Zurück in Bulgarien (109) – “Wir tun nur so …”

Es gibt eine Sache, die in Bulgarien ebenfalls anders ist, die ich noch nicht erwähnt habe. Das ist das Vertrauen in die Regierung. In Bulgarien vertraut praktisch niemand der Regierung, weder Akademiker, noch einfache Arbeiter. Dieses Nichtvertrauen hat in Bulgarien, das lange von den Osmanen regiert wurde, Tradition. Die Tradition musste nach dem Untergang des Kommunismus nach 1989 nicht erfunden sondern nur fortgesetzt werden. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Regierung verstehen die Bulgaren nicht, und zwar weder Akademiker, noch Intellektuelle oder Künstler und schon gar nicht einfache Arbeiter oder Rentner, obwohl sie alle sonst großen Respekt vor Deutschland und den Deutschen haben. Dieses Misstrauen in die Regierenden, das es in Bulgarien schon immer gab, ist nun auch in der Heimat angekommen. Die aktuelle Ampel-Regierung hat keine Mehrheit mehr. Warum jetzt erst, fragt sich der Bulgare und schüttelt den Kopf. In Bulgarien hat die Regierung noch nie eine Mehrheit gehabt. Wie auch? – Bei 60 Prozent Nichtwähler! Überhaupt hat man in Bulgarien wichtigeres zu tun als sich um die Regierung zu kümmern. Gerade ist Erntezeit und dieses Jahr ist ein Kürbisjahr. Mit der Regierung halten es die Bulgaren wie mit dem Arbeitgeber. Da gilt das Sprichwort: Sie tun so, als würden sie uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir arbeiten. Also: Sie tun so, als würden sie uns regieren, und wir tun so, als würden wir uns von ihnen regieren lassen. In der Plandemie hat das prima funktioniert. Offiziell haben sich hier nur 30 Prozent impfen lassen, in Wahrheit dürften es wohl gerade mal 20 Prozent gewesen sein, denn viele haben sich die Impfung gekauft. Heute hat Bulgarien mit die geringste Übersterblichkeit in Europa. Galt drei Jahre lang Gesundheit aller als höchstes Gut, ist sie heute egal. Vor allem für Deutschland ist das fatal. Dort ist die Übersterblichkeit am höchsten.

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Zurück in Bulgarien (108) – “Schuchtensaunieren”

Gleich geht’s ab in die Sauna. Komme gerade von draußen rein, wo ich dafür die Vorbereitungen getroffen habe. Zuerst habe ich das Tauchbecken gestaut, indem ich den Abfluss abgeriegelt habe (oben links). Danach habe ich in der Sauna im Hintergrund Feuer gemacht. Jetzt muss ich nur noch eine Stunde warten, bis die Sauna wohltemperiert ist für den ersten Saunagang. Diese Zeit nutze ich, um darüber zu berichten. Obwohl die Temperaturen keine 70 Grad erreichen, reichen sie hier für die Sauna vollkommen aus. In den Schluchten des Balkans wird nicht nur Nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, sondern es wird auch nicht so heiß sauniert wie in der Heimat. Qualmen tut es aber auch hier mächtig, wenn man den Saunaofen anschmeißt. Ich weiß nicht, wie es zuhause aussieht, aber hier geht das noch. Obwohl auch ich ein alter Grüner bin, halte ich es in dem Punkt mit der Doppelmoral der Klimabewegten Klebekinder in Deutschland. Gut, ich fliege nicht nach Thailand oder so, sondern heize nur meine Sauna ein. Aber wenn mich einer fragen würde, was hier keiner tut, würde ich auch antworten: Lieber Doppelmoral als gar keine Moral. – “Petri Heil und immer eine blaue Brise über der Sauna!”

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Zurück in Bulgarien (107) – “Im Tal der Esel” (5)

Die langen Ohren sind, wenn man so will, ein Markenzeichen der Esel. Es ist aber nicht ihr einziges. Nicht vor Problemen wegzurennen, sondern vieles auszuhalten, sind weitere. Der Mensch hat keine so großen Ohren wie der Esel. Vielleicht fällt es ihm deswegen so schwer, anderen Menschen einfach mal zuzuhören. Ist jetzt nur eine Vermutung von mir, die sich allerdings mit meiner Erfahrung im Taxi deckt. Ich habe Jahre gebraucht, um anderen Menschen einfach mal zuzuhören. Zuhören hört sich leichter an als getan. Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist.

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Zurück in Bulgarien (106) – “Im Tal der Esel” (4)

Das ist der Esel Philip, der Anfang das Jahres aus dem Dorf Gaytaninovo an der Grenze zu Griechenland ins Tal der Esel gekommen ist. Philip ist 20 Jahre alt, und er ist das, was man einen Einzelgänger nennt. Philip hieß nicht immer Philip. Die meisten Esel in Bulgarien werden von ihren Besitzern Marko genannt. Ein bekannter bulgarischer Witz besagt, dass nicht alle Esel Marko heißen würden. Philip ist der lebende Beweis dafür. Philip ist ein Wunschname. Die Frau eines Berliner Bekannten von meiner Frau und mir, er ist mittlerweile verstorben, hat sich gewünscht, dass ein Esel im Tal der Esel nach ihm benannt wird. Ich nutze die Gelegenheit auch noch etwas über das Dorf zu berichten, aus dem Philip ursprünglich kam. Es heißt wie gesagt Gaytaninovo. Der Name leitet sich vom Wort Gaida ab, dem bulgarischen Dudelsack. Glaubt man Wikipedia, hat sich die Einwohnerzahl im Dorf Gaytaninovo in den vergangenen 90 Jahren so entwickelt:
1934 – 810
1946 – 900
1956 – 623
1965 – 546
1975 – 349
1985 – 214
1992 – 216
2001 – 124
2011 – 75
2018 – 46
Der von mir öfters erwähnte Exodus sowohl der Menschen, als auch der Esel, findet also nicht nur in meiner Region, dem Nordwesten Bulgariens und ärmsten Region des Landes und der EU, statt. Denn das Dorf Gaytaninovo befindet sich im Süden, der, auch das erwähnte ich bereits, bekanntlich eine andere Energie hat. Seit 2018 dürften noch einmal Menschen und auch Esel das Dorf Gaytaninovo verlassen haben oder verstorben sein. So wie Philip verstorben ist, der Bekannte aus Berlin, nach dem der Esel aus dem Dorf Gaytaninovo benannt ist. Auch Du kannst einen Esel im Tal der Esel nach Dir benennen lassen. Du musst dazu nicht verstorben sein. Nach mir wurde auch schon einmal ein Esel im Tal der Esel benannt, der allerdings bereits verstorben ist. Das kann natürlich auch passieren. Wenn Du trotzdem möchtest, dass ein Esel im Tal der Esel nach Dir benannt wird, kannst du mir gerne eine e-mail an rumen(ät)milkow.info schreiben. Du kannst das Tal der Esel auch mit einer Spende unterstützen oder eine Patenschaft übernehmen.
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Zurück in Bulgarien (105) – “Im Tal der Esel” (3)

Das ist meine Freundin und Fotografin Miroljuba. Miroljuba kommt aus Sofia und kennt das Tal der Esel länger als ich. Das Tal der Esel wurde von einem Deutschen oder Schweizer, ich vergesse das immer, namens Stephan ins Leben gerufen. Das ist jetzt einige Jahre her. Auch die genauen Daten behalte ich nicht. Was ich weiß, ist, dass Stephan vor einiger Zeit verstorben ist. Und außerdem, dass das Tal der Esel bis heute mit Spenden aus der Schweiz finanziert wird. Eigentlich, ich erwähnte das schon mal, wollte man gar nichts stationäres aufbauen, sondern die Menschen vor Ort schulen, wie sie ihre Esel behandeln sollen. Dieses Wissen war mit den Jahren verloren gegangen. Früher, zu sozialistischen Zeiten, als jede Familie einen Esel hatte, wurde das Wissen von Generation zu Generation weiter gegeben. Heute wird kaum noch etwas auf diesem Wege vermittelt, gibt es dieses Wissen praktisch nicht mehr, sowohl in Deutschland als auch in Bulgarien. Genauso wie Esel. Die gibt es auch kaum noch, selbst in Bulgarien. Aber auch hier spielt die bereits erwähnte andere Energie, die der Süden Bulgariens hat, eine Rolle. Während der Norden Bulgariens mehr oder weniger entvölkert ist, sowohl von Menschen als auch von Tieren, treiben sich im Süden noch ein paar Exemplare von ihnen herum, inklusive Eseln. Miroljuba und ich dokumentieren, wenn man so will, die letzten von ihnen.

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Zurück in Bulgarien (104) – “Im Tal der Esel” (2)

Elvis (Mitte) und Herkules
Wie gehabt mache ich im Tal der Esel viele Fotos. Es gibt kaum einen anderen Ort in Bulgarien, an dem es so viele Esel gibt. Ich bin damit nicht alleine. Auch andere Fotografen kommen hier her, um Esel zu fotografieren. Gerade ist eine Kollegin aus Sofia hier, mit der ich befreundet bin. In der Szene der Esel-Verrückten und Esel-Narren kennt man sich. Einen Unterschied gibt es zwischen der Kollegin und mir. Ich fotografiere seit einiger Zeit vorzugsweise mit dem Smartphone. Ich wollte nie ein Smartphone haben, und jetzt fotografiere ich damit. Das Smartphone ist übrigens ein Geschenk. Ganz genau habe ich zwei Smartphones geschenkt bekommen. Die brauche ich, weil ich auch eine bulgarische Nummer habe und zumindest in dem einen Smartphone nur Platz für eine SIM-Karte ist. Dafür macht dieses Smartphone ganz tolle Bilder. Beispielsweise obiges von dem Esel Elvis (Mitte) und Herkules. Das sagt auch meine Kollegin aus Sofia, die mit einer richtigen Kamera fotografiert, aber auch schon digital. Sie hat auch die Fotos auf meine Homepage mit Herkules gemacht. Das war ziemlich genau vor einem Jahr und auch hier im Tal der Esel. Herkules ist mein Favorit – und ich bin seiner. Dass sich Elvis so in den Mittelpunkt drängt, hat Herkules gar nicht gepasst. Aber Herkules ist ein weiser Esel, der demütig geworden ist. Hauptsache er ist überhaupt auf dem Foto, und er kann sich an mich rankuscheln – das wichtigste. Das hat er auch im letzten Jahr gemacht. Man sieht das auf den Bildern, die die Kollegin von uns gemacht hat. Herkules war nicht immer so ein Kuschel-Esel – im Gegenteil. Als er ins Tal der Esel kam, war er ein richtiger Troublemaker, der mit allem und jedem Streit gesucht hat. Sowohl mit den Eseln, als auch mit den Menschen. Er hat sich, wenn man so will, um 180 Grad gedreht. Und das, obwohl er von seinem früheren Besitzer nicht gut behandelt wurde, weswegen er immer nur Ärger gemacht hat. Und das können wir Menschen auch. Auch wenn uns unsere Eltern, unsere Erzieher, unsere Lehrer, unsere Chefs und selbst unsere Politiker schlecht behandeln, beispielsweise indem sie uns permanent Angst machen, müssen wir nicht automatisch böse Menschen werden. Im Normalfall ist das so, dass der Mensch dann krank oder böse wird. Wie gesagt: Das muss nicht sein. Herkules ist ein Beispiel dafür. – Und ich, der ich viel von Herkules lerne, vielleicht auch bald.
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Zurück in Bulgarien (103) – “Im Tal der Esel” (1)

Wie in der Vergangenheit, so wurde ich auch diesmal als erstes von den kranken, behandlungsbedürftigen Eseln im Tal der Esel begrüßt. Das liegt daran, dass sich der kleine Stall, zu der auch eine eigene, kleine Behandlungseinheit gehört, in unmittelbarer Nähe des Eingangs befindet. In dem Bereich werden auch Neuankömmlinge ins Tal der Esel aufgenommen. Heute beispielsweise wird ein neuer, alter Esel aus einem etwa 30 Kilometer entfernten Dorf abgeholt. Leider kann ich nicht mitfahren, da ich ab heute wieder Radio mache. Keine große Sache, “nur” eine Art neues Info-Radio. Letztes Jahr haben wir schon einmal einen Esel aus demselben Dorf geholt. Damals war ich dabei und musste einmal mehr feststellen, dass Süd-Bulgarien eine andere Energie hat als der Norden, insbesondere als der Nord-Westen, der ärmsten Region, wo ich sonst zuhause bin. Hier herrscht noch Leben, während in den Dörfern im Norden tote Hose ist. Viele sind dort das, wozu man in Amerika “Ghost Towns” sagt. In Nord-Bulgarien kann man sie ganz umsonst besuchen. Meist sieht man noch ein paar Menschen, die sich fortbewegen wie die Esel in der Behandlungseinheit gleich am Eingang zum Tal.

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