Nachrichten aus einem Land im Niedergang – Heute: Spiegel Neusprech

Der richtige Ort für die Printausgabe
In Bulgarien wischt man sich den Hintern traditionell mit Zeitungspapier ab
Aus alter Tradition, aber vor allem, damit ich weiß, was ich heute wieder denken soll, schaue ich immer wieder bei Spiegel Online vorbei, wo ich aber nur noch die Kommentare lese. Diese sind nun seit einiger Zeit abgeschaltet, zumindest für mich als Nichtzahlenden Leser. Jetzt habe ich die Begründung des Spiegel vom vergangenen Monat dazu gefunden, die mich sogleich an Orwells Neusprech denken lässt: “Deshalb sehen wir es als notwendig an, die aktuell enorm hohe Zahl der Kommentare und Kommentarbereiche unter Beiträgen zu verringern, um eine für alle Seiten gewinnbringende, anregende Diskussion möglich zu machen.” – Soll heißen: “Keine Kommentare = Beste Diskussion.” In Orwells “1984” liest es sich so: “Krieg = Frieden”, “Unwissenheit = Stärke” und “Freiheit = Sklaverei”. – Ich denke, es ist Zeit für mich, dem Spiegel endgültig Lebewohl zu sagen. Was ich heute wieder denken soll, das erfahre ich auch ohne ihn. Da kommt keiner dran vorbei.
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Zurück in Bulgarien (015) – “A Bunch Of Hooey”

Deutsches Brot

Auch in Bulgarien gibt es deutsches Brot, zumindest auf dem Etikett. Früher war deutsches Brot einfach nur gefärbtes bulgarisches Weißbrot. Die Bulgaren sind für ihr Weißbrot bekannt, genauer waren. Da es kaum noch gutes Weißbrot gibt in Bulgarien, kann es auch kein gutes gefärbtes deutsches Brot mehr geben. Das allermeiste Brot in Bulgarien heute ist genau das, was man in Amerika mit “a bunch of hooey” bezeichnen, wobei “hooey” eine nette Umschreibung für Bullshit ist. Und so ist es praktisch mit allen Dingen. So steht beispielsweise eine Marke auf dem Gerät, das man kaufen will, weil es billig ist, aber das Modell gibt es eigentlich gar nicht oder nur in Drittweltländern, wo sich niemand die Mühe macht, über Bullshit eine Rezension zu schreiben. So erfährt man nur gelegentlich und mit etwas Glück, was für einen Mist man da wieder angeboten bekommt. Ein anderes Beispiel sind die Energiekoeffizienten. Gibt es in der Heimat nur noch A oder B, dümmstenfalls noch C, geht es in Bulgarien erst bei F los. F ist hier das, was in Deutschland A ist. Aber das ist letztendlich ein Luxusproblem. Das Schlimmste ist das Essen insgesamt, denn das eingangs erwähnte Brot ist nur der Anfang. Die allermeisten Lebensmittel sind zwar wie das Brot billig, aber sind eben auch “a bunch of hooey”. Dabei geht es nicht nur um den Geschmack, der alleine deswegen nicht gut sein kann, wenn man sich die Inhaltsstoffe ansieht. Zum Glück bleibt man von der Zubereitung (noch) verschont. Vieles, was man in den Regalen der Supermärkte sieht, erinnert an die grünen Kekse, die in dem Film “Soylent Green – Die überleben wollen” den Hungernden mit einem Bagger vor die Füße gekippt werden. Auch weil man Fleisch hier nicht essen kann, das Schweinefleisch zum Beispiel ist aus Deutschland herangekarrt und hat mit Fleisch nichts mehr zu tun, ernähre ich mich nur noch von Obst und Gemüse vom Markt. Im Winter gibt es Eingelegtes, allen voran eingelegten Kohl, der in Bulgarien traditionell viel gegessen wird. Auch Brot backe ich mittlerweile selbst. Das Problem dabei ist nicht, deutsches Brot zu backen, sondern überhaupt gutes Mehl zu finden. Lebt man wie ich nicht nur in der ärmsten Region Bulgariens, sondern ganz Europas, wo die Leute kein Geld haben, wird eben nur noch das Billigste vom Billigen, also “a bunch of hooey”, angeboten.

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Zurück in Bulgarien (014) – “Mord in Sofia”

Weg zum Friedhof

Der Mord an Alexei Petrov am Mittwoch in Sofia fand am helllichten Tag und im Beisein einer weiteren Person statt, mit der sich Petrov auf einem Spaziergang befand. Der Mord war damit, so denke ich, auch eine Machtdemonstration. Dafür spricht auch, dass es genau der Tag war, der 16. August, an dem vor 21 Jahren schon einmal ein Attentat auf Alexei Petrov verübt wurde, das allerdings erfolglos blieb. Alexei Petrov, Jahrgang 1961, war das, was man eine schillernde Person nennt. Er war Geheimdienstler, Geschäftsmann, Berater der Regierung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Anti-Terrorismus Experte. Angeblich wurde aktuell erwogen, ihn zum Chef des bulgarischen Amtes für Nationale Sicherheit zu machen. Darüber hinaus gibt es Stimmen, die behaupten, dass Alexei Petrov eine wichtige Rolle bei der letzten Regierungsbildung gespielt habe. Beidem wurde nun durch den amtierenden bulgarischen Premierminister Nikolai Denkov widersprochen. Über das Attentat selbst äußerte er sich wie folgt: “Was Eindruck macht und alle Informationen zeigen, dass sich Alexei Petrov selbst in der letzten Zeit nicht bedroht gefühlt hat. Er war an verschiedenen Orten ohne Sicherheit.” Nichts desto trotz hat der Premierminister nach dem Attentat den obersten Polizeichef Petar Todorov entlassen. Zuvor hatte der bulgarische Innenminister Kalin Stojanov einen Bericht mit Lücken in Todorovs Arbeit vorgelegt. Die Entlassung des obersten Polizeichefs begründete Premierminister Nikolai Denkov damit, dass der Innenminister Kalin Stojanov in der Praxis nicht mit dem obersten Polizeichef Petar Todorov zusammengearbeitet hätte, weil er ihm nicht vertraut habe. Weiter glaubt der Premierminister, dass es organisatorische Probleme gibt, die bereits zuvor aufgetreten sind. – Fassen wir zusammen: In der bulgarischen Hauptstadt Sofia hat sich am Mittwoch ein Mord am helllichten Tag ereignet, auf den Tag genau 21 Jahre nach einem vorherigen, erfolglosen Attentatsversuch auf dieselbe Person. Die Ermordung ist somit ganz klar auch eine Machtdemonstration. Das Opfer hat sich nicht bedroht gefühlt, es war zuvor an verschiedenen Orten ohne Sicherheit gesehen worden. Bereits am Freitag, also nur zwei Tage später, wird der oberste Polizeichef des Landes entlassen. Über dessen Arbeit hatte der Innenminister zuvor einen Bericht vorgelegt. Der Premierminister begründet die Entlassung seines obersten Polizeichefs unter anderem damit, dass der Innenminister diesem nicht vertraue und deswegen auch nicht mit ihm zusammengearbeitet hat. Weiterhin glaubt der Premierminister, dass es in der Behörde des obersten Polizeichefs organisatorische Probleme gegeben habe.

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Zurück in Bulgarien (013) – “Ich als Prophet”

Geschlossene Bar mit Todesanzeigen

Am Mittwoch ist am helllichten Tage in Sofia ein Attentat verübt worden. Ich hatte hier darüber berichtet. Auch der Deutschen Welle ist der Mord eine Meldung wert. Wie das Bulgarische Nationalradio nun berichtet, hat der bulgarische Premierminister heute ein Treffen mit Vertretern des Innenministeriums und der Sicherheitsdienste einberufen. Grund dafür ist neben dem Mord die gestiegene Zahl schwerer Straftaten im Land. Darüber hinaus will man eine russisch organisierte Kriminalität unter Kontrolle kriegen. Es wurden nur die Leiter der Sonderdienste und die Führung des Innenministeriums einbestellt. Ob auch Vertreter der Staatsanwaltschaft eingeladen waren, ist nicht bekannt. Der wichtigste Punkt kommt jetzt: Das Treffen findet auch vor dem Hintergrund des Massenwechsels der Polizeichefs der Regionalbüros im Land statt. Der bulgarische Innenminister begründet den Austausch von Personen mit schlecht geleisteter Arbeit und betont, dass es keine politische Säuberung sei. Genau das hatte ich in meinem Beitrag “Regeln umgehen im Tiefen Staat” mit diesem Satz vorhergesagt: Einiges deutet darauf hin, dass es eine Vereinbarung gibt, die Leiter der Sonderdienste auszutauschen, und dass „die Namen mit der Botschaft geklärt werden sollen“.

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Zurück in Bulgarien (012) – “Die Klitoris Höhle”

In Bulgarien ist nicht nur alles umgedreht, sondern es gibt auch nichts, was es nicht gibt. In Deutschland ist das nicht mehr selbstverständlich. Man stelle sich eine Klitoris-Höhle in der Heimat vor. Undenkbar. Dabei bietet die Klitoris-Höhle eine einzigartige Möglichkeit, das weibliche Genital als Großraummodell zu studieren. Und nicht nur das. In der Klitoris-Höhle gibt es darüber hinaus noch eine lebensgroße Phallus-Skulptur. Aber das beste ist: beides ist absolut kostenneutral.

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Zurück in Bulgarien (011) – “Büffel-Joghurt”

Büffel in Bulgarien
Der meiste Joghurt, der auf bulgarisch “Saure Milch” (“кисело мляко”) heißt, ist in Bulgarien aus Kuhmilch gemacht. Es wird auch Joghurt aus Schaf, Ziegen- und Büffelmilch angeboten, der allerdings teurer ist. Was früher der Preis von Joghurt aus Schaf, Ziegen- und Büffelmilch war, ist heute der von Kuhmilch-Joghurt. Und der Preis steigt weiter. Manchmal gibt es Angebote, aber die sind schnell ausverkauft. Mit dem weißen Käse, der auf bulgarisch “Sirene” (“сирене”) heißt, (im Gegensatz zum Gelben Käse, der heißt “Kashkaval”, auf bulgarisch “кашкавал”) ist es ähnlich. Weißen Käse aus Schafmilch können sich nur wenige leisten. Die meisten kaufen Weißen Käse, der aus Kuhmilch hergestellt wurde. Doch zurück zum Joghurt. Das besondere am bulgarischen Joghurt ist, dass er sauer ist, wie es sein Name bereits sagt: “Saure Milch”. In Deutschland würde er sich nicht verkaufen deswegen. Was in den heimischen Supermärkten als bulgarischer Joghurt oder mit dem Lactobacillus Bulgaricus gemachten Joghurt angeboten wird, hat mit dem Joghurt in Bulgarien nichts zu tun. Was nun den Joghurt aus Büffelmilch angeht: Auch wenn er in Bulgarien häufiger angeboten wird als in Deutschland, sieht man deswegen nicht häufiger Büffel auf der Weide. Obige Herde mit 80 Büffeln, einem Hund und einem Schäfer war eine ganz große Ausnahme.

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Zurück in Bulgarien (010) – “Agent 007”

Die britische Times berichtet von einem Bulgaren namens Orlin Rusev, der einer der drei in Großbritannien wegen Spionageverdachts für Russland festgenommenen Bulgaren sei. Es wird angenommen, dass die gesamte Operation vom 45-jährigen Orlin Rusev geleitet wurde, einem bulgarischen Experten für radioelektronische Geheimdienste, der in einer seiner E-Mail-Adressen „007“ angibt. The Times und Daily Mail berichten, dass das Hotel der 47-jährigen Irina Parvanova gehört, einer bulgarischen Geschäftsfrau, die es im September 2021 für 220.000 Pfund gekauft hat. Das Hotel, und jetzt kommt das entscheidende, das dem “russischem Agenten 007” als Marinehauptquartier gedient hat, ist “ein verwahrlostes Gästehaus in Great Yarmouth”, so die Times. Offensichtlich herrscht bei der britischen Zeitung Unklarheit darüber, ob “Agent 007” nun russisch oder bulgarisch ist. Da es sich um ein “verwahrlostes Gästehaus” gehandelt hat, tippe ich auf bulgarisch. Warum der “Agent 007” die Verwahrlosung im Ausland sucht, bleibt unklar. Ich denke, er wäre besser in obigem “Diplomat Plaza” in der Stadt Lukovit  aufgehoben gewesen, dem Ort für “Special Moments For Special People”.

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