“I talk to people!”

Am Dienstag war ich erneut in Bukarest, wo obige Aufnahme entstanden ist. Warum ich in der rumänischen Hauptstadt war, kann man in Kurzform hier nachlesen. Die freundlichen Damen und der nette Herr an meiner Seite sind Volontäre des Kandidaten, der jetzt nicht zur Wahl antreten darf, obwohl er die besten Aussichten hätte, neuer rumänischer Präsident zu werden. Volontär bedeutet in dem Fall, dass sie ohne Bezahlung Werbung gemacht haben sollen. Wobei Werbung nach Meinung der Volontäre der verkehrte Begriff ist, denn es war keine Kampagne, sondern ein Aufruf, oder vielleicht besser ein Weckruf für Freiheit, Frieden, Würde und Einheit. Călin Georgescu, so heißt der Kandidat, der in gewisser Weise gar kein Politiker ist, denn er kommt nicht aus dem System, wird vorgeworfen, bei seinem Wahlkampf kein Geld ausgegeben zu haben. Berücksichtigt man, dass man sich in Rumänien laut den Volontären dieses Geld vom Staat zurückerstatten lassen kann, ist dies ein merkwürdiger Vorwurf. Immerhin spart der Staat Geld, aber Geld scheint keine Rolle mehr zu spielen, zumindest in der Heimat, wo gerade neue Schulden gemacht werden, als gäbe es kein Morgen. Nach Abgaben der Volontäre soll es in Rumänien 600.000 von ihnen geben, die kostenlos für Georgescu Werbung gemacht haben. Auch wenn ich sie nicht selbst gezählt habe, vertraue ich den Aussagen von Volontären mehr als denen von Politikern. Martha Gellhorn, eine bekannte US-amerikanische Journalistin und Kriegsberichterstatterin, muss es ähnlich gegangen sein. Von ihr stammt der Ausspruch: All politicians are bores and liars and fakes. I talk to people.

Im Vorhof zur Hölle

Auf dem Rückweg von Bukarest bin ich im Heimatdorf meines Vaters vorbeigefahren, das mehr oder weniger auf dem Weg lag. Das Haus der Familie meines Vaters steht leer. Meine Vorfahren liegen alle auf dem Friedhof, auch mein Vater. Der Rest ist weggezogen. Der Friedhof ist der Vorhof zur Hölle. Wenn ich nicht wüsste, wo ich suchen muss, würde ich das Familiengrab nicht finden.

Gestern verbrannte jemand direkt neben dem Friedhof eine Mischung aus Laub und Plastik. Es stank erbärmlich. Der Himmel war bedeckt. Die Szenerie erinnerte an einen Endzeitfilm. Trotzdem hat sich der kleine Umweg gelohnt. Denn ich konnte mit meinem Vater reden, ihm Fragen stellen. Natürlich habe ich keine Antworten bekommen von ihm. Die Antworten finde ich in mir.

Hatte Hitler nicht auch einen Hund?

Gestern war ich in Bukarest, um mir ein eigenes Bild zu machen, wer da für den unabhängigen Kandidaten für das Präsidentenamt Călin Georgescu auf die Straße geht. Wie man sehen kann, sind es Menschen wie Du und ich. Und dabei soll dieser Călin Georgescu ein ganz schlimmer Nazi sein. Aber gut, spätestens seit ich selbst in Berlin als Nazi bezeichnet wurde, weiß ich, was es heißt, als Nazi bezeichnet zu werden: Nichts! Oder meinst Du im Ernst, dieser nette Herr würde mit einem Nazi sympathisieren? Bei dem Hund bin ich mir nicht sicher. Hatte Hitler nicht auch einen Hund?

“Unsere Demokratie” entwickelt sich weiter

“Unsere Demokratie” kennt keine Ruhetage, sie arbeitet auch am Sonntag, zumindest in Rumänien. Dort hat heute die Wahlkommission entschieden, dass Călin Georgescu nicht an der Präsidentschaftswahl Anfang Mai teilnehmen darf. Wer Călin Georgescu nicht kennt: das ist der nette Herr auf dem Plakat, der vermutlich die Stichwahl im Dezember gewonnen hätte. Damit dies nicht geschieht, wurde sie vorher abgeblasen. “Unsere Demokratie” hat aus der Thüringen-Wahl vor fünf Jahren gelernt. Damals musste das Ergebnis noch von keiner geringeren als “unserer” Bundeskanzlerin von Südafrika aus als „unverzeihlich“ kritisiert und daraufhin folglich “korrigiert” werden. Was für ein Aufwand! Heute ist “unsere Demokratie” zum Glück einen Schritt weiter.

Anreise aus Bulgaristan

Reist man aus meiner Ecke Bulgariens, dem Nordwesten, nach Serbien ein, ist es ein klein wenig so, als würde man aus einem Bürgerkriegsgebiet in ein zivilisiertes Land einreisen. Die Straßen auf bulgarischer Seite haben zwar keine Bombentrichter, dafür endmoränenartige Wellen und natürlich keine Markierungen – das ist klar. Hinweisschilder sind auch Mangelware. Man ist gut beraten, wenn man etwas Orientierung und viel Phantasie mitbringt. Und natürlich Humor. Jede Menge Humor. Sonst überlebt man den Grenzübertritt nicht – spätestens bei der Rückreise.

Serbien hat eine andere Energie

Studenten-Protest in Belgrad

Bisher war kein einziger protestierender Student hier in Belgrad zu einem Interview bereit, was nicht nur daran liegt, dass auch die Studenten von heute allesamt Langschläfer sind. Unabhängig davon muss ich erneut feststellen, dass Serbien einfach eine andere Energie hat als Bulgarien.

“Masters Of War”

You that never done nothin’ but build to destroy

Die wenigsten können sich Rheinmetall-Aktien leisten, obwohl sie sich gerade jetzt lohnen. Direkt an die Front in der Ukraine zieht auch niemand. Dazu fehlt ihnen der Mumm, sie kämpfen lieber an der “Heimatfront”. Warum sie trotzdem gegen Frieden und für den Krieg sind, bleibt ihr Geheimnis.