders und einiges sogar umgedreht. Ja, also Kopfnicken, bedeutet Nein. Nein wiederum, bei uns das Schütteln des Kopfes, beim Bulgaren eher ein hin und her wiegen desselbigen, heißt Ja. Die Bulgarischen Stadtmusikanten können hier sowohl Kuh, Ziege und Hase sein, aber auch Pferd, Schwein, Gans und Hahn samt Spatz auf dem Boden (nicht in der Hand!) sein. In Bulgarien hat man als Stadtmusikant also die Wahl. Gleich haben sie mit den Bremer Stadtmusikanten ihr Motto, dass man etwas Besseres als den Tod überall findet. In Bulgarien sowohl im sprichwörtlichen, als auch im wortwörtlichen Sinne, denn obige Tierdarstellung in Rot ist die Werbung eines hiesigen Metzgers. Es ist also auch gleichzeitig eine Warnung. Dass der Esel dabei fehlt, könnte mit Orwells “Farm der Tiere” zu tun haben. In dem Klassiker ist der Esel Benjamin das klügste Tier, das, weil er lesen kann, den für das Pferd Boxer, das sich zu Tode geschuftet hat, was dem Esel Benjamin nicht passieren könnte, angekündigten Krankenwagen als einziger als Abdecker identifiziert. Es stimmt wirklich: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Manchmal reicht es aber auch aus, die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (175) – “Umsonst und draußen”

 

John McLaughlin in Sofia
Für meinen Empfang in Bulgarien hat man in Sofia keinen geringeren als John McLaughlin auf die Bühne gebracht. Dazu muss man wissen, dass das kleine Land am Rand derzeit keine Regierung hat. Die alte Regierung, die von Anfang keine Mehrheit im Land hatte (wie auch? bei 40 Prozent Wahlbeteiligung!) wurde aber nicht gestürzt, wie in der Heimat behauptet, sondern mittels Misstrauensvotum im Parlament abgewählt. Ein ganz normaler Vorgang in einer Demokratie. Der angebliche Sturz ist ein alternativer Fakt, Fake News. Alternativer Fakten bedient sich auch der ukrainische Botschafter in Berlin, ich hatte an dieser Stelle über ihn geschrieben. Dass jetzt auch die Berliner Zeitung über ihn und seine alternativen Fakten schreibt, spricht für sie. Kein alternativer Fakt ist, dass obwohl Bulgarien gerade keine demokratisch gewählte Regierung hat (oder vielleicht auch gerade deswegen) ein Jazz-Urgestein wie John McLaughlin umsonst und draußen, so wie es in Berlin in Neunzigern üblich war, in der bulgarischen Hauptstadt auftritt. Das “A to Z Jazz-Festival” ist aber nicht nur umsonst und draußen, sondern auch extrem gut organisiert, so wie hoffentlich bald das ganze Land. Dazu braucht es klare und gerade Menschen und keine, die alternative Fakten und Fake News verbreiten. Vorher müssen die richtigen Fragen gestellt werden, wie es die Berliner Zeitung tut: “Wer zieht da welche Strippen? Wer verfolgt welche Interessen?”
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (174) – Man sieht nur die im Lichte

Hier wird demnächst nur 550 Metern entfernt von einer bereits existierenden Filiale Sofias nächster Starbucks aufgemacht. Im Moment lebt noch eine Frau vor dem Eingang und genießt den Schatten. In Sofia scheint mächtig die Sonne und es sind 33 Grad. Gerade gewittert es etwas und regnet leicht. Auch davor ist die Frau geschützt – noch. Denn demnächst wird Starbucks hier eine neue Filiale eröffnen. Ich war noch nie bei Starbucks, so wie ich noch nie mit einem Uber gefahren bin. Lieber laufe ich und verzichte auf Kaffee, trinke – so wie die Frau – Mineralwasser.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (48) – “Letzter Gruß”

Ohne Coca Cola

Letzte Grüße vom nervigsten Flughafen ever: BER. Alles äußerst Barock hier, eben typisch deutsch. An den Menschen ist nicht gedacht. Schluck Wasser? Fehlanzeige! Nirgendwo. Nur Coca Cola. Die kleine Flasche für 3,50€. Kann ich mir nicht leisten. Hole mir Wasser vom Klo. Dafür überall Schlangen. Hab im ganzen Osten nicht so lange angestanden wie eben. Früher kommen lohnt sich übrigens nicht, weil der Abfertigungsschalter erst zwei Stunden vor Abflug öffnet. Ist ‘ne Fehlinformation, ‘ne Ente. Auch hier spart man an Menschen, weil die müsste man ja bezahlen. Zum Glück hat der Flug Verspätung. Das Flughafenlabyrinth ist Kafkaesk. Das Warteklo “B44” ist gefühlt kurz vor Sofia. Eigentlich hätte ich auch gleich laufen können. 

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (47) – “Aufklärung statt Propaganda”

Immer mehr Menschen leben in Berlin auf der Straße

Im ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg war neulich folgender Satz zu lesen: “Als die Stadt kürzlich einen Zensus der obdachlosen Bevölkerung durchführen ließ, zählten sie die Menschen in den selbstgebauten Hütten nicht mit – schließlich hätten sie ein Dach über den Kopf.” Warum die Autorin Nicola Abé dafür um die halbe Welt ins brasilianische Sao Paulo jetten musste, bleibt unklar. Denn fest steht: Berlin hätte es auch getan. Immer mehr Menschen leben in der deutschen Hauptstadt auf der Straße. Das fällt einem besonders auf, wenn man so wie ich längere Zeit im Ausland war. In Bulgarien ist das Phänomen Obdachlosigkeit praktisch unbekannt, weil man in den Schluchten des Balkans nicht zur Miete wohnt, sondern in den eigenen vier Wänden, wie immer diese im Einzelfall aussehen mögen. Dank der zahlreichen im Land vorhandenen Wasserquellen wird dort auch niemandem vorgeschrieben, wie lange er duschen darf. Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck gibt den Sarrazin, der den Menschen seinerzeit einen wärmenden Pullover empfahl, und niemand merkt es, am wenigsten das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg. Traurig, traurig.

Foto&Text TaxiBerlin