Zurück in Bulgarien (040) – “Nochmal Buchmesse”

Erst einmal musste ich Geld tauschen. Ich bezahle immer alles bar. Wer heute mit Karte bezahlt, muss sich nicht wundern, wenn es morgen kein Bargeld mehr gibt. Bevor ich mich vor der Wechselstube in die Schlange einreihte, war ich in drei Banken. Die erste konnte kein Geld wechseln, weil Rentenauszahltag war. Die beiden anderen wollten eine Gebühr von zehn bzw. sechs Lewa (fünf bzw. drei Euro).

In der Wechselstube gibt es keine Gebühr. Deswegen gibt es die Schlange davor. Der Kurs zum Euro liegt stabil bei etwa 2:1. Um genau zu sein, hat der Lewa den Wert der D-Mark. Der ein oder andere erinnert sich: für 1,95 D-Mark bekam man einen Euro. Das englische Pfund ist etwas mehr wert. Ich komme später auf das englische Pfund zurück.
Auf der Buchmesse in Sofia wurden auch diese drei Bände von Yuval Noah Harari angeboten. Ich kann die Bücher des israelisches Historikers, Zauberlehrlings von Klaus Schwab und modernen Frankensteins, nur wärmstens empfehlen. Vor allem, damit später niemand sagen kann, er respektive sie hätte wieder von nichts gewusst.

Originalpreis der Trilogie des Grauens sind 32,99 englische Pfund, was eigentlich 75 Lewa sind. Nicht so auf der Buchmesse in Sofia. Dort sind die drei Machwerke, die man am besten nur mit Mundschutz und Handschuhe liest, für 49,- Lewa zu haben.

Auch der schwäbische Bestseller “Spare” von Prinz Harry gibt es mit zehn Prozent Rabatt. Der vielleicht größte Unterschied zu Deutschland: die nicht existierende Buchpreisbindung in Bulgarien. (In der Regel hat jedes Buch einen auf der Rückseite angegebenen Preis, an den sich die Buchverkäufer auch halten. Die Buchmesse ist eine Ausnahme. Ein Grund dafür, dass sie so gut besucht ist.)

Ein weiterer Unterschied ist, dass man sich in Deutschland – im Unterschied zu Bulgarien – schon aufs erneute Nichtstun im Lockdown vorbereitet. Eine Besucherin der Buchmesse trug bereits das passende T-Shirt dazu. Der Spiegel rief auch schon auf: “Holt die Masken wieder raus!”. Aus dem Artikel geht ebenfalls hervor, dass man sich auch wieder impfen lassen soll. Die Deutschland Diagnose des Therapeuten meines Vertrauens Deutschland lautet: “Eine schwer erkrankte Gesellschaft”. Hans-Joachim Maaz weiter: “Mit Wahnkranken kann man nicht mehr reden.” – So auch meine Erfahrung der vergangenen Tage und Wochen.
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Zurück in Bulgarien (039) – “Auf der Buchmesse”

Auf dem Boulevard Vitosha

Gestern und auch heute war ich auf der Buchmesse auf dem Boulevard Vitosha in Sofia. Der Boulevard Vitosha ist vielleicht am ehesten mit dem Kurfürstendamm vergleichbar. Es geht auch dort viel ums Sehen und Gesehen werden. Und so war es auf der Buchmesse gestern und heute. Ein echter Hingucker war der Jutebeutel mit dem bekannten Orwell-Zitat aus “1984”, das aktueller denn je ist und auf deutsch “Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Wissen” heißt. Aber noch mehr haben sich die Menschen für die vielen Bücher interessiert, wie das auf Buchmessen üblich ist. Obwohl, jetzt wo ich darüber schreibe, bin ich mir gar nicht sicher, ob es in Deutschland nicht genau umgedreht wäre, wie so vieles immer umgedreht ist als in Bulgarien. Also ob sich in der Heimat die Menschen eventuell mehr für den Jutebeutel als für die Bücher interessieren. Um es herauszufinden, habe ich mir heue einen Jutebeutel auf dem Boulevard Vitosha gekauft, nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen hatte. Den Jutebeutel will ich, wenn ich irgendwann zurück in Berlin sein sollte, auf meinem Bücherstand zusammen mit meinen Büchern auf dem Flohmarkt Boxhagener Platz anbieten. Ich bin schon sehr gespannt zu sehen, wie der Vergleich zwischen Deutschland und Bulgarien ausgeht.

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“Können 100 Ärzte lügen?” – Ein Film von Kai Stuht

Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es so aus, als würde es in ganz Deutschland nur einen Arzt und einen Tierarzt geben. Der eine hörte auf den Namen Drosten und der andere auf den Namen Wieler und alle hörten auf die beiden. Eine Situation, die in Bulgarien, wo viele Menschen zwar einfach aber nicht dumm sind, bis heute undenkbar ist. Nun stellt sich heraus, dass es im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat, durchaus auch noch andere Ärzte und auch Ärztinnen gegeben hat und bis heute gibt. Gut, als gelernter Krankenpfleger wusste ich das auch schon vorher. Aber vielen in der Heimat ist das bis heute nicht klar. Das ist zumindest mein Eindruck von aussen. Bevor sie morgen schon wieder mit Maske im Gesicht zur nächsten Impfung trotten, um sich danach brav zu hause einschließen zu lassen – was mir mit Sicherheit nicht passieren wird – empfehle ich sich obigen Film anzuschauen. – “Don’t follow leaders, watch the parkin’ meters!”
Film KaiStuht
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Der kranke Mann in Berlin und Brüssel

Wenn die Amerikanisierung an ihre Grenzen stößt

Bevor das im Vorgängerbeitrag erwähnte Osmanische Reich unterging, zu dem Bulgarien 500 Jahre gehörte, wurde es im Westen “Der kranke Mann am Bosporus” genannt. Nun scheint es so zu sein, dass die Tage Deutschlands, wie wir es kannten, und damit auch Europas gezählt sind. Deswegen “Der kranke Mann in Berlin und Brüssel”. Dafür sprechen an erster Stelle die wirtschaftlichen Zahlen in Deutschland, aber auch das Gefühl vieler Menschen, dass es mit ihrem Land den Bach runter geht. Auch die vielen Putsche, die gerade in Afrika stattfinden, stehen damit in Verbindung. Natürlich geht es da immer auch um Innenpolitik. Mindestens genauso wichtig scheint die außenpolitische Neuorientierung zu sein. Auf den ersten Blick will man weg von Frankreich und damit von Europa. Also das, was der frühere US-Verteidigungsminister Rumsfeld als “Old Europe” bezeichnete. Möglicherweise will man sogar ganz weg vom Westen, inklusive der USA, um sich Richtung China und Russland zu orientieren. Es tritt damit das ein, was die kürzlich verstorbene frühere Bundestagsvizepräsidentin und ehemalige Grüne Antje Vollmer in ihrem politischen Vermächtnis in der Berliner so beschrieb: Wenn mich nicht alles täuscht, steht Europa kurz vor der Phase einer großen Ernüchterung, die das eigene Selbstbild tief erschüttern wird. Für mich aber ist das ein Grund zur Hoffnung. Der so selbstgewisse Westen muss einfach lernen, dass die übrige Welt unser Selbstbild nicht teilt und uns nicht beistehen wird.

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Zurück in Bulgarien (038) – “Tag der Vereinigung”

Gestern war in Bulgarien Nationalfeiertag, um genau zu sein “Tag der Vereinigung” – nicht “Wiedervereinigung”! Und das, obwohl auch bei den Bulgaren etwas vereint wurde, was zuvor zusammengehörte, durch die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich aber geteilt wurde, und zwar von den Großmächten, also nicht durch Bulgarien selbst. Schon damals, die Rede ist vom Ende des 19. Jahrhunderts, hatten die Großmächte ihre Finger im Spiel, und das überall in der Welt. Vereinigt haben sich am 6. September 1885 das Fürstentum Bulgarien und Ostrumelien. Das ganze unter dem deutschen Fürsten Alexander von Battenberg. Diese Vereinigung widersprach dem Berliner Vertrag, der eine Zweiteilung vorsah, und den die Großmächte für Bulgarien gemacht hatten. Gleichzeitig gab es noch einen Krieg gegen Serbien, den Bulgarien unter seinem Fürsten für sich entscheiden konnte. Infolge dessen wurde nicht nur der Sieg Bulgariens anerkannt, sondern auch die Vereinigung. Was lernen wir daraus? Großmächte machen Pläne für andere, kleinere Länder, die oft nicht in deren Interesse sind. Dann gibt es einen Krieg, wobei der Krieg nur Mittel zum Zweck ist, den das kleine Land selbstverständlich gewinnen muss, um seine Interessen gegenüber den Großmächten durchzusetzen. Vereinigungen und auch Wiedervereinigungen sind kein rein deutsches Phänomen. Und was später die Berliner Mauer war, waren zuvor die Berliner Verträge gewesen.

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Alles kommt wieder – auch Corona?

Ein zentraler Gedanke in Friedrich Nietzsches Philosophie ist die Ewige Wiederkunft des Gleichen, dem zufolge sich alle Ereignisse unendlich oft wiederholen. Dieses zyklische Zeitverständnis ist für Nietzsche aber kein Grund zum Pessimismus, was man denken könnte, sondern ganz im Gegenteil die Grundlage höchster Lebensbejahung. Das mag einige überraschen, allen voran die, die sich nie mit Nietzsche beschäftigt haben. Auf Nietzsches Gedanken komme ich, weil mich Nachrichten aus der Heimat erreichen, die die Wiederkehr von Corona nahelegen. Gleichzeitig bekomme ich Anfragen von Landsleuten aus dem Ausland, die mich nach meiner diesbezüglichen Prognose für Bulgarien fragen. Die Wahrheit ist, dass ich weder für Deutschland noch für Bulgarien irgendeine Prognose habe. Prognosen sind bekanntlich schwer, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Was ich weiß, ist, dass ich selbst die Wiederkehr von Lockdowns und Maßnahmen bis hin zur Impfung mit Lebensbejahung zu begegnen versuche. Oder mit anderen Worten: Es ist eine Prüfung, die das Leben uns stellt, und durch die wir zuletzt durchgefallen sind. Wie wir die Prüfung in Zukunft bestehen können, darum geht es u.a. in obigem Interview mit Raymond Unger, der in seinem früheren Leben wie ich Taxifahrer war, und mit dem ich auch schonmal ein Interview gemacht habe.
PS: In dem Gespräch wird der israelische Historiker Yuval Noah Harari erwähnt, der Zauberlehrling von Klaus Schwab. Nachdem ich gerade sein Buch “Homo Deus” gelesen habe, würde ich ihn darüber hinaus als Frankenstein von heute bezeichnen.
Video Kai Stuht
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Zurück in Bulgarien (037) – “Land- vs. Holzmafia”

Buchen zum Verbrennen

Gestern lag zum ersten Mal der typische Geruch des beginnenden Herbstes in der Luft. Jemand hat in seinem Ofen Holz verbrannt. Ein Hinweis auf die Heizsaison, die vor der Tür steht und im Gebirge bereits begonnen hat. Im ländlichen Bulgarien wird traditionell mit Holz geheizt. Wie viel von dem Holz legal geschlagen ist, lässt sich schwer sagen. Sicher ist, dass es eine Holzmafia gibt, die illegal Holz schlägt und verkauft. Andernorts wird Holz gar nicht erst geschlagen, sondern direkt verbrannt. Beispielsweise im Nachbarland Griechenland. Dort gibt es eine Landmafia, die Wälder abbrennt, um an Bauland zu kommen. Bei der Berichterstattung fällt die Landmafia gerne hinten runter, und das obwohl die von ihr verursachten Brände in der Tat Menschengemacht sind. Aber das ist nicht neu: Wer legt sich schon gerne mit der Mafia an? In Bulgarien werden Menschen, die der Holzmafia auf der Spur sind, auch schon mal mit dem Leben bedroht. Einen Unterschied gibt es wie gesagt zwischen der Land- und der Holzmafia. Die Landmafia lässt Holz einfach so verbrennen. Ich will die Holzmafia aber nicht besser machen, wie sie ist. Der Irrsinn der Holzmafia ist, dass in der Regel Buchen, die für ihr lange gewachsenes hartes Holz bekannt sind, zum Verfeuern geschlagen werden. Im selben Moment werden aus weichem Kiefernholz, das oft in schlechter Qualität für viel Geld auf den hiesigen Baumärkten  angeboten wird, Terrassen und Türen gebaut. Ein klein wenig wie in Kolumbien, wo die Kaffeepflücker selbst keinen echten Bohnenkaffee sondern Instant-Kaffee von NESCAFÉ® trinken.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (036) – “Freund Dieter”

Angebot bei Kaufland

Seitdem sich die Preise für Butter verdoppelt haben, ist Butter ein Luxusprodukt für mich geworden. Oder mit anderen Worten: Habe ich mal keine Butter, habe ich ein Luxusproblem. Die meisten Menschen kaufen in Bulgarien Deutsche Butter. Es gibt auch Bulgarische Butter, die aber Margarine ist. Auch Deutsche Butter schmeckt nicht immer nach Deutscher Butter. Es gibt für sie zwei Standards, den bulgarischen und den deutschen, ich hatte hier darüber geschrieben. 3,99 Lewa (zwei Euro) für ein Stück Deutsche Markenbutter ist ein Spitzenpreis, vor allem wenn man berücksichtigt, dass sie deutschem Standard entspricht. Das Angebot gab es bis Sonntag bei Kaufland. Kaufland gibt es schon länger in Bulgarien, seit einiger Zeit gibt es auch Lidl – Aldi gibt es nicht. Dass es Kaufland und Lidl gibt, dürfte damit zu tun haben, dass beide Ketten einer Familie in Deutschland gehören, und zwar der Familie Schwarz. So habe ich es neulich im Internet gehört. Ganz genau habe ich gehört, dass der Lidl-Gründer Dieter Schwarz der reichste Deutsche ist, und dass Dieter Schwarz mit Lidl und Kaufland das größte Privatunternehmen Deutschlands aufgebaut hat. Bin ich früher in Berlin zu Aldi gegangen, habe ich mich immer bei “Freund Aldi” für seine Butter-Angebote gedankt. Jetzt in Bulgarien “Freund Schwarz” zu danken, fällt mir irgendwie schwer. Gut, der Dieter ist nach Bulgarien gekommen, was nicht jeder macht – “Freund Aldi” beispielsweise nicht. Aber ist er eigentlich nicht nur wegen des Geschäfts gekommen? Und habe ich den reichsten Deutschen nicht noch reicher gemacht? Oder ist Butter für 3,99 Lewa (zwei Euro) gar kein richtiges Geschäft für den Dieter, sondern nur ein Lockmittel? Das hätte dann funktioniert, denn ich habe gleich zwei Stück gekauft.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (035) – “Höhenluft”

Höhenluft tut gut

Die Luft, diesmal nicht in den Schluchten sondern in den Höhen des Balkangebirges, bekommt mir gut, wie man sieht. Mir geht es da wie Nietzsche, den wahnsinnige Kopfschmerzen in die Höhen der Schweizer Alpen getrieben haben, wo er seine wichtigsten Werke verfasste, allen voran den Zarathustra. Mich hat ein Interview mit dem Munich Globe Bloggers in die Höhe getrieben, dessen ersten Teil man ab sofort hier nachlesen kann. Weitere Teile mit Fotos von mir werden folgen, insgesamt sind es wohl vier oder fünf. Die Themen sind, wie könnte es anders sein: Auswandern, Bulgarien und Esel. Und nicht zu vergessen: mein Projekt eines Donkey Sanctuary & Writers Retreat, dem ersten Rückzugsort für Autoren und Autorinnen, an dem es Esel gibt, für das auch Du weiterhin spenden kannst. Danke!

Foto&Text Rumen Milkow

Zurück in Bulgarien (034) – “Der Verfall, der Verfall”

Viel habe ich über den allgegenwärtigen Verfall in Bulgarien geschrieben, und dass er etwas mit dem Menschen macht. Was genau, das konnte ich dabei nicht genau sagen. Jetzt ist mir ein guter Vergleich eingefallen. Ausgerechnet in dem Film “Apocalypse Now” habe ich ihn gefunden. In dem Film mit Marlon Brando und Martin Sheen, der während den Dreharbeiten im Jungle einen Herzinfarkt erlitt, geht es um einen Krieg. Nicht den Krieg in der Ukraine, auch nicht den nicht stattgefundenen in Bulgarien, sondern den der USA in Vietnam. Marlon Brando spricht in dem Zusammenhang von “Grauen”, was auf amerikanisch “Horror” heißt. “The Horror, the horror” hat aus dem hochdekorierten Colonel Kurtz alias Marlon Brando im vietnamesischen Jungle einen anderen Mann gemacht. Was für einen anderen Mann genau, dazu empfehle ich, sich den Film anzusehen. Auch weil man damals als Journalist noch frei über einen Krieg berichten durfte und kein eingebetteter Journalist wie heute war. Wer heute als nicht eingebetteter Journalist aus einem Krieg berichtet, dem kann schon mal der Lehrauftrag entzogen werden, was aber schon wieder ein anderes Thema ist. Zurück zum Verfall in Bulgarien, mit dem es sich ähnlich verhält wie mit dem Grauen, egal ob Vietnam oder Ukraine, und der etwas mit einem macht. Um herauszufinden, was, sage ab sofort auch ich Mantraartig “Der Verfall, der Verfall” vor mir her. – Mal sehen, was passiert.

 Fotos&Text TaxiBerlin