Bericht aus Bulgarien (319) – “Die letzte Ehre”

Der Pope – “Popata” – Пoпата

Meine Nachbarin Oma Milka ist gestorben. Oma Milka hieß wirklich Milka mit Vornamen. Milka ist also kein Spitzname, wie es sie in Bulgarien so zahlreich gibt. Die meisten Bulgaren haben gleich mehrere. Vor 20 Jahren, als ich Oma Milka kennengelernt habe, hatte Oma Milka noch eine Kuh. Hin und wieder habe ich Milch von Oma Milkas Kuh gekauft. Die war super. Irgendwann wurde die Kuh abgeschafft. Mit Oma Milka ging es bergab. Sie war immer seltener draußen zu sehen. Nur hin und wieder saß sie auf der Bank vor ihrem Haus. Einmal fragte sie mich, wo meine “Bulkata” (Булката) wäre. Damals musste ich nachschlagen, was “Bulkata” bedeutet. Es bedeutet “Die Braut”, und ich war damals ohne. Zu ihrer Beerdigung heute kamen knapp 40 Leute. Die Hälfte war Familie, der Rest Nachbarn und Leute aus dem Dorf, die Oma Milka, die in ihrem Zimmer aufgebahrt war, kannten. Es gab auch Klageweiber, das waren die Töchter von Oma Milka. Klageweiber sind wichtig bei einem Begräbnis, das wusste auch Alexis Sorbas. Alleine deswegen lohnt sich das Buch von Nikos Katzantzakis zu lesen. Den knappen Kilometer zum Friedhof wurde Oma Milka gefahren. Der Leichenwagen war ein alter Mercedes, bestimmt 50 Jahre alt. Der Wagen stammte aus Feuersbrunn, und zwar aus der dortigen Kellergasse 1-2. So stand es immer noch auf seinen Türen geschrieben. Feuersbrunn liegt am Wagram, gehört zur Marktgemeinde Grafenwörth und ist einer der ältesten und bedeutendsten Weinbauorte in Niederösterreich. Wikipedia ist weiter zu entnehmen, dass in Feuersbrunn 595 Einwohner in 209 Häusern leben. Es ist also etwas größer als mein Dorf, wo nur 350 Alte leben. Ob Feuersbrunn noch einen Leichenwagen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Der 50 Jahre alte Mercedes leistet zumindest noch treue Dienste hier. Gut, angesprungen ist er erst beim zehnten Mal. Und die Vorrichtung, mit der man den Sarg einst aus dem Wagen herausziehen konnte, ohne ihn dabei anheben zu müssen, die funktioniert auch nicht mehr. Aber das ist normal in Bulgarien. Und es korrespondierte auch mit Oma Milkas Sarg, dessen Deckel partout nicht passen wollte. Er war zu klein. Dafür gab es einen Popen, der für Oma Milka die Messe las. Danach begann der übliche Leichenschmaus unter einem offenen Unterstand auf dem Friedhof. Das war der Moment, als ich das Begräbnis verließ. Ich habe Oma Milka die letzte Ehre erwiesen, habe sie noch einmal auf ihrem Totenbett gesehen. Sie ist den Weg alles Irdischen gegangen.

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Bericht aus Bulgarien (318) – “Am vergangenen Tag hat sich niemand impfen lassen.”

“Folge deinem Führer”

Obiges aktuelles Grafitto aus Sofia mit der Aufforderung, seinem Führer zu folgen, zeigt einen Mann, der sich selbst eine Kugel durch den Kopf jagt. Meine erste Assoziation war “Don’t follow leaders – Watch the parkin’ meters” (1:30) aus dem Song “Subterranean Homesick Blues”, was auf deutsch “Unterirdischer Heimweh-Blues” heißt, von Bob Dylan. Als nächstes musste ich an Karl Lauterbach und seine Impfkampagne denken, die er mit einer Pressekonferenz eröffnete, wo Margarete Stokowski als letztes Aufgebot, der “Volkssturm” sozusagen, neben ihm saß. Das letzte Aufgebot deswegen, weil Margarete Stokowski mehrfach geimpft ist, aber trotzdem schwer erkrankt ist, angeblich an Corona. Angeblich deswegen, weil Margarete Stokowski nicht auf die Idee kommt, dass es sich bei ihrer Erkrankung einfach um einen Impfschaden, also um “Post-Vac”, handeln könnte. Wer sie darauf hinweist, wird von ihr in den “Sozialen Netzwerken”, wohl eher “asozialen Netzwerken”, “gecancelt”. So ist es dem Juristen Milosz Matuschek ergangen, der lange Zeit Kolumnist bei der Neuen Zürcher war. Margarete Stokowski wird sich also aller Voraussicht nach erneut impfen lassen. Früher hätte man sie eine “Unbelehrbare”, eine “Hundertfünfzigprozentige” genannt. In Bulgarien ist das Impfen bereits vor über einem Jahr ins Stocken geraten. Seither liegt die Impfquote unverändert bei 30 Prozent. Dazu muss man wissen, dass das die offiziellen, besser “offiziellen”, Zahlen sind. Da nicht wenige Bulgaren sich die Impfung “gekauft” haben, dürfte die wahre Quote eher bei 20 Prozent liegen, wenn überhaupt. Heute fiel nun folgender Satz im Bulgarischen Nationalradio “Christo Botew”, der diesem Beitrag auch seinen Titel gibt: “Am vergangenen Tag hat sich niemand impfen lassen.” (10:17) Schon oft habe ich über dieses Radio geschrieben, und dass man dort wirklich alles sagen darf, im Gegensatz zu den Öffentlich-Rechtlichen Medien in Deutschland. Aber vielleicht irre ich mich auch. Möglicherweise wird dort auch den Deutschen mitgeteilt, wenn niemand im Land sich mehr impfen lässt – trotz Lauterbachs Impfkampagne und Margarete Stokowski, also “Gottes Werk und Teufels Beitrag”, mit anderen Worten. Wenn jemand etwas dazu sagen möchte, dann immer her damit, am besten als Kommentar, damit es andere auch lesen können. Und dann würde mich noch interessieren, was in Deutschland passiert wäre, also wie die Polizei reagiert hätte, wenn Demonstranten dort Eier auf den Sitz des Europäischen Parlamentes geworfen hätten wie am Samstag in Sofia. Auch da bin ich gespannt auf Eure Meinungen und Statements. Vielen Dank im Voraus!

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (317) – “Spent The Day In Bed”

Seit gestern Abend bin ich zurück in den Schluchten des Balkans, zuvor war ich vier Tage in Sofia gewesen und habe mir u.a. den Anti-Euro-Protest angesehen. Der Pass des Balkan-Gebirges, über den ich musste, war in dichten Nebel gehüllt, auch Schnee lag noch. Es war nicht ganz ungefährlich meine Rückfahrt, auch weil starker Rückreiseverkehr herrschte, wenngleich in der anderen Richtung, also nach Sofia. In meiner Hütte erwarteten mich sieben Grad und draußen herrscht immer noch Grau in Grau, so dass ich den heutigen Tag wohl im Bett verbringen werde, wenn nicht gar die ganze Woche. Unterstützt werde ich dabei von Morrissey, den ich nicht kenne, weswegen ich zu ihm nichts sagen kann. Ich weiß auch nicht, was die richtige Haltung zu dem britischen Künstler ist. Ich bin also, was Morrissey angeht, völlig Haltungslos. Sein Titel “Spent The Day In Bed” gefällt mir aber ausgesprochen gut, beispielsweise diese Aufforderung: “Stop watching the news, because the news contrives to frighten you to make you feel small and alone to make you feel that your mind isn’t your own.” Auch diese Aussage gefällt mir: “Life ends in death. So, there’s nothing wrong with being good to yourself. Be good to yourself for once.” Und als Trockener Taxifahrer natürlich auch das hier: “No highway, freeway, motorway. No bus, no boss, no rain, no train. No emasculation, no castration.” Das mit der Kastration passt sehr gut, weil ich neulich meinem Freund Konstantin, er ist Tierarzt, beim Kastrieren von Staßenhunden und -katzen geholfen habe. Am wichtigsten ist aber vielleicht diese Aussage von Morrissey, von dem auch “Diversity Is Conformity” ist, “I spent the day in bed. It’s a consolation when all my dreams are perfectly legal in sheets for which I paid. I am now laid.”
Video Morrissey
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (316) – “Euro? – Nein danke!”

 

Plakat auf dem Protest in Sofia am Samstag, 3. Dezember 2022

Gestern gab es in der bulgarischen Hauptstadt einen Protest gegen den Euro, der 2024 im Land eingeführt werden soll. In diesem kurzen Beitrag soll es nicht um das Pro und Kontra dazu gehen, sondern um die Stimmung auf dem Protest, an dem knapp 3.000 Menschen teilnahmen. Ich habe kurzfristig und durch Zufall von ihm erfahren. Um 8 Uhr morgens erhielt ich den Anruf eines Bekannten aus Montana, der mir eine Mitfahrgelegenheit anbot. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits in Sofia, aber aus anderen Gründen. Der Protest, der vor dem bulgarischen Parlament und im Schatten des Reiterdenkmals begann, wo es mehrere Ansprachen gab, führte über das bulgarische Finanzministerium zum Sitz des Europäischen Parlamentes in der Rakowski Straße, in der auch einst meine Oma wohnte. 

Auf dem Weg wurden die Demonstranten von Menschen auf Balkonen bzw. vom Fenster aus von Einwohnern der Stadt Sofia unterstützt, beispielsweise von diesen Studenten der Staatlichen Schauspielschule. Dazu muss man wissen, dass die Demonstration von der Partei “Wiedergeburt” organisiert wurde, die in Deutschland immer als nationalistisch, wenn nicht gar ultranationalistisch bezeichnet wird.

Vor dem Sitz der Europäischen Kommission wurde eine Mülltonne mit der Europafahne beklebt und eine Handvoll Bengalos (rote und auch weiße) gezündet, was die Polizisten aber unbeeindruckt ließ. Und nicht nur das. Die Ordnungshüter machten darüber hinaus den Eindruck, nicht nur Verständnis für die Protestierenden und ihren Protest zu haben, sondern ihn insgeheim auch gutzuheißen.

Den obersten Ordnungshüter, das ist der Herr mit den zwei goldenen Sternen auf den Schulterstücken, kenne ich mittlerweile persönlich. Wir haben uns per Handschlag begrüßt und uns nach dem Befinden des jeweils anderen erkundigt, während er sein Walkie-Talkie am Ohr hatte. Wie man sieht, ließ auch ihn der Rauch der Bengalos unbeeindruckt.

Der Mann ist einfach eine Frohnatur, der immer guter Dinge ist. Seine Uniform trägt er aus Verbundenheit zu seinen Untergebenen, wie er mir mal erzählt hat.

An der guten Protest-Stimmung, sowohl bei der Polizei, als auch bei den Protestierenden, änderte auch nichts, dass Geldscheine verbrannt wurden, und zwar sowohl kleine,

als auch große.

Und auch nicht, dass ebenfalls Klopapier (ausgerechnet Klopapier)

und am Ende sogar Eier auf das Gebäude geworfen worden.

Der Protest verlief absolut friedlich, niemand wurde verhaftet, und die Eier liegen jetzt noch vor dem Eingang des Gebäudes. Ich bin heute extra nochmal vorbeigelaufen, um sicher zu gehen.

Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (315) – “Kriegspolizei”

Gestern vor dem Sitz des Bulgarischen Staatspräsidenten

Europa ist im Krieg und wir sind in ihm. Nicht nur in Sofia, sondern auch in Berlin. Wer in einem laufenden Krieg Waffen an eine Kriegspartei liefert, der ist mit im Krieg. Das sollte jedem bewusst sein. Dem Bulgarischen Staatspräsidenten Rumen Radev dürfte das klar sein, denn er ist ein ehemaliger Militär, um genau zu sein war er Pilot, der russische MIGs geflogen ist. Den allermeisten ist es aber nicht klar, dass sie im Krieg sind, dass sie längst zum Kriegsteilnehmer geworden sind, auch nicht in Bulgarien. Deswegen werden hier jetzt regelmäßig Paraden abgehalten, um die Bevölkerung an den Krieg und den Kriegszustand zu gewöhnen. Es gibt sogar eine eigene Kriegspolizei” (“военна полиция”) in Bulgarien. Das ist der Herr in der Mitte, der uns beim Abmarsch der Truppe den Rücken zukehrt. Bulgarien dürfte auch hier Deutschland mal wieder der Zeit voraus sein. Eine Kriegspolizei gibt es in der Heimat, so weit ich informiert bin, (noch) nicht. Es bedarf sie auch nicht, denn die Russophobie ist viel weiter ausgeprägt als in Bulgarien, wo sie nicht existiert. Trotzdem sollte man vorsichtig sein, wem man was erzählt, denn der Feind hört bekanntlich mit. Jetzt bin ich mir gerade nicht sicher, wer genau der Feind ist. Ist es wirklich der Wladimir Putin? Oder doch “nur” der Denunziant von nebenan?

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (314) – “Down and out in Sofia”

Auf der Bank mit Pentscho und Petko Slawejkow

Obwohl ich erst zwei Tage in der bulgarischen Hauptstadt bin, habe ich den Eindruck, dass die Anzahl der Obdachlosen und Verzweifelten zugenommen hat. Es sind (noch) nicht so viele wie in Berlin, aber es sind auf jeden Fall mehr als noch im Sommer und in den vergangenen Jahren. – Obige Bank steht auf dem Slawejkow-Platz, auf dem sich einst der größte und beste Buchbasar der Stadt befand. Nachdem man den Platz erst totsaniert hat, durfte der Markt einfach nicht wieder aufmachen. Mein Freund Waskow, der dort viele Jahre seinen Stand hatte und der mich immer mit Büchern versorgt hat, brach dies das Herz. Er ist danach nicht mehr auf die Beine gekommen und bald darauf verstorben. Immerhin, die Bank mit den beiden bulgarischen Schriftstellern Pentscho und Petko Slawejkow steht noch auf dem gleichnamigen Platz und lässt Platz für einen verzweifelten Obdachlosen.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (313) – “Folge dem Geld!”

John Heartfield (eigentlich Helmut Herzfelde) 1932
War neulich noch Saddam Hussein der neue Hitler, soll es heute Wladimir Putin sein, wenn ich es richtig verstanden habe, zwischendurch war es Baschar al-Assad. Ich komme da manchmal durcheinander. Ein Bulgare war, so weit ich weiß, noch nie der neue Hitler. Wäre also nicht erst einmal ein Bulgare dran und nicht schon wieder ein Deutscher, der neue Hitler zu sein? Ich meine, Klaus Schwab ist doch Deutscher, oder? Sein Buch “Covid-19: Der große Umbruch” gibt es jedenfalls auch auf Deutsch. Im englischen Original heißt es “Covid-19: The Great Reset”. Obwohl jeder eine Meinung hat zu Dr. Klaus Schwab, das Buch scheint kaum einer gelesen zu haben. Das ist zumindest mein Eindruck. Machen wir eine Probe aufs Exemple: “Der Unterschied bei dieser 4. Industriellen Revolution ist, es ändert nicht, was du tust, sondern es ändert dich, wenn du die Genveränderung akzeptierst.” Das Zitat, auch wenn es etwas nach Dr. Frankenstein klingt, ist von Klaus Schwab, so viel möchte ich verraten. Aber ist es auch aus dem erwähnten Buch “Covid-19: The Great Reset”, auf Deutsch: “Covid-19: Der große Umbruch”? Du weißt es nicht? Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen. Mit Hitlers “Mein Kampf” war es damals nicht anders. Das war an erster Stelle ein finanzieller Erfolg, genauso wie jetzt das Schwab-Buch, aber gelesen hatte es auch kaum einer. Apropos Finanzen: Ich persönlich glaube nicht, dass Klaus Schwab der neue Hitler ist. Mein Eindruck ist, dass Klaus Schwab ein Laufbursche ist, genauso wie Adolf Hitler ein Laufbursche war, und zwar seiner Geldgeber. So verstehe ich zumindest die geniale Fotomontage des Kommunisten Helmut Herzfelde, besser bekannt als John Heartfield, aus dem Jahre 1932, also vor jetzt genau 90 Jahren. Heute, wo immer alles english sein muss, sagt man “Follow the money!”, also “Folge dem Geld!” dazu. Wäre interessant zu erfahren, wie Hitlers Englisch im Vergleich zu Schwabs Englisch war, ob er überhaupt Englisch sprach. In Bulgarien, aus dem noch kein Hitler bekannt ist, zumindest kein neuer, sprechen viele Menschen Englisch. Auf dem Business-Treffen, auf dem ich gestern ware, sprachen auch einige Deutsch. Das sind die Bulgaren, die in Deutschland oder Österreich gearbeitet haben, bevor sie wegen Corona nach Bulgarien zurückgekehrt sind. In Bulgarien gilt auch “Folge dem Geld!”, hier heißt es Korruption. Korruption gibt es nur in Bulgarien. So etwas gibt es bei uns nicht. Und trotzdem kann es hilfreich sein, auch dort dem Geld zu folgen. Das erwähnte Schwab-Buch ist auch ins Bulgarische übersetzt, es ist also ein weltweiter Bestseller, so wie Corona ein weltweiter Bestseller war bzw. ist oder demnächst wieder sein wird. Finanziell dürften die paar hundert Euro für die bulgarische Ausgabe für Klaus Schwab aber keine Rolle gespielt haben. Der denkt, besser: seine Geldgeber denken, was Geld angeht, in ganz anderen Dimensionen.
FotoMontage HelmutHertzfelde
Text TaxiBerlin