Wie Haltungsjournalismus funktioniert

und Haltungsjournalisten sind keine Journalisten

Ich erfahre gerade vom ehemaligen Nachrichtenmagazin, dass wieder Tausende Ostdeutsche gegen die Energiepolitik der Bundesregierung demonstrieren. Warum man in Hamburg über Randgruppen berichtet ist unklar, denn das Innenministerium kündigt genaue Zahlen erst für Dienstag, also für heute, an, wie ich aus dem zweiten Absatz erfahre. Dies bedurfte offensichtlich einer Wiederholung, denn im vierten Absatz erfahre ich noch einmal, dass die Polizei genaue Zahlen zu den Teilnehmern am gestrigen Abend nicht nannte. Nichts genaues weiß man also nicht – vielleicht das wichtigste Merkmal von Haltungsjournalisten überhaupt. Bloß nichts wissen, dafür aber immer die richtige Haltung haben. Trotzdem wird es noch interessant, denn der folgenden Satz beginnt mit “Allerdings”, wobei für mich als Leser zunächst unklar ist, worauf sich dieses “Allerdings” bezieht. Auf die Teilnehmerzahl kann es sich nicht beziehen, denn die ist – wie ich mehrfach erfahren musste – nicht bekannt. Beim Lesen des ganzen Satzes: “Allerdings seien die Proteste weitestgehend ruhig verlaufen, sagte ein Polizeisprecher in Sachsen.” wird klar, dass sich “Allerdings” auf “ruhig verlaufen” bezieht und ein Bedauern des Haltungsjournalisten, sein Name ist nicht angegeben, zum Ausdruck bringt. Ehrlicher wäre gewesen, er hätte “leider verliefen die Proteste friedlich” geschrieben. Denn der Wunsch des Haltungsjournalisten war offensichtlich ein anderer, vermutlich das Gegenteil von “ruhig”. Ihm kann dies persönlich auch egal sein, er war sowieso nicht vor Ort beim Protest. Immerhin gibt es die deutsche Sprache, die immer mit im Spiel und darüber hinaus so genau ist, dass sie den enttarnt, der sie nicht richtig beherrscht – den Haltungsjournalisten.

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Bericht aus Bulgarien (246) – “Auswandern”

Junge Frau in Sofia
Der Sohn meines Nachbarn, er hat einige Jahre in Deutschland gearbeitet und besitzt auch eine Wohnung in der Nähe von Frankfurt am Main, war sich bereits vor zwei Jahren sicher, dass demnächst viele junge Deutsche ihre Heimat verlassen und einige auch nach Bulgarien kommen würden. Auch wenn das Szenario in dem Moment noch unvorstellbar war, wollte ich es nicht nur nicht ausschließen, sondern hielt es für absolut möglich und auch wahrscheinlich. Zunächst sind einmal so einige junge Bulgaren in ihre Heimat zurückgekehrt, insbesondere aus Deutschland und Österreich, wo die Folgsamkeit der Menschen am größten und der gesunde Menschenverstand dementsprechend am schnellsten abhanden gekommen ist seit Corona. Ich habe mit einigen Zurückkehrern gesprochen, nicht nur auf der Veranstaltung von David Engels, sondern auch auf den zahlreichen Protesten in Sofia, bei denen ich als Zeitzeuge zugegen war. Neulich las ich nun den Artikel Ein Land zum Davonlaufen” von Roberto J. De Lapuente auf Rubikon. Der Artikel ist sehr persönlich, er handelt davon, wie der Autor Abschied von seiner Tochter nimmt, die nach Portugal geht, also auswandert. Da ich mit Roberto schon zuvor einen Austausch per e-mail hatte, und ich auch gerne seine Artikel lese, schrieb ich ihm kurzerhand, um ihm zu seinem gelungenen Artikel zu gratulieren. In seiner Antwort brachte Roberto seine Hoffnung zum Ausdruck, dass seine Tochter eines Tages zurückkommt, weil das Leben in Deutschland wieder lebenswert geworden ist. Das fand ich gut, es hat mir sofort gefallen, auch weil ich es selbst gar nicht auf dem Schirm hatte, weil seit Jahren der Weg Deutschlands ein anderer ist, und zwar zum Weglaufen. Das bedeutet aber nicht, dass ich als halber Deutschland nicht leiden würde deswegen. Ganz im Gegenteil. So, wie es momentan dort aussieht, bereitet es mir sogar körperliche Schmerzen. Dass ich diese Schmerzen empfinde, empfinden kann und auch muss, bedeutet, dass mir meine alte Heimat wichtig ist. Wäre sie mir egal, würde ich wohl kaum leiden. Nur, und dafür bin ich Roberto dankbar, habe ich bisher an eine Rückkehr nach Deutschland gar nicht gedacht gehabt, einfach weil es mit meiner alten Heimat seit Jahren nur in eine Richtung geht, und zwar abwärts. Das kann und wird sich eines Tages ändern, da bin ich mir auch nach Robertos Antwort sicher, nur eben nicht morgen oder übermorgen. Wann dies sein könnte, darauf hat mich der Artikel “In der Wahrheit leben” von Michael Meyen ebenfalls auf Rubikon gebracht. Der Professor für Kommunikationswissenschaft an der LMU München, der neulich meinen Artikel “Wir haben den Leuten eine Lüge verkauft” auf Multipolar kommentiert hat, meint in seinem Artikel über Vaclav Havel, dass wir uns in dessen Zeitachse gerade bei 1978 befinden würden, und dass sogar frühestens. Mit anderen Worten: Uns stehen einige Jahre bevor, bis wir ein erneutes 1989 erleben. Wir werden also noch viele insbesondere junge Menschen auswandern oder, wie im Falle Bulgarien, in ihre alte Heimat zurückkehren sehen. Der Rest, also die in der alten Heimat Verbliebenen, muss versuchen, die Nerven zu behalten und die Ruhe zu bewahren.
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Bericht aus Bulgarien (245) – “Gut vorbereitet”

Das “Machtdreieck” in Sofia
(links der Regierungssitz, geradezu die Volksversammlung, rechts der Sitz des Präsidenten)

Bereits als Achtjähriger war ich im Machtdreieck von Sofia zu hause. Es gibt Fotos von mir vor obiger Volksversammlung zusammen mit einem gleichaltrigen bulgarischen Mädchen. Da es Winter war, tragen wir dicke Wollmäntel und Fellmützen auf dem Kopf. Das ist fast 50 Jahre her. Jetzt berichte ich für die “Epoch Times” von den Wahlen in Bulgarien. Seit kurzem ist meine Wahlberichterstattung auch online nachzulesen. Am Samstag gab es sie bereits als Printausgabe zu kaufen. Dort sogar mit den Interviews, die ich mit Nichtwählern geführt habe. Es ist bereits der zweite Artikel, den ich für die “Epoch Times” geschrieben habe. Mein erster Artikel beschäftigt sich auch mit der Wahl, ist aber vor ihr geschrieben und veröffentlicht worden. Auch wenn es wie zu befürchten keine Regierung geben wird in Bulgarien, steht der Winter vor der Tür. Bereits im letzten Jahr habe ich mich mit Wintermänteln eingedeckt. Im Second-Hand habe ich für drei Lewa (1,50€) drei Wollmäntel bekommen. Ein wenig Holz zum Heizen habe ich auch, und zum Kochen noch eine gefüllte Gasflasche in Reserve. Im Notfall trinke ich Wassersuppe (Wasser gibt es am Dorfbrunnen gratis) und ziehe die drei Wollmäntel übereinander. Ich denke, ich bin gut vorbereitet auf das Kommende.

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Bericht aus Bulgarien (244) – “Was ich jedem Autor und Schriftsteller wünsche”

“Konferenzsaal 1” im Herzen Sofias

Ende September, genau war es der 28., ich hatte hier darüber berichtet, war ich zu einer Veranstaltung des “Ost-West-Verlages” in Sofia, zu der der Historiker David Engels eingeladen war, dessen Bücher mein Freund Martin ins Bulgarische übertragen hat. Unter den knapp 50 Besuchern der Veranstaltung waren viele junge Bulgaren, die bis vor kurzem noch in Deutschland oder Österreich gelebt hatten und dementsprechend Deutsch sprachen. Nach der Veranstaltung unterhielt ich mich mit einem jungen Mann, der zuvor 13 Jahre in Regensburg gelebt hatte und im November nach Bulgarien zurückgekehrt war, weil er es in Deutschland nicht mehr ausgehalten hat. Wie ihm geht es einige Bulgaren insbesondere in den beiden deutschsprachigen Ländern, in denen die Corona-Regen besonders streng gehandhabt bzw. von den Bewohnern besondern gerne befolgt werden. Meinem Gesprächspartner wurde schnell klar, dass man sowohl in Deutschland als auch in Österreich dabei ist, den gesunden Menschenverstand zu verlieren. Die Rückkehr nach Bulgarien fiel dem jungen Mann nach 13 Jahren in Deutschland nicht leicht, aber es blieb ihm keine andere Wahl. Immerhin hat er noch Familie in Bulgarien. Das habe ihm geholfen, und auch ein Artikel, den er Ende Dezember gelesen hatte und in dem jemand von Deutschland nach Bulgarien gegangen war. Dieser habe ihm aus dem Herzen gesprochen. Spätestens als er das sagte, wurde mir klar, dass er von meinem Beitrag “Bulgarien – die große Freiheit” sprach. Der junge Mann war mindestens genauso überrascht, dass er gerade mit dem Autor genau dieses Beitrages sprach, wie ich überrascht war, mit einem Leser meines Beitrages zu sprechen. Immerhin, es war nicht meine Veranstaltung, sondern die von David Engels. Unser Aufeinandertreffen war also absolut zufällig. Und das ist es auch, was ich jedem Autor und auch Schriftsteller wünsche. Dass er mit seinen Lesern spricht, ohne dass diese wissen, dass er der Autor ist, dessen Bücher sie gelesen haben.

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Bericht aus Bulgarien (243) – “Angstgesellschaft”

von Hans-Joachim Maaz

Anfang Mai ist “Angstgesellschaft” von Hans-Joachim Maaz auf Deutsch erschienen, jetzt, also nur fünf Monate später, erscheint es auf Bulgarisch, und zwar beim “Ost-West-Verlag” in Sofia. Mein Freund Martin Petrushev, den ich vor gut einem Jahr am letzten auf den Straßen der bulgarischen Hauptstadt verbliebenen Buchstand kennengelernt habe, hat es übersetzt. Martin plant auch ein Interview mit Hans-Joachim Maaz zu führen, das ich, wenn es so weit ist, auch auf meiner Seite veröffentlichen werde. Vor zehn Tagen hatte ich nun auch Gelegenheit, Martins Chef, den Inhaber des “Ost-West-Verlages”, bei einem gemeinsamen Abendessen kennenzulernen. Ich war etwas in Sorge um ihn, weil ich gehört hatte, dass er wegen der von ihm herausgegeben Bücher angefeindet wird in Bulgarien. Nachdem ich ihn persönlich kennenlernen durfte, bin ich beruhigt, denn der Verleger ist nicht nur ein Freigeist, sondern auch ein stabiler Typ und dementsprechend satisfaktionsfähig. Doch zurück zu Hans-Joachim Maaz, der vielleicht auch nach Bulgarien kommen wird, um sich den Fragen seiner bulgarischen Leser zu stellen, so wie neulich der Historiker David Engels. Dessen Veranstaltung vor zehn Tagen fand im Zentrum von Sofia statt, so dass ich davon ausgehe, dass die von Hans-Joachim Maaz auch genau dort stattfinden würde. Kann man sich momentan ähnliches in der deutschen Hauptstadt Berlin vorstellen? Ich kann es mir aufgrund des derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Klimas in der Heimat ehrlich gesagt nicht, wobei die Frage bleibt, woran es liegt, was die beiden Autoren und ihre Bücher für Deutschland so gefährlich macht, und warum man ausgerechnet in Bulgarien alles sagen darf, und das sogar noch öffentlich?

Cover Ost-West-Verlag
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Bericht aus Bulgarien (242) – “TaxiBerlin in der Epoch Times oder Wider dem Haltungsjournalismus”

In der bulgarischen Hauptstadt Sofia

Morgen erscheinen zwei Beiträge von mir in der Printausgabe der “Epoch Times”, die sich beide mit der Wahl in Bulgarien beschäftigen. Ich war nicht nur erneut vor Ort, die Neue Zürcher berichtet gerne schon mal aus Istanbul über Bulgarien, sondern habe auch mit Menschen gesprochen, warum sie nicht wählen waren. Diesmal sind noch einmal mehr Bulgaren nicht wählen gegangen, rund zwei Drittel. Bei den Interviews mit Nichtwählern hat mir meine Praxis im Taxi geholfen, in dem ein jeder alles sagen durfte, sogar die Wahrheit. Bei meinem eigentlichen Bericht über die Wahl halte ich mich nicht mit Schlagwörtern wie beispielsweise “pro-russisch” oder “nationalistisch” auf, sondern führe aus, was die Partei* will, die als solche bezeichnet wird im Westen. Es sind dies die Beibehaltung der Landeswährung anstelle des Euros, Neutralität im Ukraine-Krieg, also Verzicht auf militärische Unterstützung, Austritt aus der Nato und der EU, dafür eine Mitgliedschaft in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), in der u.a. auch die Schweiz ist. Was der Leser davon zu halten hat, das mag ich ihm nicht vorschreiben. Meine Vorstellung von Journalismus hat mit dem üblichen Haltungsjournal nichts zu tun. Der Leser kann selber denken und sich seine eigene Meinung bilden. Meine Berichterstattung ist auch Notwehr gehen die Nicht- und Falschinformation von Haltungsjournalisten. Mein Artikel trägt den Titel “Bulgarien: Das erwartete Patt”, meine Interviews mit bulgarischen Nichtwählern, eine Juristin aus Sofia, die seit sieben Jahren in London lebt, und ein Produktionsarbeiter und seine Frau, den Titel “Warum war ich nicht wählen?”, beide Beiträge stehen auf Seite sechs der morgigen Printausgabe (8.10.22) der “ET”.

* Gemeint ist die Partei “Wiedergeburt”, die die meisten Zugewinne bei dieser Wahl erzielen konnte, und deren Namen ich in den geschichtlich relevanten Kontext setze, auch weil dies von Haltungsjournalisten in aller Regel verabsäumt wird.

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Bericht aus Bulgarien (241) – “We Are Lucky”

Wir sind glücklich

We Are Lucky ist mein neues Mantra. Drauf gebracht hat mich mein englischer Freund Jerry, der auch glücklich ist – genauso wie ich. Heute zum Beispiel habe ich einen Spiegel gefunden. Der Spiegel ist rund und wie neu. Gefunden habe ich ihn auf der Straße, wo ich viele Jahre zu hause war. Ich musste den Spiegel nur nach hause tragen. Zwischendurch durfte es noch die ein oder andere Fotosession sein, beispielsweise mit dieser schönen Nymphe, die auch glücklich ist – We Are Lucky.

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Bericht aus Bulgarien (240) – “Brecht vs. Jesus”

Die Natur des Balkans
Ein Gespräch über Bäume sei fast ein Verbrechen, schreibt Bertolt Brecht in seinem Gedicht “An die Nachgeborenen”, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt. Geht es nach Brecht, ist jener, der dort ruhig über die Straße geht, nicht mehr erreichbar für seine Freunde, die in Not sind. Ich kann das nicht bestätigen. Im Gegenteil, meine Erfahrung ist, dass ich, wenn ich um Hilfe bitte, mir diese auch zuteil wird. Wahrlich, ich habe wirklich gute Freunde. Viele von diesen Freundschaften habe ich erst in den letzten zwei Jahren geschlossen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich die Natur mit Geduld sehe und auch die Liebe nicht achtlos pflege, wie Brecht es tat. Brecht war der Meinung, dass es noch nicht so weit sei, dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist. Auch das deckt sich nicht mit meiner Beobachtung. Es gab und gibt Menschen, die helfen, und es wird sie geben, solange es Menschen gibt. Ich halte es da mit Jesus, der gesagt hat: “Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.”

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Bericht aus Bulgarien (239) – “Bacillus Bugaricus”

Infizierter Schafjoghurt mit Blaubeeren

In den Schluchten des Balkans befällt regelmäßig der Bacillus Bulgaricus die Milch von der Kuh, der Ziege und auch die vom Schaf, macht aus ihr den berühmten bulgarischen Joghurt. Den besten mit dem Bacillus Bulgaricus infizierten Schafjoghurt in unserer Region im Nordwesten gibt es im “Komplex Stalin” bei mir um die Ecke. Der Bacillus Bulgaricus macht die Milch besonders sauer, aber nicht nur das. Auch Menschen können sich mit dem Bacillus Bulgaricus anstecken. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Wer sich einmal den Bulgaricus Bulgaricus eingefangen hat, der wird ihn sein Leben lang nicht mehr los. Als Betroffener kann ich vor dem Bacillus Bulgaricus nur warnen. Der Bacillus Bulgaricus macht den Menschen nicht nur spontan, sondern sprunghaft, regelrecht unberechenbar und oft auch unkontrollierbar.   –   Das Schlimmste, was einem heute passieren kann.

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Bericht aus Bulgarien (238) – “Nach der Wahl”

Der Rebellen-Wasserfall

Nachdem ich meine Stimme abgegeben hatte, es gab diesmal keine Wahlautomaten bei uns im Dorf, hat mich Jerry, der gestern Geburtstag hatte, mit seinem Lada “Niva” russischer Bauart vom Wahllokal abgeholt und wir sind in die Natur gefahren. Stundenlang sind wir durch den Wald gelaufen, ohne dass wir auch nur einer Menschenseele begegnet wären. Am Ende kamen wir zu den Heiducken-Wasserfällen, was ich jetzt einfach mal mit Rebellen-Wasserfällen übersetze, auch wenn wir uns gar nicht wie Rebellen gefühlt haben, sondern eher wie die letzten Überlebenden oder so ähnlich. Weil wir Hunger hatten, und auch um doch noch unter Leute zu kommen, sind wir danach noch zum Genossen Stalin gefahren. Bevor Jerry für jeden von uns eine Forelle bestellt hat, für die der Genosse Stalin bekannt ist, hat sich Jerry bei Frau Stalinowa, das ist die Tochter vom alten Stalin, dafür entschuldigt, dass wir an einem Sonntag in ihrem Komplex, der früher einfach nur Grill hieß – “Grill Stalin”, aufgeschlagen waren, aber wir hatten einfach Hunger gehabt, wir zwei Überlebenden. Frau Stalinowa versteht auch Englisch, denn sie ist sehr serviceorientiert. Sie hat ihre Ausbildung bei den kalifornischen Genossen genossen. Dass sie mir irgendwann mal geraten hatte, nicht am Wochenende zu kommen, hatte den Hintergrund, dass man ihr am Wochenende die Forellen praktisch vom Kopf frisst. Das war zum Glück gestern nicht der Fall, obwohl der “Komplex Stalin”, wie der Grill jetzt heißt, sehr gut besucht war. Eine bestimmte Besucherzahl macht manche Küche noch besser, als sie eh schon ist. So weit meine gestrige Beobachtung als kleiner Gourmet. Zum Schluss gab’s Stalins berühmten Schafjoghurt mit von als Heiducken verkleideten Kommunisten gepflückten Blaubeeren vom Rebellen-Wasserfall, über den ich morgen berichte.

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