Bericht aus Amerika (004) – “Denken an Bulgarien”

Mattias Desmets Buch “Die Psychologie des Totalitarismus” wurde mir vor meiner Abreise von einem guten Freund in der Heimat empfohlen. Gerade habe ich es ausgelesen, und ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen. Über den Inhalt des Buches möchte ich an dieser Stelle nichts weiter schreiben, weil ich noch eine Rezension zu schreiben beabsichtige, auf die ich hier auf meiner Seite hinweisen werde. Was ich verraten möchte, ist, warum mich Desmets Buch an Bulgarien denken lässt. Es ist dieses Zitat auf Seite 148: Wenn führende Nazis längere Zeit in Ländern stationiert waren, die sich gegen die Massenbildung immun erwiesen, wie Dänemark oder Bulgarien, geschah etwas Typisches: Sie begannen, an der Sache, der sie dienten, zu zweifeln, und das Naziregime konnte sich nicht mehr auf sie verlassen. Mit anderen Worten: Sie wachten auf. Auch weil ich den beschriebenen Vorgang am eigenen Leibe erfahren habe, kann ich jedem das kleine Land am Rand nur ans Herz legen – vielleicht noch mehr als das Buch von Desmet.
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Bericht aus Amerika (003) – “Mein Leben in der Natur”

In Amerika lebe ich wie in Bulgarien in der Natur. Werde ich in den Schluchten des Balkans von Hunden und Schakalen geweckt, sind es hier in den Bergen der Sierra Nevada in Kalifornien Rehe, die im Vorgarten nach Futter suchen. Wie es aussieht, war es heute morgen eine Rehkuh (der Fachbegriff dafür ist Ricke – wird gerne im Kreuzworträtsel gefragt), also ein weibliches Tier, dessen Euter ganz angeschwollen ist. Das Euter ist das, was beim Menschen die Brust ist, und die auch bei der Frau Milch für ihr Kleines produziert. Gleichzeitig ist ihre Brust ein sekundäres Geschlechtsmerkmal und Objekt männlicher sexueller Begierde – am Ende “nur” eine Drüse. Auch hier in Amerika bin ich Frühaufsteher, 6:30 Uhr ist meine Zeit. Mein Jetleg hält sich diesmal in Grenzen, ich habe auf dem Hinflug eine Melatonin-Tablette genommen. Ich nehme sonst nichts, Nullmedikation sozusagen, außer gelegentlich etwas Acetylsalicylsäure (ASS) gegen Kopfweh, also warum nicht mal Melatonin ausprobieren. Bei mir hat es funktioniert, ich kann es empfehlen. Der Zeitunterschied zwischen Berlin und Kalifornien beträgt neun Stunden. Mein letzter Beitrag und dieser sind in Europa am selben Tag erschienen, am 6. Juni. Hier in Kalifornien lag eine Nacht dazwischen. Den letzten Bericht habe ich gestern Abend verfasst, es war hier noch der 5. Juni. Um wie gestern zum Second Hand Book Shop nach Downtown zu kommen, braucht man ein Auto. Downtown ist etwa drei Meilen entfernt und nicht so wie in Bulgarien einen Kilometer. Die meiste Zeit verbringe ich auch hier in der Natur, arbeite ich im Garten. Als nächstes werde ich wohl das Gras mähen, auf dem die Ricke mit dem großen Euter eben noch stand.

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Bericht aus Amerika (002) – “Travel Teaser”

In my favorite Second Hand Book Shop

Kaum in Amerika angekommen, war ich schon im Buchladen. Das zeichnet einen richtigen Büchersüchtigen aus. Ich war aber nur kurz drin, etwa eine Stunde. Mehr Zeit hatte ich nicht, ich musste noch ein paar Leute interviewen. Als ich ging, versprach ich wiederzukommen. Vorher versicherte ich, dass ich den Laden lieben würde. Und das war nicht mal übertrieben – im Gegenteil. Am liebsten würde ich selbst dort meine Bücher verkaufen. Vielleicht kommt das noch. Irgendwann. Auf jeden Fall werden weitere Berichte über den Second Hand Book Shop folgen. Es ist eine Kooperative von acht Book Dealern. Der Laden hatte auch im Lockdown geöffnet, wie ich erfuhr. Insgesamt war er nur zwei Wochen geschlossen. Dann hat man die Polizei angerufen und gesagt, man müsse öffnen, um Bücher zu verkaufen, damit man die Miete bezahlen kann. Dann solle man dies tun, meinte die Polizei. Darüber hinaus versprach sie, nichts zu unternehmen. Und so war es dann auch.

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“Der Spiegel als Kontaktbörse” – Eine Empfehlung

Dass ich gerade in Amerika bin, hat auch mit dem Spiegel zu tun. Ganz genau mit obigem Film, durch den ich auf Layne Mosler aufmerksam wurde, mit der ich seither zusammen bin. Aus persönlicher Erfahrung kann ich den Spiegel als Kontaktbörse also durchaus empfehlen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man weiß, mit wem man es zu tun hat. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Immer mehr Spiegel-Artikel erscheinen anonym, so zum Beispiel auch dieser. Investigative Journalisten haben nun herausgefunden, wer ihn geschrieben hat. Es handelt sich dabei um eine Frau, so viel kann ich verraten. Wer zwecks Kontaktaufnahme jetzt ihren Namen wissen möchte, liest am besten diesen Beitrag.
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Bericht aus Amerika (001) – “Ankunft im gelobten Land – Home of the Brave & Land of the Free”

Drei Jahre war ich nicht in den USA gewesen, was vor allem daran lag, dass ich mich gegen eine Impfung entschieden habe, die diesen Namen nicht verdient. Die Impfpflicht für Ausländer, die mit dem Flugzeug anreisen, wurde am 11. Mai aufgehoben. Auch sonst war die Einreise ganz einfach, zumindest auf den ersten Blick. Normalerweise füllt man im Flieger ein Formular aus, das beim Grenzbeamten verbleibt. Diese, in meinem Fall war es eine Frau, interessierte sich nicht einmal, ob ich eine ESTA habe. Eine ESTA ist eine Art elektronisches Visa, das man vorher im Internet kaufen muss und das 21$ (knapp 20€) kostet. Dafür war die Beamtin ganz scharf darauf, ein Foto von mir zu machen und mir sämtliche Fingerabdrücke zu nehmen. Dann wollte sie wissen, wie lange ich bleiben will und was der Anlass meines Besuches sei. Zum Schluss interessierte sie noch, ob meine Frau, sie ist US-Amerikanerin, permanent in den USA lebt oder anderswo. Letzteres trifft zu, und zwar in Berlin und Bulgarien, aber das interessierte die Beamtin schon nicht mehr. Nach nur zwanzig Minuten, anstehen inklusive, war ich durch die Grenzkontrolle. Da ich nur Handgepäck hatte, konnte ich gleich zum Ausgang. Der vielleicht größte Unterschied zu früher war aber nicht die Spitzenzeit, sondern dass ich keinen Stempel bekam. Dafür haben sie ein Foto von mir und meine Fingerabdrücke. Der Stempel im Pass wäre mir lieber, auch als Erinnerung.

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Über den Wolken (001) – “Fünf Jahre trocken”

Geschafft!

Fast hätte ich meinen Trockenheitsgeburtstag im Flugzeug über dem Atlantik verbracht. Zum Glück weiß ich nicht ganz genau, wann ich Anfang Juni vor fünf Jahren mit dem Alkohol aufgehört habe. Vielleicht kann das ein Facktenchecker mal für mich herausfinden. Ist aber nicht so wichtig. Hauptsache trocken. Man braucht fünf Jahre, nachdem man aufgehört hat, um wieder man selbst zu sein. Was ich bereits aus Büchern und von den Meetings wusste, kann ich nun selbst bestätigen. Am Anfang ist das natürlich hart. Aber am Anfang konnte ich mir auch ein Leben ohne Alkohol nicht vorstellen. So richtig vorstellen kann ich es mir bis heute nicht. Deswegen würde ich auch hier niemals nie sagen. Man darf einfach nicht so weit denken, so meine Erfahrung, sondern nur an die nächsten 24 Stunden. Deswegen wünschen sich die Anonymen Alkoholiker auch immer “Gute 24!”, vorausgesetzt man geht zu ihren Treffen. Ansonsten muss man immer nur das erste Glas stehen lassen. Dann gehen die ersten fünf Jahre auch ganz schnell vorbei.

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“Glauben Sie an Verschwörungstheorien, Gary?”

Die Filme, die man sich an Bord eines Fluges über den Atlantik ansehen kann, werden immer banaler. Ich habe Stunden gebraucht, um den einen Film zu finden, der wirklich sehenswert ist. Er heißt “Kill the Messenger” und beginnt mit der Frage “Glauben Sie an Verschwörungstheorien, Gary?” an einen Journalisten. Es ist eine wahre Geschichte über den Journalisten Gary Webb. Dieser fand heraus, dass der Geheimdienst CIA in den USA Crack und Kokain verkauft, um mit dem Erlös die Contras in Nicaragua zu finanzieren. Vielen Menschen sind damals in Amerika infolge ihrer Abhängigkeit verstorben. Verstorben ist auch der CIA-Chef, der nach dem Bekanntwerden des Verbrechens einen Dialog mit Hinterbliebenen begann. Auch Gary Webb hat nicht mehr lange gelebt. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, ob er an Verschwörungstheorien glaube, beantwortete Webb so: “Nein, ich glaube nicht an Verschwörungstheorien. Ich glaube, dass das keine Theorien sind.”
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