Der linke Pfeil muss eigentlich nach unten zeigen, denn dort befinden sich die drei letzten verbliebenen Kisten mit deutschen Büchern (Foto unten). Darunter so wichtige Werke wie “Die Hölle der Zahlen”, “Erotische Volksmärchen aus aller Welt” und “Wir treffen uns in New York”. Es ist nicht irgendeine Buchhandlung in Bulgarien, wo die Aufnahmen entstanden, sondern die der Universität in Sofia. Deutschland ist also jetzt auch bei den bulgarischen Gelehrten ganz unten angekommen. Auf dem absteigenden Ast war es bei vielen Bulgaren zuvor schon gewesen. Sie haben es einfach nicht mehr verstanden. Da helfen auch keine Bücher mehr.
Gestern war ich wieder in Montana. Da es wie aus Eimern schüttete, trieb es mich anstatt zum Flohmarkt zu Humana Second Hand Bulgaria, wo es nicht nur abgelegte Klamotten aus Deutschland gibt, sondern auch die unaufgebarbeitete neuerliche Vergangenheit meiner Landsleute. Das mit dem Abstand halten soll beispielsweise total ausgedacht gewesen sein, also ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage. Es war – wenn man so will – lediglich Teil eines Gehorsamsexperiments, von dem man heute nichts mehr wissen will. Deswegen hängen die orangenen T-Shirts, die aussehen wie die von der Berliner Stadtreinigung (BSR), auch in Bulgarien und nicht in Berlin rum. Mit fünf Lewa (2,5€) das Stück nicht nur farblich, sondern preislich ansprechend, wie ich finde.
Humana Second Hand Bulgaria hat nicht nur T-Shirts, sondern auch Unterwäsche. So (Foto unten) sieht es aus, wenn Frau zu oft auf Lady Camel Toe gemacht hat. Es soll auch einen männlichen Camel Toe geben. Das war das letzte, was ich von der armen Kamelzehe gehört habe, was ich mir aber nicht wirklich vorstellen kann. Male Camel Toe – echt jetzt? Wenn es sie wirklich gibt, kann sie nicht sonderlich gesund sein. Denn genau deswegen habe ich seinerzeit den Hodenhalter erfunden, der nicht einfach nur das Gegenstück zum Büstenhalter ist, sondern eine gesundheitsfördernde Aufgabe hat. Diese besteht darin, die paarig angelegten Hoden, auf lateinisch Testis, vom Körper wegzuhalten, denn diese brauchen, um optimal zu funktionieren, leichte Untertemperatur. Hier ist das Abstand halten wirklich wissenschaftlich belegt. Wer’s nicht glaubt, fragt die KI.
Wenn ich in Sofia bin, und das bin ich in letzter Zeit immer öfter, gehe ich immer auf die Toilette im ersten Haus am Platz. Ich verrate jetzt nicht den Namen des Hotels, denn ich will keine Nachahmer. Ich kann so viel verraten: Als ich klein war, waren solche Hotels mein zuhause. Ich bin nämlich mit einem, gut nicht goldenen, aber doch silbernen Löffel groß geworden. Das war eine zeitlang ganz schön, am Ende aber doch ziemlich anstrengend. Deswegen habe ich irgendwann gesagt, dass ich, wenn ich groß bin, Vagabund werden will. Und das bin ich geworden. Aus alter Gewohnheit suche ich weiterhin die Orte auf, wo die Welt in Ordnung ist. Und dabei spare ich noch Geld. Der Toilettengang in der Hauptstadt kostet normalerweise einen Lewa (0,50€), im ersten Haus am Platz ist er umsonst. Man muss sich natürlich weltmännisch geben, aber das kann ich. Gerade habe ich Besuch aus Deutschland. Gestern sind wir nach Sofia gefahren, wo wir gemeinsam auf Toilette waren. Das Schöne am Deutschen ist, dass man ihm immer ansieht, dass er nicht von hier ist. Dementsprechend besteht auch keine Gefahr, dass man von Mitarbeitern des Hotels blöd angesprochen wird. Auch mein Besuch aus der Heimat findet, dass die Welt, wenn schon nicht in ganz Bulgarien, so doch im ersten Haus am Platz (noch) in Ordnung ist.
Wer kennt sie: Die Kamelzehe?!? Auf Englisch Cameltoe oder auch Camel Toe. Gerade hat wieder ihre Zeit begonnen. Allerdings nicht im Zoo, sondern auf den Straßen und Plätzen, in Parkanlagen und nicht zuletzt am Strand. Nachdem eine Kollegin der Neuen Zürcher Zeitung bereits vor Jahren einen ausführlichen Beitrag über das aggressive Statement, das sie als einen Affront für den Blick und eine Provokation bezeichnet, die Männer in den Nicht-Blick zwingt, und die sie darüber hinaus eine „Vagina dentata“ nennt, eine „bezahnte Vagina” und eine Männerphantasie, die Realität geworden ist, habe auch ich mir erlaubt, einen Kommentar über sie zu verfassen.
PS: Das wichtigste mal wieder fast vergessen: Die Neue Zürcher bedient sich in ihrem Beitrag des selben Bildes.
Ich wusste gar nicht, dass Kyrill und Method, das sind die beiden Herren mit den Bärten auf dem Gemälde im Hintergrund, Cheerleader hatten – aber man lernt bekanntlich nie aus. Cheerleader sind junge Mädchen, die nicht 18 oder älter und nicht jünger als 9 Jahre alt sein dürfen, und die das Publikum zum Applaus animieren sollen. Auch da war mir nicht klar, dass Heilige Applaus irgendeines Publikum bedürfen. Das Wort Cheerleader kommt aus dem Englischen und ist eine Zusammensetzung aus cheer, also Jubeln oder Hurra rufen – dürfte bald wieder wichtig werden, und leader für Leiter oder Führer – auch er wird wohl demnächst wieder gefragt sein.
Für mich ist es jedes Jahr aufs Neue überraschend festzustellen, dass während in Bulgarien Kyrill und Method geehrt werden, im fernen Amerika Bob Dylan alias Robert Zimmermann seinen Geburtstag feiert. Bobby wird heute 84, Kyrill und Method, die Schöpfer der Vorstufe des Kyrillischen Alphabets, genau heißt das Alphabet das Glagolitische, sind schon ein bisschen älter. In Bulgarien wird heute überall gefeiert und getanzt, um damit den beiden Brüdern aus Thessaloniki zu gedenken. In Bulgarien wird überhaupt immer viel getanzt. Die Bulgaren praktizieren, wenn man so will, praktisch das, was Nietzsche empfahl: “Du musst Dein Leben tanzen!” Und auch hier schließt sich der Kreis zu Bob Dylan, der irgendwann mal gesagt hat, dass er sich selbst als “Song and Dance Man” sieht. Bis eben wusste ich nicht, was ich heute mache. Ich habe den Tag auf mich zukommen lassen, wie man das halt so macht in Bulgarien. Bloß keine Pläne machen! Wie es jetzt aussieht, werde ich wohl ins Kloster gehen und für die drei Herren jeweils eine Kerze anzünden. Eine oben auf dem Kerzenständer für den noch lebenden Bobby und zwei weiter unter für die bereits von uns gegangenen Brüder Kyrill und Method.
Wo ich einmal beim Essen bin, genauer bei Kantinen, möchte ich über mein Montags-Montana-Flohmarkt-Menü schreiben. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich etwas auf dem Flohmarkt gegessen habe. Früher gehörte es praktisch dazu, dass ich eine Wurst vom Grill genommen habe. Aber wie ich bereits schrieb, bin ich in Bulgarien praktisch zum Vegetarier mutiert. Und zwar als ich erfahren habe, dass ein junger Mann aus meinem Dorf regelmäßig Schweinehälften aus Deutschland rankarrt. Als ob man in Bulgarien keine Schweine mehr züchten kann. Aber was soll’s, das Wetter war schön am Montag, ich hatte meinen Schatz, die London-Glocke, gefunden und ich hatte zuhause nichts gegessen, was ich sonst mache. Ich hatte Hunger und es war mir Scheißegal, wie die Wurst aussieht. Sie heißt übrigens Kebapcheta, aber das nur nebenbei. Das wichtigste war, sie war essbar. So auch die Pommes, die diesen Namen nicht verdienen, und der Kraut-Möhren-Salat. Um ganz ehrlich zu sein, war der Kraut-Möhren-Salat das Beste am ganzen Menü. Einfach, aber gut. Das Ganze übrigens für nur fünf Lewa (2,5€). Die London-Glocke, die einen ganz tollen Klang hast, habe ich für 3,50 Lewa (1,75€) erstanden. Insgesamt also keine ganz runde Sache, mein Flohmarktbesuch, mit 8,50 Lewa (4,25€), aber man kann nicht alles haben.
PS: Die Wurst hatte weder Nach- noch Nebenwirkungen. So gesehen war es dann doch eine runde Sache.